

Die Fahne am Casteller Schloss weht auf Halbmast. Mit Marie-Louise zu Castell-Castell geht eine Ära zu Ende; die Todesnachricht berührt viele Menschen. Die Mutter von Ferdinand Fürst zu Castell-Castell war trotz ihrer Herkunft zeitlebens eine nahbare Frau geblieben, die nicht wegsah, wenn Menschen in Not waren. Am 12. Dezember starb sie im Alter von 94 Jahren in ihrem Heimatort Castell.
"Eine bewundernswerte Frau", "Bei ihr habe ich Stärke und Herzenswärme gespürt", "Ich hatte immer Respekt vor ihrer Geradlinigkeit und ihrem festen Glauben": Mit Sätzen wie diesen reagieren Bürgerinnen und Bürger auf ihren Tod. Ihr Humor, ihre Tatkraft, ihre Menschenfreundlichkeit und ihr unerschütterliches Vertrauen zu Gott zeichneten Marie-Louise zu Castell-Castell aus. Ihr Glaube half ihr gerade auch in dunklen Zeiten, von denen sie keineswegs verschont blieb.
Die Prinzessin aus dem hohen Norden heiratet den jungen Casteller Fürsten

Als Prinzessin zu Waldeck und Pyrmont kam Marie-Louise 1930 in Kiel zur Welt. Sie wuchs in Holstein und Mecklenburg auf. Nach der Mittleren Reife absolvierte sie eine land- und hauswirtschaftliche Ausbildung. "Ich habe Dinge wie Ställe-Ausmisten, Hühner-Tasten – fühlen, ob sie bald Eier legen – und Eintopf-Kochen gelernt und die wichtige Erfahrung gemacht, was es heißt, in einer abhängigen Stellung tätig zu sein", erzählte sie in einem ihrer letzten Interviews.

Mit 21 Jahren, im Jahr 1951, heiratete die Prinzessin aus dem hohen Norden Albrecht Fürst zu Castell-Castell und zog zu ihm nach Franken, an den Rand des Steigerwalds, wo sie im Casteller Schloss fortan einen großen Haushalt führte. Ihr Mann musste als Kriegsheimkehrer in schwerer Zeit – sein Vater und sein älterer Bruder waren im Krieg gefallen – den Familienbesitz übernehmen. Das hieß, er hatte enorme Verantwortung zu tragen für den Castellschen Weinbau, die Land- und Forstwirtschaft sowie die Fürstlich Castell'sche Bank. Seine Frau hielt ihm stets den Rücken frei.
Der älteste Sohn kam auf dem Weg zum Weihnachtsfest in Castell ums Leben
Acht Kindern schenkte Marie-Louise zu Castell-Castell das Leben. Zwei der Kinder starben früh: Töchterchen Christina mit zweieinhalb Jahren, der älteste Sohn Maximilian mit 21 Jahren auf dem Weg nach Castell zum Weihnachtsfest bei einem Unfall, verursacht von einem Betrunkenen.
Trotz dieser grausamen Erlebnisse haderte die Mutter nie mit ihrem Gott. "Nicht er hat den Unfall verursacht", sagte sie. Ihr Leben lang war sie davon überzeugt, dass die Liebe Gottes alles heilen kann – und dass Gott durch Menschen Gutes auf der Welt bewirkt. In ihrem Buch "Vergebung, Versöhnung, Heilung" erzählt sie von persönlichen Erlebnissen und schildert, wie man Segen empfängt und weiterschenkt, wie man Mitmenschen vergibt und neu anfängt.
Keine Angst vor dem Tod, sondern Vorfreude aufs Wiedersehen mit ihren Lieben

Seit dem Tod ihres Ehemannes Albrecht Fürst zu Castell-Castell im Mai 2016 lebte Marie-Louise allein im sogenannten Casteller Schlösschen. Einsam war sie nie: Mindestens eines ihrer Kinder oder der 32 Enkelkinder war meistens zu Gast, oft mitsamt einem der 68 Urenkel. Auch andere Familienmitglieder, Freunde und Casteller Bürger schätzten ihr offenes Haus.
Kurz vor dem Weihnachtsfest im vergangenen Jahr stellte Marie-Louise zu Castell-Castell fest: "Das Alter ist eine gute Phase im Leben – sofern wir nicht ständig jammern, sondern uns entschließen, das, was uns bleibt, mit Dankbarkeit zu genießen." Sie selbst hielt sich genau an dieses Motto. Angst vor dem Tod hatte sie nicht. Im Gegenteil: Sie freute sich auf ein Wiedersehen mit ihren Lieben. Im Kreis ihrer Familie starb sie am 12. Dezember friedlich und im Vertrauen auf ihren Gott.
An diesem Samstag werden sich viele Casteller und andere Gäste bei der Trauerfeier ab 11 Uhr in der örtlichen Johanneskirche von Marie-Louise Fürstin zu Castell-Castell verneigen. Nicht wegen ihres Titels, sondern wegen ihrer großen Persönlichkeit.