
Knochenfunde gehören für Archäologen zum Alltag. Auch bei den seit mehreren Jahren laufenden Grabungen im Dornheimer Grund tauchen sie immer wieder auf. Als die Experten der Uni Jena dort vor einiger Zeit auf ein Skelett stießen, gingen sie zunächst davon aus, dass es sich um Tierknochen handelt. Doch bei näherer Untersuchung erlebten sie eine Überraschung: Bei der Knochenanalyse kam heraus, dass sie die sterblichen Überreste eines wenige Wochen alten Säuglings geborgen hatten. War das Feld bei Dornheim damit ein Tatort?
Spricht man Michael Marchert auf den Fund an, stellt er erst einmal klar, dass menschliche Skelette wie dieses bei Siedlungsgrabungen nicht so häufig auftauchen – und Babyskelette schon gar nicht. Entdeckt wurde das Knochengerüst in einer kleinen Abflussrinne. Es ist schwierig, bei so kleinen Kindern bereits das Geschlecht zu bestimmen, weil die Knochen noch keine deutlichen Unterschiede hergeben. Den Ausgräbern gibt der Fund nach wie vor Rätsel auf.
Wie der Säugling gestorben ist, lässt sich zwar nicht sagen. Fachleute, die das Skelett eingehend untersucht haben, können aber offenbar ausschließen, dass der 50 bis 57 Zentimeter große Säugling gewaltsam zu Tode gekommen ist. An den Knochen fanden sich laut Marchert keinerlei Hinweise auf Verletzungen oder Gewalteinwirkung. Damit ist noch nicht geklärt, warum das Skelett inmitten einer Siedlung gefunden wurde und nicht auf einem Gräberfeld bestattet war.
Die archäologischen Grabungen bergen immer neue Überraschungen
Es ist nicht die einzige spannende Frage, der Marchert und sein Team seit mittlerweile etwa zehn Jahren auf dem zwischen Dornheim und Hellmitzheim gelegenen Acker nachgehen. Immer wieder stoßen sie auf Überraschungen, die Marchert durchaus "spektakulär" nennt. Neueste Erkenntnis: In dem eng gefassten Gebiet war einst metallverarbeitendes Handwerk angesiedelt. Darauf deuten neben Gussformen und Metallteilen auch die Reste zweier frühmittelalterlicher Schmiedeöfen.
Im kleineren der beiden wurden Gold und Silber verarbeitet – offenbar war hier ein Feinschmied, ein früher Juwelier, am Werk. Das Erstaunliche: Beide Öfen waren in ein eisenzeitliches Grubenhaus des dritten bis zweiten Jahrhunderts vor Christus eingetieft und somit ein Nachweis für lokale handwerkliche Tätigkeiten bereits etwa 1000 Jahre vor der frühmittelalterlichen Nutzung. Neben Metall wurden auch Textilien und Horn oder Geweihe verarbeitet.
Die entdeckte Siedlung stammt aus der Zeit der Merowinger
Was die Feldstudien bei Dornheim so interessant machen: Die Siedlung ist nicht überbaut. Sie stammt – da ist sich Grabungsleiter Michael Marchert nach Tausenden Funden sicher – aus dem sechsten bis siebten Jahrhundert und damit aus der Zeit der Merowinger. Der 2010 verstorbene Dornheimer Karl Alt war bei seinen Flurgängen immer wieder auf Funde gestoßen und hatte die Archäologen damit erst auf den Plan gerufen. Intensive Studien zu ganzen Siedlungen aus der Merowinger-Zeit sind selten – deshalb ist Marchert froh, dass die Grabungsarbeiten immer wieder verlängert wurden. Die Stadt Iphofen unterstützt die Kampagnen mit Zuschüssen von einigen Tausend Euro im Jahr.
Fragt man Marchert, wie lange die Grabungen sich noch hinziehen werden, bleibt er vage. "Das kann heute noch keiner sagen und hängt maßgeblich von den Funden ab." In einem Schreiben der Uni Jena heißt es: "Vorrangiges Ziel ist es weiterhin, das Siedlungsareal in seiner Ausdehnung, Funktion und Bedeutung angemessen beurteilen zu können." Nach den eher kleinteiligen Arbeiten in den vergangenen Jahren soll dieses Jahr schweres Gerät zum Einsatz kommen: ein 7,5-Tonnen-Bagger, mit dem eine größere Fläche als die zuletzt 100 Quadratmeter beackert werden kann.