Es gibt Nachrichten, bei denen es vom Standpunkt abhängt, ob sie in hellem oder dunklem Licht erscheinen. Dass die Zinsen gerade im Steigen sind, ist für die vielen Kleinsparer im Land nach den vielen ernüchternden Nullrunden eine mehr als frohe Botschaft. Häuslebauer hingegen dürften die Entwicklung mit Sorge beobachten.
Anika Friedrich bewegt sich bei ihrer täglichen Arbeit genau zwischen diesen beiden Welten. Vom 1. Juli an wird die VR-Bank Kitzingen, deren Generalbevollmächtigte Friedrich ist, wieder Zinsen auf Sparguthaben bezahlen. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte: Mancher Bauherr muss die eigenen vier Wände in den Wind schreiben. „Wir sehen“, sagt Friedrich, „dass Träume platzen.“
Die Geschichten, dass Bauplätze zurückgegeben werden, weil das eigene Haus für junge Familien unerschwinglich geworden ist, erzählen derzeit einige Bürgermeister. Man braucht sie bloß darauf anzusprechen. Auch Anika Friedrich kennt solche Geschichten von Häusern, die bis vor Kurzem noch 400.000 oder 500.000 Euro kosteten und sich auf 600.000 oder 700.000 Euro verteuert haben.
Schwankende Preise, fehlendes Material: Bauen als Risiko
Bauen ist zum unkalkulierbaren Risiko geworden. Weil Lieferketten reißen und sich schwer wieder verknüpfen lassen. Weil Baumaterial gar nicht oder verzögert geliefert wird. Weil Preise täglich schwanken – und im Zweifel nach oben ausbrechen. Weil Handwerker nicht wissen, wo ihnen der Kopf steht, und Termine auf den Sankt-Nimmerleinstag verschieben. Das alles spürt auch die VR-Bank in Kitzingen, die in diesen Tagen ihren Geschäftsbericht für 2021 veröffentlicht hat und von einem „schwierigen Umfeld für Banken“ spricht.
Fragt man bei Anika Friedrich nach, bekommt man auch hier zwei Seiten zu hören. Mit der Baufinanzierung sei ihr Institut weiterhin „gut ausgelastet“. Aber: „Für den Kunden ist der Hausbau viel schwieriger zu planen.“
Neben einem hochnervösen Markt belastet viele Bauwillige das Thema Zinsentwicklung. Nach Jahren historisch niedriger Bauzinsen erlag mancher dem Glauben, diese seien in Stein gemeißelt und für die Ewigkeit festgeschrieben. Doch aus dem Tal der 0,3 oder 0,4 Prozent, in denen der Bauzins im Sommer 2019 und dann noch einmal im Frühjahr 2020 verharrte, hat er sich längst herausbewegt.
Seit Herbst 2020 zeigt die Kurve kontinuierlich nach oben. Für Darlehen mit zehnjähriger Bindung liegt der Zinssatz aktuell bei knapp unter drei Prozent – wenn Bauwillige über beste Bonität verfügen. Der Durchschnitt liegt sogar schon über drei Prozent. Und diese Dynamik wird anhalten.
Friedrich geht davon aus, dass die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins für Banken, der seit 2016 bei null lag, im Sommer in einem ersten Schritt anheben werde und Ende des Jahres ein zweiter Schritt folgen werde. Danach werde es im Tempo zwar langsamer gehen, aber weiter nach oben. Natürlich lagen Kreditzinsen vor der Nullzinspolitik der EZB deutlich höher. Aber früher kosteten Immobilien auch weniger.
Was rät die VR-Bank Kundinnen und Kunden, die ihre Finanzierung auf dauerhaft niedrige Zinsen gegründet haben und deren Kredit demnächst ausläuft? Zum einen, so Anika Friedrich, ließen sich die immer noch günstigen Zinsen über einen Bausparvertrag absichern; zum anderen könnten Betroffene über ein sogenanntes Forward-Darlehen Kreditverträge, die in absehbarer Frist enden, schon heute zum derzeit geltenden Zinssatz verlängern. Sie unterschreiben den Vertrag sofort, rufen das Geld jedoch erst in einigen Jahren ab.
Im Extremfall liegt diese Vorlaufzeit bei fünf Jahren. Geschenkt bekommen Kreditnehmer die niedrigen Zinsen aber nicht, sie müssen dafür einen Zinsaufschlag zahlen. Grundsätzlich gilt: Je länger die Vorlaufzeit, desto spekulativer das Ganze und desto höher sind in der Regel die Gebühren.
Die VR-Bank Kitzingen hat auf die anstehende Zinswende bereits reagiert. Die Negativzinsen, die sie zum 1. Januar 2022 auf Sparguthaben ab dem ersten Euro eingeführt hatte, sind rückwirkend zum 1. April schon wieder abgeschafft. Nicht nur die Mitglieder, auch die Verantwortlichen der Bank hätten sich mit diesem Strafzins schwergetan, so Friedrich. Vom 1. Juli an will die Bank ihren 22.500 Mitgliedern jetzt wieder Guthabenzinsen von zunächst einem halben Prozent zahlen.
Unrentable Filialen zu schließen war für Banken ein bewährtes Mittel
Durch die gestiegenen Kreditzinsen sind Baufinanzierungen für die Banken wieder zum guten Geschäft geworden. Über Jahre hatten die Geldinstitute hier unter starkem Druck gestanden, waren gezwungen, Kosten zu sparen. Und ein bewährtes Mittel dafür war es, unrentable Filialen zu schließen.
In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich die Zahl der Bankfilialen in Deutschland mehr als halbiert: auf nur noch 25.000. Bargeld bekommen Kunden am Automaten, aber längst auch im Supermarkt an der Kasse. Überweisungen erledigen sie online. Für die Vermittlung von Krediten stehen Vergleichsportale im Internet zur Verfügung. Für viele andere Transaktionen wird die Zweigstelle schlicht nicht mehr gebraucht. Tausende Orte in Deutschland, vor allem im ländlichen Raum, haben dadurch ihre Bank verloren.
Auch die VR-Bank Kitzingen hat ihr Filialnetz ausgedünnt und teils in SB-Standorte umgewandelt. Personal gibt es dort nicht mehr, dafür Geldautomaten und Selbstbedienungsterminals, an denen Kunden ihre Bankgeschäfte online erledigen können. An einigen Standorten kooperiert man mit der Sparkasse. Einen „mittleren sechsstelligen Betrag“ hat die VR-Bank laut Friedrich in die Modernisierung dieser Servicepunkte investiert. Wer dennoch persönliche Hilfe benötigt, muss die Zentrale in der Kitzinger Luitpoldstraße aufsuchen. Dort findet fünf Tage in der Woche Beratung vor Ort statt.
Viele Mitglieder, berichtet Anika Friedrich, seien mit dem Online-Banking gut vertraut. Das zeige sich unter anderem daran, dass mittlerweile mehr als 85 Prozent der Überweisungen digital erledigt würden. Seit vergangenen Herbst gibt es die Videoserviceberatung, bei der die Mitglieder online Kontakt zu ihrer Bank aufnehmen und sich dort Hilfe holen können. Neuerdings gibt es die dazu passende App, mit der auch übers Smartphone alle Serviceleistungen genutzt und sogar Unterschriften geleistet werden können. „Damit“, sagt Anika Friedrich, „sind wir in Deutschland Vorreiter.“