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Kreis Haßberge
Wie der Einzelhandel im Landkreis Haßberge die erste Woche nach dem Lockdown erlebt hat
Seit vergangenem Montag dürfen die Läden wieder öffnen, wenn auch unter strengen Auflagen. Drei Geschäftsinhaber sprechen darüber, wie die ersten Tage gelaufen sind.
Franz Wölfel, Inhaber der Buchhandlung Glückstein in Haßfurt, ist der persönliche Kontakt zu seinen Kunden wichtig. So ist die Freude bei ihm groß, dass er seinen Laden nun wieder öffnen kann.
Foto: René Ruprecht | Franz Wölfel, Inhaber der Buchhandlung Glückstein in Haßfurt, ist der persönliche Kontakt zu seinen Kunden wichtig. So ist die Freude bei ihm groß, dass er seinen Laden nun wieder öffnen kann.
Peter Schmieder
 |  aktualisiert: 09.02.2024 00:02 Uhr

Am 16. Dezember hatte in Deutschland der harte Lockdown begonnen, in dem alle Geschäfte schließen mussten, die nicht der Grundversorgung dienen. Erst Anfang März waren die Fallzahlen so weit gesunken, dass vorsichtige Lockerungen möglich waren. Wie haben Geschäftsinhaber aus dem Landkreis Haßberge die erste Woche erlebt, in der sie nach fast drei Monaten wieder öffnen durften?

"Bayern hat erkannt, dass wir systemrelevant sind."
Franz Wölfel, Inhaber der Buchhandlung Glückstein in Haßfurt

"Es war eine ganz normale Woche, wie sonst auch", sagt Franz Wölfel von der Buchhandlung Glückstein in Haßfurt. "Wir sind nicht überrannt worden, die Leute sind schon noch vorsichtig." Der Buchhändler betont, dass ihm der direkte Kontakt zu den Kunden in den letzten Monaten sehr gefehlt habe. Und das beruht wohl auf Gegenseitigkeit: Viele Kunden seien froh gewesen, dass sie endlich wieder persönlich in den Laden kommen konnten. "Schön, dass ihr wieder da seid", sei ein Satz, den Wölfel und seine Mitarbeiter in den letzten Tagen häufiger gehört haben.

"Wir sind froh, dass wir wieder aufmachen können – und dass auch Bayern erkannt hat, dass Buchhandlungen systemrelevant sind." Denn der Buchhandel zählt zu den Branchen, die im Lockdown in verschiedenen Bundesländern unterschiedlich behandelt wurden. In manchen Ländern zählte er zu den wenigen als notwendig geltenden Bereichen, die geöffnet bleiben durften. In anderen, wie beispielsweise in Bayern, mussten die Buchläden schließen.

Einkaufstaschen helfen, die Kunden zu zählen

Doch jetzt hat auch der Freistaat den Buchhandel auf die Liste des "Einzelhandels des täglichen Bedarfs" gesetzt. Das bedeutet: Auch wenn die Inzidenzzahlen so weit steigen sollten, dass im Landkreis Haßberge andere Geschäfte wieder schließen müssen, dürfte Wölfels Buchladen geöffnet bleiben.

Um sicherzustellen, dass sich nicht zu viele Menschen gleichzeitig im Laden aufhalten, hängen am Eingang Einkaufstaschen, von den sich jeder Kunde eine nehmen muss. Sind die Taschen weg, darf vorerst keiner das Geschäft betreten. Mit einer Fläche von 100 Quadratmetern bietet der Laden unter Einhaltung der Hygieneregeln Platz für acht Kunden.

Kommunen hätten mehr tun können

Während des Lockdowns hatte der Buchladen Hilfen erhalten, "aber im ersten Lockdown war es besser", betont Wölfel, dass die Unterstützung vieles nicht abfedern konnte. "Man muss sich halt was einfallen lassen", meint er. "Click & Collect hat uns gerettet." So habe zwar auch die Buchhandlung Einbußen gehabt, die seien aber überschaubar gewesen.

Kritik übt Wölfel an einigen Akteuren vor Ort, die seiner Ansicht nach mehr für die heimischen Geschäfte hätten tun können. So fragt er sich unter anderem, warum es nicht mehr Kommunen gemacht haben wie Knetzgau. Dort hatte die Gemeinde Gutscheine von inhabergeführten Läden gekauft, als Geschenk an Mitarbeiter von Pflegeeinrichtungen. So sollten sowohl Pflegekräfte als auch der Einzelhandel unterstützt werden. Auch der Aktionskreis Haßfurt Aktiv (AHA) hätte Wölfels Ansicht nach mehr für die Haßfurter Läden tun können.

Michael Minnich steht in der Kinderabteilung seines Schugeschäftes in Zeil am Main. Gerade in einer Branche, in der eine Anprobe nötig ist, bietet der Online-Handel kaum eine Alternative zum Besuch im Laden.
Foto: René Ruprecht | Michael Minnich steht in der Kinderabteilung seines Schugeschäftes in Zeil am Main. Gerade in einer Branche, in der eine Anprobe nötig ist, bietet der Online-Handel kaum eine Alternative zum Besuch im Laden.

Ähnlich wie Franz Wölfel hat auch Michael Minnich, Inhaber von Schuhaus Minnich in Zeil, in der ersten Woche viel Zuspruch von der Kundschaft erlebt. Die sei sehr froh, wieder in den Laden kommen zu können. "Die Leute sind kaufwillig und möchten uns auch unterstützen", freut sich Minnich, der auch in Bamberg ein Schuhgeschäft betreibt.

"Wir müssen schon ran an den Fuß."
Michael Minnich, Inhaber von Schuhaus Minnich in Zeil

Während andere Branchen im Lockdown vor allem auf das Online-Geschäft setzten, hatte der Schuhhandel hier Probleme, denn bei Kleidung und Schuhen gehört eben auch die Anprobe dazu – und die ist ohne Besuch im Laden nicht möglich. Zwar verkauft Minnich schon seit einiger Zeit auch im Internet Schuhe über das Portal Schuh24, "aber das machen wir vor allem, um Altware loszuwerden. Da bleibt nichts hängen."

Dennoch sei zu bemerken gewesen, dass dieses Online-Geschäft angezogen habe. Die meisten von Minnichs Mitarbeitern waren in der Zeit des Lockdowns in Kurzarbeit. Für ihn und seine Familie sei die Zeit dagegen umso stressiger gewesen: "Es ist nicht so, dass wir nichts zu tun hatten." Denn auch wenn der Laden zu war und nichts verkauft werden konnte, wurden unter anderem weiterhin Waren angenommen und Preise ausgezeichnet.

Aber wie sieht es jetzt, da es weitergehen kann, eigentlich im Schuhhandel mit den Hygieneregeln aus? "Natürlich halten wir uns zurück, aber wir müssen schon ran an den Fuß", sagt Minnich über die Anprobe. Um eine gegenseitige Ansteckung zu verhindern, werden FFP2-Masken getragen, aber die Abstandsregeln gerade beim Verkauf von Kleinkinderschuhen komplett einzuhalten, sei nicht möglich.

"Die Gefahr, sich hier anzustecken, ist gleich null."
Martin Hofmann, Inhaber von Musik Hofmann in Hofheim

Auch Martin Hofmann von Musik Hofmann in Hofheim ist froh, dass er seinen Laden nun wieder öffnen kann. "Mit Click & Collect ist das nicht vergleichbar", sagt er. Bei den Kunden, die in seinen Laden kommen, sei keine Angst zu bemerken, dass sie sich in dem Musikgeschäft mit Corona infizieren – und dafür gebe es auch keinen Grund. Hofmann zieht einen Vergleich zu den Lebensmitteldiscountern, die ja die ganze Zeit über geöffnet bleiben mussten, um die Grundversorgung zu sichern: "Da stecken die Leute die Köpfe über den Sonderangebotskörben zusammen."

Hoffnung auf Normalität

Hofmann äußert Verständnis dafür, dass über die letzten Monate viele Geschäfte schließen mussten und nur das nötigste offen blieb. "Es wurde ja damit begründet, dass man die Bewegung der Leute begrenzen will. Das verstehe ich." Dennoch betont er im Bezug auf seinen Laden: "Die Gefahr, sich hier anzustecken, ist gleich null."

Martin Hofmann, Inhaber von Musik Hofmann in Hofheim, freut sich, dass er wieder öffnen kann, glaubt aber, dass es noch einige Zeit dauern wird, bis wieder echte Normalität einkehrt.
Foto: René Ruprecht | Martin Hofmann, Inhaber von Musik Hofmann in Hofheim, freut sich, dass er wieder öffnen kann, glaubt aber, dass es noch einige Zeit dauern wird, bis wieder echte Normalität einkehrt.

Nun hofft er, dass die Inzidenzwerte im Landkreis Haßberge über einen längeren Zeitraum niedrig bleiben, so dass für die Kunden wieder eine gewisse Normalität einkehrt und es nicht ständig Regeländerungen gibt. Sollte die Inzidenz an drei aufeinanderfolgenden Tagen über 50 liegen, dürften die Geschäfte zwar weiterhin geöffnet bleiben, Kunden dürften dann aber nur noch mit Voranmeldung in den Laden kommen. Bei Werten über 100 würden wieder alle Läden, die nicht dem "täglichen Bedarf" dienen, geschlossen.

Online ist mittlerweile bequemer geworden

"Die Leute sind immer noch verunsichert", sagt er und vermutet, dass es noch lange Zeit dauern wird, bis wieder Normalität einkehrt. Das koste Kundschaft, was auch mit der Bequemlichkeit der Menschen zu tun hat. "Früher war es bequem, jemanden vor Ort zu haben", sagt er. Wer in den Laden ging, konnte die Ware gleich mitnehmen, statt noch auf den Paketboten warten zu müssen. Durch die Pandemie habe sich das geändert: Jetzt sei es für viele Leute bequemer, online zu bestellen. Auch Martin Hofmann hat im Juli 2020 auf die Situation reagiert und einen Online-Shop aufgebaut. "Aber das ist nicht vergleichbar."

Bei allem Verständnis, das Hofmann für die Notwendigkeit der Maßnahmen äußert, gibt es etwas, das seiner Ansicht nach anders hätte laufen müssen: Es sei falsch gewesen, Lebensmittelgeschäften auch in der Zeit des Lockdowns den Verkauf von Non-Food-Artikeln zu erlauben. Auch wenn es seine eigene Branche kaum betreffe: Es passe nicht zusammen, wenn Fachhändler schließen müssen, die Kunden aber die entsprechenden Produkte weiterhin im Discounter bekommen.

 
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