
Die Kugel im neuen Glanz ist montiert, das schwere, schmiedeeiserne Kreuz darüber und ganz oben auf über 50 Metern der Wetterhahn, ebenfalls in schönem, neuen Gold. Der Stadelschwarzacher Kirchturm von St. Bartholomäus ist wieder komplett, der Wiederaufbau erfolgreich abgeschlossen, drei Jahre nach der Zerstörung durch Sturm "Fabienne" am 23.9.2018. Mit dem 25. Oktober, dem Tag der Kreuzerhöhung, hat Stadelschwarzach nun einen neuen kirchlichen Feiertag.
1128 Tage nachdem durch den schweren Sturm das Kirchturmdach heruntergeblasen worden war, haben die Einwohner wieder Grund zum Jubeln. War es für den 40-Tonnen-Autokran auch nur eine ganz kleine Last, das Heraufheben des rund 200 Kilogramm schweren Turmkreuzes, war es für Stadelschwarzach von großer Bedeutung, den Kirchturm wieder komplett zu sehen. Nach dem laufenden Abbau des Gerüsts, wird man meinen, es wäre nichts gewesen.
Vom Kirchturm gab es keinerlei Konstruktionspläne

Das neue Kirchturmdach mit dem charakteristischen "Echter-Spitzhelm", samt Kreuz und Kugel, ist dem Original nachgebildet, so wie es die letzten 400 Jahre bis zu seiner Zerstörung auf dem Turm stand. Nur der ursprüngliche Wetterhahn blieb noch erhalten.
Dass Sanierungen ihre Zeit brauchen, kann man sich vorstellen. Wenn aber ein Turmhelm mit 400-jähriger Historie zerstört wird und es keine Konstruktionspläne gibt, wird es kompliziert. Dann ist die alte Handwerksschule gefragt. Wurde die Dachneigung mittels klassischer Winkelmessung an den historischen Reststücken des Dachstuhls bestimmt, kamen für die Rekonstruktion der Dachform historische Fotos und Archivstudien zum Einsatz. Alles mündete in neue, komplexe technische Zeichnungen und Beschreibungen mit denen alle Handwerker ihren Teil für die Neuerstellung erarbeiten konnten.
Neben all den technischen Hürden, die von den Fachleuten gemeistert wurden, gab es zahlreiche rechtliche und behördliche Fragen zu klären – ein Turm fällt ja sprichwörtlich nicht alle Tage vom Himmel. Angefangen von der Klärung der Baulast, den versicherungsrechtlichen Fragen bis hin zu den komplexen Genehmigungsprozessen war alles einfach besonders und somit langwierig.
Die Pandemie und eine damit einhergehende Materialknappheit tat ein Übriges und forderte einen langen Atem bei allen Beteiligten. Man kann zum Beispiel wenig machen, wenn der spanische Schiefer für die Dacheindeckung unendlich lange Lieferzeiten hat.

Auch für die vielen an der Sanierung beteiligten Handwerker waren die letzten Monate und Jahre eine äußerst spannende Sache. "So einen Auftrag bekommt man nicht alle Tage", schwärmte Zimmermann Armin Wagenbrenner. Er wollte unbedingt dieses Projekt des Nachbaus der Echter-Dachkonstruktion für sich und sein Team als eine besondere Herausforderung, die man auch gemeinsam meisterte. Bis auf ein paar schlaflose Nächte lief erstaunlich viel nach Plan, so der Handwerksmeister aus Würzburg.
Über Wochen hörte man rhythmische Klopfgeräusche
Konnten viele Arbeiten dann mittels moderner Technik und computergesteuerter CNC-Fräsmaschinen erledigt werden, war bei den letzten Metern der Turmdachspitze, dem sogenannten Kaiserstil, echte Handarbeit gefragt. "Die Fräsmaschine hat das einfach nicht mehr gepackt. Hier mussten Winkelmesser, Taschenrechner und Muskelkraft herhalten, aber auch das hat gut funktioniert", sagte ein sichtlich glücklicher Zimmermannsmeister.
Spannend und nicht alltäglich waren auch die Arbeiten der Dachdecker. Wann sieht man schon mal, wie ein Dach mit Schiefer eingedeckt wird. Über Wochen hörte man fast rhythmische Klopfgeräusche vom Gerüst ins Dorf schallen. Jeder einzelne Schiefer musste individuell angepasst, das Material mit einem Schieferhammer zurechtgeklopft werden, um ihn dann an das Dachgebälk zu nageln, bei 250 Quadratmetern Dachfläche eine große Aufgabe.

Bereits Anfang Oktober wurden in einem Festgottesdienst 50 Meter unterhalb der Turmspitze, in der St. Bartolomäuskirche, die jetzt wieder weit in die Region sichtbaren Symbole Turmkugel, Turmkreuz und Wetterhahn gesegnet. Pfarrer Matthias Eller und Pater Philippus Eichenmüller zelebrierten den Gottesdienst, bei dem neben vielen geladenen Gästen auch zahlreiche Handwerker anwesend waren, um für den guten, erfolgreichen und vor allem unfallfreien Verlauf der Sanierung zu danken.
Bürgermeister und Landrätin sprechen Dankesworte
In einem kleinen Festakt im Anschluss richteten Landrätin Tamara Bischof, Bürgermeister René Schlehr und Kirchenpfleger Gerhard Berthel gebührende Worte des Dankes an alle Beteiligten. Architekt Georg Böswald von Brunn erläuterte zudem im Detail, was in den drei zurückliegenden Jahren alles passiert ist.

Eine neue Turmkugel bedeutet zugleich eine neue Zeitkapsel. Dem Sturm war die alte zum Opfer gefallen. Der Zweite Bürgermeister Peter Eschenbacher und Dominik Berthel kümmerten sich um das Füllen der Kapsel. Neben einer ausführlichen Dorfchronik mit Informationen zum aktuellen Geschehen in Stadelschwarzach mit allen momentanen Vereinsvorsitzenden, dem Leben im Dorf, dem aktuellen Eier- und Nudelpreis im Stadelschwarzacher Hofladen kam auch eine Reihe von Informationen rund um den Sturm "Fabienne", den Einsturz und Wiederaufbau des Turmhelms mit in die Kapsel.
Zusätzlich stecken nun auch rund 30 Stadelschwarzacher Zeitungsberichte aus den vergangen drei Jahren mit darin. Angeblich gibt es noch eine zweite Kapsel, versteckt im Turm, die Kapsel der Handwerker. Darin enthalten sind neben den Konstruktionsplänen, eine Auflistung aller beteiligten Firmen, ein Schrauben-Bit passend für die verwendeten Schrauben und eine Flasche Schnaps.
Die Sanierung im Zeitraffer
