Bei der Bio-Gärtnerei von Veit Plietz und Martin Schäfer in Schwarzach muss man in jedem Moment auf eine Überraschung gefasst sein. Neben den Gemüse-Klassikern lauert überall etwas Besonderes: Ob das gut 100 verschiedene Tomatensorten sind, dutzende Gurken-Arten oder Spinat in allen möglichen und unmöglichen Formen. Dazu ein buntes Kürbis-Sammelsurium mit einem Monstrum an der Spitze: Eine Herkuleskeule, die aus Süditalien stammt und genau so aussieht, wie sie heißt. Rarität reiht sich an Rarität in Sichtweite des Münsterschwarzacher Klosters. Wobei der Besucher zunächst oft gar nicht ahnt, wen oder was genau er da vor sich hat.
Eines fehlte bisher allerdings in der kunterbunten Vielfalt: Ingwer. Den musste die experimentierfreudige Gärtnerei, die als Grundlage für den Lieferdienst der Öko-Kiste dient, oft als einzige Ware zukaufen. Wobei man es bei Veit Plietz, dem Öko-Pionier im Landkreis, fast hätte ahnen können: Lange wird der Exot aus Fernost kein Exot mehr bleiben. Wer sagt denn, dass eine tropische Gewürzpflanze nicht auch eine Fränkin werden kann?
So wie sich Ingwer seit Jahren generell auf dem Vormarsch befindet, wird seit ein paar Jahren auch in fränkischen Gewächshäusern experimentiert. Seit 2017 hat beispielsweise der Gemüsebauversuchsbetrieb der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) in Bamberg verstärkt ein Auge auf den Ingwer geworfen und mit Knollen aus Peru und Taiwan zu experimentieren begonnen.
Heilpflanze des Jahres 2018
Etwa zur gleichen Zeit startete man in Schwarzach einen ersten vorsichtigen Schritt, um den Ingwer eine neue Heimat zu geben. Verstärkt wurden die Aktivitäten dann 2018, als Ingwer den Titel "Heilpflanze des Jahres" bekam. Seither wollen die Loblieder auf den Ingwer kaum mehr enden: Dass er besonders reich an ätherischen Ölen ist, gegen Fieber und Erkältung hilft, wertvolle Mineralstoffe und Spurenelemente hat und als Tausendsassa Pep in die Küche bringt, ist inzwischen allgemein bekannt.
Der Siegeszug des Ingwer – er setzt sich weiter fort. Bislang in Asien und Südamerika angebaut, kommt er inzwischen immer öfter auch aus Bayern. In Schwarzach jedenfalls haben Veit Plietz und Martin Schäfer, der die Demeter-Gärtnerei übernehmen wird, beste Erfahrungen mit der gesunden Knolle gemacht.
Warum importieren, wenn man es selber anbauen kann? Diese Frage stand vor drei Jahren im Mittelpunkt, als man in Schwarzach auf den Ingwer kam. "Ingwer-Anbau in Franken ist äußerst spannend", fanden die Gärtner und legten los. Zumal so auch der Fruchtwechsel im Gewächshaus aufgelockert wird, wo sonst nur wenige Gemüsarten wie Bohnen, Gurken, Tomaten und Paprika zur Auswahl stehen. Also wirkt Ingwer auch gegen Bodenmüdigkeit und lockert die sonst oft enge Fruchtfolge auf.
Die bisherigen Tests geben Anlass zum Optimismus: 70 mal 1,5 Meter-Beete bringen 100 bis 140 Kilo Ingwer – das kann sich sehen lassen. Findet auch die Kundschaft, die über Ingwer aus Schwarzach staunt.
Besucherzahlen gestiegen
So wie überhaupt die Besucherzahlen in der Raritätengärtnerei im Corona-Jahr gestiegen sind. Zwar fielen alle Pflanzenmessen aus, dafür entwickelte sich der Hofverkauf nach oben. So kamen gerade in der Ferienzeit mehr Menschen, die sonst wohl weggefahren wären. In der Gärtnerei selber geht derweil alles seinen normalen Gang. "Für uns sind die Tage kaum anders", betonen die Gärtner. Der Sicherheitsabstand ist gegeben, weil jeder seine Aufgabenbereiche hat und die Arbeit überwiegend im Freien stattfindet.
Während vieles inzwischen schon geerntet ist, lässt sich der Ingwer noch etwas Zeit. Die Knollen wachsen bis Ende Oktober. Wobei sich schon jetzt eine gute Ernte abzeichnet. Inzwischen hat es die Fränkin mitunter sogar besser als ihre exotischen Verwandten: Sie darf, so betont Veit Plietz, langsamer wachsen als in den Tropen, wird nur organisch gedüngt und wächst zudem in Mischkultur mit Bohnen und Schlangengurken. "So wird das Aroma intensiver", weiß der Spezialist. Das zahlt sich aus: "Die Nachfrage nach regionalem Ingwer ist riesig", freuen sich die Gärtner, dass ihre Experimentierfreude Anklang findet.
Die Erfahrung jedenfalls lässt positiv in die Ingwer-Zukunft schauen: "Ingwer wächst besonders im Maintal unproblematischer als angenommen." Lediglich die Jungpflanzenanzucht, die bereits Anfang Februar startet, ist langwierig. Die Pflanzen dürfen aufgrund des hohen Wärmebedarfes – die Bodentemperatur darf nicht unter 13 Grad sein – nicht zu früh ausgepflanzt werden. "Sonst", so die Gärtner, "ist der Anbau unproblematisch." Oder anders gesagt: Ingwer ist in Schwarzach angekommen.