Nach langer Vorbereitungszeit ist es endlich so weit: Auf dem weitläufigen Montageplatz am östlichen Ende der Rastanlage Haidt füllt sich am Samstagabend der Parkplatz mit Baufahrzeugen aller Art. Direkt neben zwei monströsen Stahlbrückenteilen, die in der beginnenden Dämmerung wie Dinosaurier aussehen. Dazwischen stehen unzählige Bauarbeiter in leuchtroter Warnkleidung. Die Gesichter sind angespannt. Konzentriert.
Aus Funkgeräten kommen kurze Kommandos. Was für den unbeteiligten Zuschauer nach heillosem Durcheinander aussieht, entpuppt sich schnell als bautechnische Präzision. Zwei jeweils über 200 Tonnen schwere Brückenteile sollen nach dieser Nacht an zwei Stellen die Autobahn überspannen, wie der Projektleiter Jörg Richter von der Arbeitsgemeinschaft (Arge) A3-Nordbayern prophezeit. Dazu wird in unmittelbarer Nähe die Autobahnbrücke der Verbindungsstraße Haidt – Kleinlangheim abgerissen. Arbeiten, die in dieser Dimension einen hohen Einsatz an Gerät und Personal fordern.
Unter den Brückenteilen gehen spezielle Modulfahrzeuge in Stellung. Es handelt sich um fahrende Plattformen mit unzähligen kleinen Reifen auf mehreren Achsen. Sie können problemlos die Brückenkonstruktionen anheben und an den Zielort transportieren. Eine Firma aus Belgien hat hierfür die Verantwortung und stellt das Personal. Ein Operator mit vier Assistenten ist pro Brücke eingeteilt. Er steuert das Transportfahrzeug mittels der Bedieneinheit, die er vor seinen Bauch geschnallt hat.
Maximalgeschwindigkeit von einem km/h
Die erste Brücke muss an die Überführung zwischen Hörblach und Großlangheim gebracht werden. Das Fahrzeug macht sich mit einer Geschwindigkeit von einem Kilometer pro Stunde auf den Weg. Wegen der Überbreite des Transports haben Helfer vorher die Mittelleitplanken abmontiert. So kann das Modulfahrzeug mit seiner Fracht die gesamte Fahrbahnbreite nutzen.
Zwischenzeitlich ist es stockdunkel. Zahllose blinkende Gelblichter weisen den Weg. Dazwischen grelle Scheinwerfer. Permanent kontrollieren die Assistenten die elektrischen Messinstrumente wie Öldruck, Temperatur beziehungsweise Warnmeldungen. Dem Schwertransport folgen zwei kleine Hublifter, die im Notfall sofort Arbeiter auf das Brückenteil hieven könnten.
Autobahn-Brücke bei Haidt hat rund 60 Jahre lang gehalten
Aus der östlichen Richtung sind dumpfe Schlaggeräusche vernehmbar. Dort hat der Abbruch der Brücke bei Haidt begonnen. Vier Kettenbagger schlagen mit tonnenschweren Abbruchhämmern Löcher in den Beton. Mannsgroße Abrisszangen reißen dann den Baustahl heraus. Aufsteigende Staubwolken erzeugen bei den diffusen Lichtverhältnissen eine gespenstische Situation. Obwohl es schon fast Mitternacht ist, haben sich an beiden Seiten der Baustelle Gruppen von Schaulustigen versammelt.
Ein Bürger aus Haidt erinnert sich noch, als die Brücke um 1962 erbaut wurde und wischt sich eine Träne aus den Augen. Er habe damals beim Bau mitgeholfen, erzählt er gerührt. Aber ihm ist klar, dass der Abriss notwendig ist, da sonst der sechsspurige Autobahnausbau nicht funktionieren würde. Ein Bauarbeiter tröstet: "Nächsten Sommer ist alles wieder komplett."
Arbeiten unter Zeitdruck, aber im Zeitplan
Nach zwei Stunden hat der erste Brückentransport die Baustelle an der Kreisstraße nach Großlangheim erreicht. "Jetzt geht es ans Eingemachte", sagt Bauleiterin Carina Dischner. Die Brücke muss um 90 Grad gedreht werden, damit sie auf die Brückenlager abgelegt werden kann. Zentimeterarbeit und höchste Anspannung bei den Verantwortlichen. "Ob alles so passt?", fragt man sich.
Quälend langsam setzt der Operator die Brückenenden in die Widerlager. Aufatmen. Fast möchte man klatschen. Hundertprozentig genau greifen die Enden in die vorbereiteten Fugen. Weiter vorne hat eine andere Arbeitsgruppe in gleichen Arbeitsschritten die Brücke bei Haidt eingesetzt. Auch dort passt alles. "Wir sind im Zeitplan", schnauft ein Bauingenieur tief durch. Jetzt müssen erst einmal die Modulfahrzeuge zurückschleichen. Ein anderer Bautrupp montiert zeitgleich die Mittelleitplanken wieder ein und säubert die Fahrbahnen.
Die Brücken passen genau in die Widerlager
Auch beim Brückenabriss geht es voran. Das Überführungsbauwerk, wie die Brücke im Fachjargon heißt, ist in sich zusammengebrochen. In der ersten Morgendämmerung zeigt sich ein Berg von Beton- und Steinteilen. Die letzten Schaulustigen verlassen inzwischen die Baustelle. Die Höhepunkte dieser Nacht haben sie miterlebt.
Jetzt beginnt das Großreinemachen: Muldenkipper werden von Baggern beladen, die Brückenüberreste beiseite geschafft. Es dauert nicht mehr lange und die Autobahn ist wieder frei für den Verkehr. Als wäre nichts gewesen.