
Weihnachten im Schloss – was ist das für ein Erlebnis? Wer könnte diese Frage besser beantworten als Marie-Louise Fürstin zu Castell-Castell? Die geborene Prinzessin zu Waldeck und Pyrmont – achtfache Mutter, 32-fache Großmutter und 68-fache Uroma – erlebt in diesen Tagen ihr 93. Weihnachtsfest. Seit dem 1. Advent zelebriert sie im Casteller Schlösschen, ihrem Alterssitz, um einen großen Kranz aus Nadelzweigen eine Familientradition. Im Interview verrät sie, was es mit den über zwei Dutzend Kerzen auf dem Kranz auf sich hat und warum man drumherum auch krächzen darf.

Marie-Louise zu Castell-Castell: Die Tradition ist schon 300 Jahre alt. Alle, die gerade da sind – Familienmitglieder, Mitarbeiter oder auch Menschen aus dem Ort –, treffen sich immer morgens um halb zehn zu einer kurzen Andacht. Im Advent ist diese besonders schön, da sitzen wir in meinem Arbeitszimmer um einen großen Kranz aus Fichten- oder Tannenzweigen. Am 1. Advent wird die erste Kerze auf dem Kranz angezündet, an jedem Folgetag eine weitere. An jeder Kerze hängt ein Bibelspruch. Die Anwesenden lesen die Sprüche abwechselnd vor; früher mussten die Kinder sie auswendig lernen. Wir lesen dazu ein Kapitel aus dem Losungskalender und beten gemeinsam. Außerdem werden Lieder angestimmt.
Marie-Louise zu Castell-Castell: Die Lieder suche ich nach Gefallen aus. Wenn gerade keine begnadeten Sänger da sind, sage ich immer: Einfach los, Gott hört es auch, wenn wir krächzen (lacht). Die Sprüche stammen aus dem Alten Testament. Unsere Vorfahren haben sie vor Jahrhunderten zusammengetragen. Eine Tante hat sie in 1947 einmal fein-säuberlich abgeschrieben. Anfangs war die Hausandacht für mich eine ererbte Pflichtübung – heute liebe ich sie. Für mich sind die Bibelworte wertvolle Begleiter im Leben. Das Wort Gottes trägt mich auch durch dunkle Zeiten.

Marie-Louise zu Castell-Castell: Nicht nur. Zwei meiner acht Kinder leben nicht mehr auf dieser Welt. Unsere Tochter Christina ist schon mit zweieinhalb Jahren gestorben, unser ältester Sohn ist mit 21 Jahren tödlich verunglückt. Er war damals bei der Bundeswehr und fuhr gerade zum Weihnachtsfest nach Hause.
Marie-Louise zu Castell-Castell: Nicht Gott hat den Unfall verursacht, sondern ein Betrunkener. Ohne meinen Glauben und die Gewissheit, dass meine Kinder bei Gott sind und ihnen da nichts Böses mehr widerfährt, wäre alles noch viel schlimmer gewesen. Mein Herzensspruch ist "Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit". Das soll auch mal auf meinem Grabstein stehen.

Marie-Louise zu Castell-Castell: Dass Frieden in die Welt kommt und Versöhnung. Die Juden sind Gottes auserwähltes Volk. Ich wünsche mir, dass der Frieden Gottes, den er uns und der ganzen Welt durch Jesus Christus angeboten hat, in alle Herzen kommt.
Marie-Louise zu Castell-Castell: Wenn man mal alle 32 Enkel zusammenbekäme, das wäre was…
Marie-Louise zu Castell-Castell: Nein, das schaffe ich nicht mehr, es sind einfach zu viele. Ich habe inzwischen ja auch 68 Urenkel.

Marie-Louise zu Castell-Castell: Ich bin von der Familie meines Sohnes Ferdinand und seiner Frau Gabrielle ins Casteller Schloss eingeladen. Dort läuft vieles noch nach alter Tradition ab. Schon früher haben sich die Fürstenfamilie und die Mitarbeiter an Heiligabend in einem dunklen Nebenzimmer getroffen und sind dann, als der Hausherr im Weihnachtszimmer die Kerzen angezündet hatte, singend zum hell erleuchteten Christbaum und zur Krippe gezogen.
Marie-Louise zu Castell-Castell: Heute ist alles lockerer, und anders als früher feiern ja auch die Mitarbeiter nicht mehr im Schloss mit. Als ich jung war, gab es in der Mitte des Weihnachtszimmers einen großen Tisch, an dem die Mitarbeiter ihre Geschenke bekamen. Außenrum lagen die Gaben für die Kinder. Besonders erinnere ich mich an ein Weihnachtsfest, an dem es bei uns gebrannt hat. Hinter der Krippe stand ein großes, mit Wedeln umwickeltes Holzkreuz. Auf dem Querbalken standen sechs Kerzen. Irgendwie fing das Holz Feuer. Einem unserer Söhne gelang es, das Kreuz durchs Fenster in den Hof zu werfen, bevor es lichterloh brannte – es passte gerade so durch den Fensterrahmen.

Marie-Louise zu Castell-Castell: In meiner Kindheit gab es oft Gans, bei meiner Schwiegermutter dann immer Karpfen. Ich mochte das nicht so gern, aber es wurde nicht groß übers Essen gesprochen. Das gehörte sich nicht. Man aß, was auf den Tisch kam.

Marie-Louise zu Castell-Castell: Das Alter ist eine gute Phase im Leben – sofern wir nicht ständig jammern, sondern uns entschließen, das, was uns bleibt, mit Dankbarkeit zu genießen. Es ist schön und befriedigend, im Alter eigenen Interessen nachzugehen oder sogar neue auszubilden. Wenn wir neugierig bleiben, viel lesen, uns interessieren, Fragen stellen, dann hält uns das jung im Geist und interessant für die junge Generation. In diesem Sinn freue ich mich sehr auf die Weihnachtszeit mit meiner großen Familie.