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Stadelschwarzach
Als Herbststurm Fabienne die Kirchturmspitze abriss: Wie Gerhard Berthel auf 54 Jahre als "Hausmeister" blickt
Gerhard Berthel gehört seit 1970 zur Kirchenverwaltung in Stadelschwarzach. Hier spricht er über seine Aufgaben, seine Highlights und die Entwicklung der Kirche.
Schreckmoment: Im September 2018 fegte Sturm Fabienne übers Land und in Stadelschwarzach die Spitze vom Turm der Kirche.
Foto: Berthold Diem | Schreckmoment: Im September 2018 fegte Sturm Fabienne übers Land und in Stadelschwarzach die Spitze vom Turm der Kirche.
Nadine Wiget
Nadine Wiget
 |  aktualisiert: 12.11.2024 02:41 Uhr

Junge Menschen in der Kirche sind mittlerweile ein eher seltenes Bild. Vor einem halben Jahrhundert sah das noch anders aus. Da gab es in Stadelschwarzach einen 19-jährigen Mann, der sogar in die Kirchenverwaltung eintrat. Das war 1970, und der Mann ist Gerhard Berthel, von Beruf Landwirt.

Als einige ältere Herren, darunter sein Vater, aus der Kirchenverwaltung ausschieden, suchten sie Nachwuchs, und sie fragten Berthel, ob er nicht Mitglied werden wolle. Der gläubige junge Mann überlegte nicht lange und sagte für das Ehrenamt zu. "Ich dachte damals, ich mache das mal für eine Periode, also sechs Jahre", erinnert er sich. Doch aus sechs Jahren wurden am Ende 54. Erst jetzt legt der 73-Jährige sein Amt nieder, wenn im November die neue Kirchenverwaltung gewählt wird.

Einen Nachfolger Berthels, der seit 1982 sogar Kirchenpfleger und damit Vorstand der Kirchenverwaltung war, gibt es noch nicht. Neue Mitglieder zu finden wird seiner Erfahrung nach immer schwieriger. Überhaupt sei das Interesse an der Kirche in den vergangenen 50 Jahren drastisch gesunken, bedauert er. "Dass immer weniger Menschen in die Kirche gehen, beobachte ich schon seit 20, 30 Jahren."

Die Nähe zwischen Kirche und Gläubigen ging zuletzt verloren

Doch nicht nur die Gottesdienstbesucher würden weniger, sondern auch die Pfarrer. "Als ich angefangen habe, hatte Stadelschwarzach noch eine eigene Pfarrei unter Pfarrer Hermann Droll. Danach kam es immer wieder zu neuen Zusammenschlüssen, erst mit Kirchschönbach, dann mit Wiesentheid. Und seit 2021 gehören wir zum pastoralen Raum St. Benedikt und haben somit keinen eigenen Pfarrer mehr", sagt der 73-Jährige. Dadurch gehe die Nähe zwischen Pfarrer und Menschen ein Stück weit verloren. Und auch die Zusammenarbeit zwischen Pfarrer und Kirchenverwaltung könne nicht mehr so eng sein wie früher.

Gerhard Berthel gehörte 54 Jahre der Kirchenverwaltung von Stadelschwarzach an, davon 42 Jahre als Kirchenpfleger. Jetzt legt er sein Amt nieder.
Foto: Nadine Wiget | Gerhard Berthel gehörte 54 Jahre der Kirchenverwaltung von Stadelschwarzach an, davon 42 Jahre als Kirchenpfleger. Jetzt legt er sein Amt nieder.

Diese verloren gegangene Nähe wie auch die digitale Entwicklung hin zu E-Mails und Social Media waren die Hauptgründe für Berthels Rückzug aus der Kirchenverwaltung. "Das ist einfach nicht meine Welt und daher mache ich Platz für die Jüngeren." Auch wenn ihm dieser Schritt zunächst schwer gefallen sei, ist er nun glücklich mit seiner Entscheidung. Er blickt auf 54 schöne und erfüllte Jahre, die ihm und seiner Familie zwar manches abverlangt, ihm aber auch sehr viel gegeben hätten.

Er polierte Glocken und kümmerte sich um die Krippe

"Als Kirchenpfleger war ich sozusagen der Hausmeister der Kirche", erklärt er. So habe er sich einerseits um alle anfallenden Arbeiten wie Kehren, kleinere Reparaturen, das Polieren der Ministrantenglocken, das Aufstellen des Weihnachtsbaums und die Weihnachtskrippe gekümmert. Andererseits habe er sämtliche Sanierungs- und Renovierungsmaßnahmen organisiert, begleitet und dabei selbst Hand angelegt – immer in Absprache mit Pfarrer, Kirchenverwaltung und dem Bistum Würzburg.

In über 50 Jahren ist so einiges angefallen: vom neuen Kirchenanstrich außen und innen 1984/85 über die Sanierung des Pfarrhauses 1996 bis 2001 bis hin zur großen Kirchenrenovierung 2005. In besonderer Erinnerung ist Berthel die Sanierung des Kirchenschiffs geblieben, bei der auch ein neues Dach gedeckt wurde. "Hier habe ich alles allein ohne Architekten geplant und auch mit umgesetzt. Dabei bekam ich viel Unterstützung von meinen Kollegen aus der Kirchenverwaltung." Und auch als Sturm Fabienne im September 2018 die Kirchturmspitze abriss, gab es für Berthel und sein Team etliches zu tun.

Gerhard Berthel kümmerte sich um sämtliche  handwerklichen, finanziellen und verwaltungstechnischen Aufgaben in der Kirche.
Foto: Nadine Wiget | Gerhard Berthel kümmerte sich um sämtliche handwerklichen, finanziellen und verwaltungstechnischen Aufgaben in der Kirche.

Doch der passionierte Kirchenpfleger war nicht nur für handwerkliche Belange zuständig, sondern auch für die Finanzen. So sammelte er für anstehende Projekte wie Sanierungen oder Anschaffungen eifrig Spenden, zahlte alle Spenden (auch die aus dem Klingelbeutel) bei der Bank ein und achtete stets darauf, dass die Kirchenverwaltung finanziell gut aufgestellt war. Darüber hinaus organisierte er Feste wie das Kirchturmfest oder die Eröffnung des Pfarrhauses, kümmerte sich darum, dass der Himmel an Fronleichnam getragen wurde, und gab Führungen in der Kirche.

Die Einweihung der renovierten Kirche gehörte zu seinen Highlights

Weiteres Highlight war für ihn das große Fest zur Einweihung der renovierten Kirche im Jahr 2006. Dazu erschienen auch der aus Prichsenstadt stammende Bundeswirtschaftsminister Michael Glos und der damalige Bischof Paul Werner Scheele, der dem Kirchenpfleger im Auftrag der Diözese Würzburg eine Ehrennadel für besonderes Engagement überreichte.

2006 bekam Gerhard Berthel (Zweiter von links) von der Diözese Würzburg die Ehrennadel des Bistums Würzburg verliehen. Mit im Bild (von links) Pfarrer Alfons Junker, Pfarrer Richard Kleinschrodt, Bischof Paul Werner Scheele, Diakon Karl Leierseder und Pfarrer Josef Zobel.
Foto: Dominik Berthel | 2006 bekam Gerhard Berthel (Zweiter von links) von der Diözese Würzburg die Ehrennadel des Bistums Würzburg verliehen.

Berthel ist froh und dankbar für seine Zeit in der Kirchenverwaltung. Und auch die Gemeinde sowie die Diözese haben seine Arbeit gewürdigt. So bekam er zum Abschied beim Pfarrfamiliennachmittag vor einigen Wochen eine Dankesurkunde von Bischof Franz Jung, überreicht von Benediktinerpater Isaak Grünberger.

Auch nach seinem Rückzug wird dem vierfachen Vater und sechsfachen Opa sicher nicht langweilig. Er arbeitet immer noch im eigenen Landwirtschaftsbetrieb, den inzwischen Sohn Joachim übernommen hat. Für seine Kirchenverwaltung wünscht er sich engagierte Nachfolger, die ihr Bestes geben, um seine Arbeit und die seiner Kollegen fortzuführen. "Es gibt immer was zu tun", sagt Berthel und lächelt verschmitzt.

 
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