zurück
Kitzingen/Würzburg
Brandanschlag auf Auto von Kitzinger Bayernpartei-Politiker: Anwalt kündigt Berufung an – Wie geht es Uwe Hartmann?
Das Urteil vom Mittwoch wird wohl nicht rechtskräftig. Wie der Politiker den Prozess erlebte und welche Rolle eine FFP2-Maske bei der Überführung des Täters aus der Querdenker-Szene spielte.
In der Nacht auf den 4. Februar 2022 stand das Auto von Bayernpartei-Stadtrat Uwe Hartmann in Flammen.
Foto: Feuerwehr Stadt Kitzingen | In der Nacht auf den 4. Februar 2022 stand das Auto von Bayernpartei-Stadtrat Uwe Hartmann in Flammen.
Benjamin Stahl
 und  Frank Weichhan
 |  aktualisiert: 08.02.2024 13:11 Uhr

Die Tat eines sogenannten Querdenkers hat das "bisherige Leben" von Uwe Hartmann und seiner Familie "zerstört" – so formuliert es der Kitzinger Stadtrat. Der Täter hat sein Auto angezündet, weil er Hartmanns Haltung in der Corona-Pandemie nicht teilte. Angeklagt war ein schmächtiger Mann. 31, Frührentner, fürchterliche Kindheit. "Als sozial eingestellter Mensch, finde ich es sehr bedauerlich, wie ein junger Mann sein Leben so leichtfertig vergeudet", sagt Hartmann am Mittwoch, nachdem der Brandstifter vom Amtsgericht Würzburg zu drei Jahren Haft verurteilt wurde. "Als Betroffener halte ich das Urteil für gerecht."

Was der Bayernpartei-Politiker zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß: Der Täter wird Berufung einlegen. Das bestätigte dessen Anwalt Norman Jacob junior am Donnerstag auf Anfrage der Redaktion.

"Dass mir jemand ans Leder wollte, ist noch immer sehr belastend"
Stadtrat Uwe Hartmann

Tags zuvor gibt sich der Angeklagte vor dem Schöffengericht reuig. Über seinen Verteidiger lässt er eine Erklärung abgeben, in der er gesteht, das Auto von Uwe Hartmann am 4. Februar 2022 in Brand gesetzt zu haben. Allerdings habe er nur den Reifen beschädigen wollen, auf den er in den frühen Morgenstunden einen Grillanzünder gelegt habe. Wenige Minuten später schlugen die laut einem Sachverständigen des Landeskriminalamts bis zu 700 Grad heißen Flammen meterhoch aus dem Smart und griffen auf das Wohnhaus der Familie Hartmann über, in dem der Politiker und seine Frau zur Tatzeit schliefen.

Zeitungsausträger entdeckte das Feuer zufällig

"Wir sind durch einen lauten Knall wach geworden", erinnert sich Hartmann im Zeugenstand – das Platzen des Reifens, vermuten Ermittler. Ein Feuerwehrmann, den Stadtrat Hartmann persönlich kennt, habe ihm gesagt: "Uwe, wenn wir zehn Minuten später gekommen wären, wärt ihr nicht mehr rausgekommen." Das Glück der Hartmanns war ein Zeitungsausträger, der gegen 4 Uhr an deren Anwesen vorbeikam und die Rettungskräfte rief.

Der Kitzinger Stadt- und Kreisrat Uwe Hartmann am Tatort vor seinem Wohnhaus.
Foto: Eike Lenz | Der Kitzinger Stadt- und Kreisrat Uwe Hartmann am Tatort vor seinem Wohnhaus.

Doch von Glück kann in diesem Zusammenhang kaum die Rede sein. Sichtlich mitgenommen wirkt Hartmann im Gericht. Beruflich wechselte er vom Außen- in den Innendienst, um abends bei seiner Frau sein zu können. Das Ehepaar nahm nach diesem "Horrorszenario" psychiatrische Hilfe in Anspruch. "Dass mir jemand ans Leder wollte, ist noch immer sehr belastend", sagt Hartmann.

Täter kam aus der eigenen Partei, Tat war politisch motiviert

Das Motiv habe Auswirkungen auf sein Tun: Als Stadtrat überlege er sich nun häufig, "wie stimmt man ab, was sagt man, kommt da wieder jemand, der dir Böses will?", beschreibt der 60-Jährige seine Gedanken.

Das Gericht ist davon überzeugt, dass der Täter, der selbst einige Monate Mitglied der Bayernpartei war, Hartmann einen Denkzettel verpassen wollte. Hartmann hatte sich vor dem Brandanschlag öffentlich unter anderem für eine allgemeine Impfpflicht in der Corona-Pandemie ausgesprochen und Aktionen der sogenannten Querdenker verurteilt.

Täter gab Corona-Impfung Schuld am Tod der Großmutter

Genau in dieser Szene war der Angeklagte laut Ermittlungen spätestens seit Anfang 2022 aktiv. Kurz zuvor war seine dreifach geimpfte Großmutter gestorben. Der Enkel gab der Impfung die Schuld – ein Trugschluss, wie sich laut seinem Anwalt inzwischen gezeigt hat.

Der 31-jährige Täter (rechts) wurde vom Amtsgericht Würzburg zu drei Jahren Haft verurteilt. Er will in Berufung gehen.
Foto: Thomas Obermeier | Der 31-jährige Täter (rechts) wurde vom Amtsgericht Würzburg zu drei Jahren Haft verurteilt. Er will in Berufung gehen.

Dennoch nahm der Mann fortan an sogenannten Spaziergängen der Querdenker teil, kommentierte in einschlägigen Internetforen unter dem Nickname "El Diablo". Ein solcher Kommentar brachte Staatsschützer, die wegen des möglichen politischen Motivs im Fall Hartmann ermittelten, auf die Spur des Täters. "Wir sind bei Telegram auf eine verdächtige Nachricht gestoßen", die Hartmann zum Thema hatte, so ein Ermittler vor Gericht.

Tausende Fotos mit kinderpornografischem Material

Schnell wurde klar, dass gegen den Querdenker schon in anderer Sache ermittelt wurde: Kinderpornografie. Bei einer Durchsuchung der Wohnung des Mannes stellte die Polizei eine Woche nach dem Feuer mehrere Datenträger sicher, auf denen tausende Fotos und hunderte Videos mit kinder- und jugendpornografischem Material gespeichert waren.

Die Beamten hielten bei dem Einsatz aber auch die Augen nach Hinweisen auf die Brandstiftung offen. Verdächtig erschien den Ermittlern nicht nur ein Benzinkanister, sondern vor allem auch ein Pullover des Mannes, auf den ein Brandmittelspürhund anschlug. Später fanden Experten des LKA in einer Tasche des Kleidungsstückes Krümel von Grillanzündern.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass auch eine FFP2-Maske half, den Querdenker zu überführen. Mithilfe der Maske nahm ein Polizeihund eine Fährte des Mannes auf, die zum Brandort führte. Bei einer Vernehmung habe der Mann "nervös gewirkt und schließlich eingeräumt, dass er den Pkw angezündet hat", so ein Ermittler vor Gericht.

Hartmann nimmt Entschuldigung des Täters nicht an

Immerhin entschuldigt sich der Täter vor Gericht bei Uwe Hartmann. "Reichlich spät", antwortet der Stadtrat. Später ergänzt er: "Da ich annehme, dass es sich hier nur um eine Phrase gehandelt hat, um ein milderes Urteil zu bekommen", habe er die Entschuldigung nicht angenommen.

Der Täter verfolgt seinen Prozess meist regungslos, lässt seinen Anwalt für ihn sprechen und schaltet sich nur ins Geschehen ein, als es um die Frage geht, ob er seine beschlagnahmten Habseligkeiten von der Justiz zurückbekommt. Ob er wirklich überreißt, was er mit seiner Tat angerichtet hat?

Bleibt Uwe Hartmann politisch aktiv?

Auch seine eigene Lebenssituation kann daran zweifeln lassen: Als Kind lebte er zeitweise im Heim, wurde sexuell missbraucht und war immer wieder in der Psychiatrie. 2015, mit Anfang 20 wurde er verrentet, er hat einen Betreuer. Eine psychiatrische Gutachterin erkannte bei ihm Anzeichen einer Persönlichkeitsstörung. Nach der Hausdurchsuchung im Februar 2022 begab er sich zuletzt in stationäre psychiatrische Behandlung. Strafmildernd wirkt sich das jedoch nicht aus. Zu planvoll war er vor und nach der Brandstiftung vorgegangen, findet Richterin Lena Pohle.

Ein Bild aus besseren Tagen: Uwe Hartmann vor seinem Haus in Kitzingen mit seinem Bayerpartei-Smart.
Foto: Andreas Brachs | Ein Bild aus besseren Tagen: Uwe Hartmann vor seinem Haus in Kitzingen mit seinem Bayerpartei-Smart.

Wie geht es für Uwe Hartmann weiter? "Man könnte sagen, ich habe die Lebensfreude momentan verloren", sagt er. Das liegt auch daran, dass es ein gutes Jahr nach dem Brandanschlag erneut bei den Hartmanns brannte: Ein defekter Herd verursachte ein verheerendes Feuer, das das Wohnhaus der Familie unbewohnbar machte. Ob das Haus wieder aufgebaut werden kann, ist fraglich. Noch kämpfe er mit der Versicherung, klagt der 60-Jährige.

Sein Stadtratsmandat will er aber trotz allem nicht aufgeben. "Ich bin bis 2026 gewählt, ich will meine Wähler nicht enttäuschen." Er wolle sein Bestes versuchen, "die mir übertragenen Aufgaben zu erfüllen". Über 2026 hinaus denke er gerade nicht. Letztlich, findet er, war diese Tat nicht nur ein Anschlag auf einen kleinen Kommunalpolitiker, sondern auf die Demokratie.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Etwashausen
Würzburg
Benjamin Stahl
Frank Weichhan
Bayernpartei
Brandanschläge
Brandstifter
Enkel
Polizei
Psychische Erkrankungen
Uwe Hartmann
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top