Er hat früh Verantwortung übernommen als Oberhaupt einer der ältesten Adelsfamilien Deutschlands. Hat als Unternehmer, Christ und Familienmensch Maßstäbe gesetzt. Und bis zuletzt war Albrecht Fürst zu Castell-Castell ein Mann, dessen Wort Gewicht hatte, der für seine Überzeugungen eintrat – auch wenn er damit angeeckt ist.
In der Nacht zum Montag ist der 90-Jährige in Castell gestorben. Um ihn trauern Marie-Louise Gräfin zu Castell-Castell, mit der er seit 1951 verheiratet war, sowie sechs Kinder, 32 Enkel und 28 Urenkel. Tief getroffen sind auch Adelshäuser aus der Umgebung sowie Freunde und Wegbegleiter aus Politik, Wirtschaft, Kirchen und vielen Organisationen.
In seinem Heimatort Castell ist die Bestürzung groß: Albrecht Fürst zu Castell-Castell galt als die Persönlichkeit des Dorfes, er war ein Mensch, der sich an Kleinigkeiten erfreuen konnte. An seinem 90. Geburtstag im vergangenen Jahr mit über 400 Gästen nahm er nicht nur die Glückwünsche der hochrangigen Gäste entgegen, sondern freute sich über die vielen kleinen Geschenke und Gesten von Kindern und Mitbürgern.
„Es hat einem immer etwas gegeben, mit ihm zu reden.“
Selbst im großen Trubel fand er Zeit für persönliche Worte und war interessiert: „Immer, wenn wir uns begegnet sind, hat er gefragt, wie es geht, was gerade ansteht“, sagt Andreas Stöckinger, der für diese Zeitung aus der Region berichtet. „Es hat einem immer etwas gegeben, mit ihm zu reden.“
„Er war ein großartiger Mensch, wie ein väterlicher Freund“, sagt der Kitzinger CSU-Landtagsabgeordnete Otto Hünnerkopf. „Seit ich Abgeordneter bin, habe ich sein Angebot rege genutzt, Dinge mit ihm zu besprechen.“ Der Rat von Albrecht Fürst zu Castell-Castell sei äußerst wertvoll gewesen: „Er hat immer eine klare Haltung eingenommen, die Dinge auf den Punkt gebracht.“ Besonders habe ihm imponiert, dass der bekennende Christ stets für Eigenverantwortung und Eigeninitiative eingetreten sei und Nachhaltigkeit vorlebte, als den Begriff noch kaum jemand kannte.
Den Boden nutzen und bearbeiten – dieser christliche Auftrag trieb Castell-Castell stets an. Wer sich fragt, warum das Steigerwaldzentrum im Handthal eines seiner letzten großen Herzensanliegen gewesen ist, findet Erklärungen in der Familiengeschichte: Es geht um die Wurzeln der Castells, die seit 1000 Jahren im Steigerwald leben, mit Boden und Umgebung verbunden sind.
„Ich fühle nicht hinaus in die weite Welt. Mein Platz, meine Heimat sind das Dorf Castell und der Steigerwald“, sagte der Verstorbene vor drei Jahren bei einem Gespräch auf der Baustelle des Steigerwaldzentrums. 1945 hatte er aus der Not heraus – sein Vater und der ältere Bruder waren im Krieg gefallen – eine Lebensaufgabe übernommen: die Verantwortung für den Familienbesitz, im Kern ein Land-, Forst- und Weinbaubetrieb.
Mehr als 50 Jahre wirkte Castell-Castell als Unternehmer, immer angetrieben von einem Gedanken aus der Anfangszeit: „Ich möchte auf keinen Fall der Letzte der Kette sein.“ Dieser Wunsch erfüllte sich bereits Mitte der 1990er Jahre, als er die Geschäfte an seinen Sohn Ferdinand in der 26. Generation übergeben konnte.
Seit 65 Jahren war der 90-Jährige mit Marie-Louise Fürstin zu Castell-Castell verheiratet, lebte mit ihr im „Schlösschen“ in Castell. Seine Hingabe für Familie und Heimat strich am Montag auch die Kitzinger Landrätin Tamara Bischof heraus: „Ich war immer sehr beeindruckt von seinem breiten Wissen, seinem echten Interesse für den Landkreis, die Gemeinde Castell und seine Mitbürger. Diese Verbundenheit hat man auch innerhalb der Familie gespürt.“
Sie habe die herzlichen Begegnungen – zuletzt beim 90. Geburtstag – sehr genossen, sagt Bischof. „Mit Fürst zu Castell-Castell verliert der Landkreis Kitzingen eine herausragende, sehr prägende Persönlichkeit. Mein Mitgefühl und mein aufrichtiges Beileid gelten seiner Frau sowie der gesamten Familie.“ Als Mitglied des Kreistags von 1966 bis 1990 habe sich Castell-Castell vor allem für die Klinik Kitzinger Land und deren Neubau Ende der 1970er Jahre eingesetzt, so Bischof: „Wenn Fürst zu Castell-Castell ein Landkreis-Thema besonders beschäftigt hat, griff er gern selbst zum Hörer und rief mich an.“
Ein wichtiger Themenschwerpunkt des durch und durch wertkonservativen Menschen war die Arbeit für die evangelische Landeskirche, zuletzt als Mitglied der evangelischen Landessynode. „Er war ein guter Christ, der seine Kirche geliebt, aber an einigen Entwicklungen auch gelitten hat“, sagt Dekan Günther Klöss-Schuster aus Castell. Castell-Castell hatte zwischendurch sogar an Austritt gedacht, sich aber letztlich dagegen entschieden. Der Verstorbene, so würdigt der Dekan, sei „eine ehrenwerte Persönlichkeit“ gewesen, zu dessen Markenzeichen der Einsatz für die Versöhnung zwischen Christen und Juden geworden sei.
Dazu gehört unter anderem, dass Castell-Castell veranlasste, dass die hauseigene Castell-Bank ihren Umgang mit jüdischen Konten während der Zeit des Nationalsozialismus untersucht und offenlegt. Und als die 1933 in der Pogromnacht zerstörte Kitzinger Synagoge 1993 eingeweiht wurde, fand Castell-Castell die richtigen Worte, bat die Juden um Vergebung.
Mit diesem Einsatz habe der Verstorbene Zeichen gesetzt, sein großes Engagement werde unvergessen bleiben, schreibt Josef Schuster. „Die Trauer der Jüdischen Gemeinde Würzburg ist groß. Fürst zu Castell-Castell war es in besonderem Maße, der uns Türen geöffnet und damit die Errichtung des neuen jüdischen Gemeinde- und Kulturzentrums ,Shalom Europa' ermöglicht hat“, so der Vorsitzende des Zentralrats der Juden. „Unser aufrichtiges Beileid und unser tiefes Mitgefühl gelten seiner Frau und seiner Familie.“
Eine Herzenangelegenheit war Albrecht Fürst zu Castell-Castell auch die Förderung der Wissenschaft. Er war langjähriger Vorsitzender des Unibundes der Universität Würzburg und 1984 zum Ehrensenator ernannt worden. Erst im Januar 2016 hatte die Universität ein Symposium veranstaltet, ihm zu Ehren hochrangige Experten zum Thema „Nachhaltigkeit“ eingeladen.
1991 erhielt Albrecht Fürst zu Castell-Castell das Bundesverdienstkreuz am Bande. Außerdem wurde er mit dem Bayerischen Verdienstorden ausgezeichnet und zum Ehrenbürger seiner Gemeinde ernannt. Zu seinem 90. Geburtstag im August hatte sich Albrecht Fürst zu Castell-Castell gefreut, „dass keine unerledigten Aufgaben warten, dass Loslassen und Abgeben die bestimmenden Gedanken meines Daseins geworden sind“.
Am Montag hat er sein Leben vollendet. Die Beisetzung im kleinen Friedhof der Fürstenfamilie soll am Wochenende stattfinden.