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Knetzgau
Hilfsfonds: Wie Knetzgau kleine Betriebe unterstützen will
Bürgermeister Stefan Paulus schichtet Gemeindegelder um und ruft zum Spenden auf. Mit Gutscheinen will er der lokalen Wirtschaft helfen - und stellt sich auf Streit ein.
Mit Gutscheinen die lokale Wirtschaft unterstützen: Stefan Paulus, Bürgermeister der Gemeinde Knetzgau, hat einen 'Hilfsfonds Corona' eingerichtet.
Foto: Felix Mock | Mit Gutscheinen die lokale Wirtschaft unterstützen: Stefan Paulus, Bürgermeister der Gemeinde Knetzgau, hat einen "Hilfsfonds Corona" eingerichtet.
Felix Mock
Felix Mock
 |  aktualisiert: 29.03.2021 10:34 Uhr

Er rechnet fest damit, doch es ist ihm herzlich egal: Stefan Paulus stellt sich darauf ein, Ärger zu bekommen. Dabei führt der Bürgermeister der Gemeinde Knetzgau (CWG/SPD) keine Steuererhöhungen oder ähnliche Ärgernisse für seine Bürger im Schilde. Paulus will helfen - und hat mit seinen Anrufen schon einige Unternehmer aus dem Landkreis zu Tränen gerührt.

Der Plan: Paulus hat einen "Hilfsfonds Corona" eingerichtet und will Spenden sammeln. Von den gespendeten Geldern erwirbt die Gemeinde Knetzgau Gutscheine von lokalen Unternehmen, die aufgrund der Ausnahmesituation durch das Coronavirus ums Überleben kämpfen: kleine Geschäfte, Friseurläden, Gastronomiebetriebe. Die Coupons sollen dann an Mitarbeiter diverser Pflegeeinrichtungen im Landkreis gehen, als Dankeschön für ihre Arbeit. Dazu steht Paulus im Kontakt mit den Leitern der Caritas und der Arbeiterwohlfahrt (AWO), die mehrere Häuser im Kreis betreiben und die Gutscheine eigenmächtig verteilen sollen.

Beim Erwerb der Coupons beschränkt sich der 53-Jährige nicht nur auf die in seiner Gemeinde ansässigen Betriebe. Auch das Kino in Zeil, ein Buchladen in Haßfurt oder verschiedene Gärtnereien - sprich: Geschäfte, die es so in Knetzgau gar nicht gibt, die aber wichtig für die Menschen im Landkreis sind - seien für Paulus systemrelevant. "Solche Institutionen müssen in dieser schwierigen Zeit unterstützt werden", sagt er. Da dürfe man nicht in Gemeindegrenzen denken.

Gemeinde kauft für 20 000 Euro Gutscheine

"Die Hilfsbereitschaft der Menschen ist riesengroß", erzählt Paulus am Telefon. Nach wenigen Tagen seien bereits 4000 Euro auf das Spendenkonto eingegangen. Zudem hat die Gemeinde Knetzgau vorgelegt und 20 000 Euro investiert, um Gutscheine zu erwerben. "Wir schichten Gelder, die wir sowieso ausgegeben hätten, so um, dass heimische Betriebe profitieren", erklärt der Bürgermeister. Jährliche Einmalzahlungen an die Gemeindemitarbeiter, Präsentkörbe für Goldene Hochzeiten und dergleichen - das alles wird es nun in Form von Gutscheinen für den Laden nebenan geben.

Dabei gerecht vorzugehen, das ist eine Herausforderung. Paulus will versuchen, alle möglichst fair zu behandeln - sowohl bei den zu unterstützenden Betrieben als auch bei der Verteilung der Gutscheine. Der Bürgermeister telefoniert persönlich mit den jeweiligen Inhabern - und löst durch seine Anrufe und das Vorhaben, die Geschäfte zu unterstützen, teils heftige Emotionen aus. Nicht selten seien die Inhaber zu Tränen gerührt gewesen.

"Das Risiko, Leute zu verärgern, ist groß", sagt der Knetzgauer Bürgermeister, der seit zwölf Jahren im Amt ist und im März wiedergewählt wurde. "Aber das gehe ich gerne ein. Ich halte es für schlimmer, nicht zu helfen, als einzelne zu vergessen und somit vor den Kopf zu stoßen."

Hilfsfonds scheitert auf Kreisebene

Die Angst vor Fehlern sei der Hauptgrund, weshalb sich der "Hilfsfonds Corona" mit einzelnen Ausnahmen auf die Gemeinde Knetzgau beschränken wird. "Unser Ziel war es, das Projekt auf Kreisebene aufzuziehen", sagt Paulus und nennt sein Vorhaben eine "Riesenchance". Zunächst sei er da auch guter Dinge gewesen, fand mit Eberns Bürgermeister Jürgen Hennemann (SPD) und dem Sander Gemeindeoberhaupt Bernhard Ruß (SPD) Mitstreiter für das Projekt.

In der großen Runde aller Bürgermeister sei das Vorhaben jedoch ins Stocken geraten. Die Angst, Einzelne zu verprellen, sei bei vielen zu groß gewesen. "Jetzt ziehen wir das Ding in Knetzgau eben alleine durch", sagt Paulus und klingt dabei gleichermaßen trotzig und selbstbewusst. Man merkt es an der Stimme des 53-Jährigen: Der Hilfsfonds ist für ihn eine Herzensangelegenheit.

"Es ist nicht meine gesetzliche Pflicht als Bürgermeister", führt er aus. "Aber die moralische Verpflichtung fühle ich durchaus. Als Mensch, als Christ ist mir das nicht egal, wenn meine Mitmenschen durch so eine Situation in Schwierigkeiten geraten." Wegducken gilt nicht, und deshalb will es Paulus in Kauf nehmen, auch Schelte für vermeintliche Ungerechtigkeiten bei der Verteilung oder dem Erwerb der Coupons zu kassieren.

Paulus fordert zum Spenden auf

Ein Spendenaufruf einer gemeinnützigen Einrichtung, die Paulus per E-Mail erreicht hatte, gab den Denkanstoß für das Knetzgauer Projekt. "'Mensch Vera, das ist doch absolut ungerecht' habe ich zu meiner Frau gerufen", erzählt Paulus. Während die einen ums wirtschaftliche Überleben kämpfen, verändere sich die finanzielle Situation bei anderen durch die Auswirkungen der Pandemie wenig oder gar nicht - zum Beispiel bei Beschäftigten im Öffentlichen Dienst.

Paulus findet: "Jeder Beamte - sofern er sich in keiner finanziellen Notlage befindet - sollte ein bisschen Geld abgeben. Das tut den meisten nicht weh und hilft anderen extrem, gerade in diesen schwierigen Monaten." Aus diesem Grund zwackt der Bürgermeister auch einen Teil seiner Bezüge für den guten Zweck ab. Es gehe ihm dabei aber um die gute Sache, nicht um öffentlichkeitswirksames Handeln.

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