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Haßfurt
Waldorfschule in Haßfurt: Was den am Montag beginnenden Abriss des alten Schulhauses besonders macht
Das 1933 gebaute Gebäude mit seiner wechselvollen Geschichte muss einem größeren Schulhof weichen. Alte Steine sollen nach dem Abriss den Neubau verschönern.
Das alte Schulhaus am Ziegelbrunn ist bald Geschichte: Hier laufen die Vorbereitungen für den Abriss, der am Montag beginnt. Im Hintergrund ist der hölzerne Neubau zu sehen.
Foto: Peter Schmieder | Das alte Schulhaus am Ziegelbrunn ist bald Geschichte: Hier laufen die Vorbereitungen für den Abriss, der am Montag beginnt. Im Hintergrund ist der hölzerne Neubau zu sehen.
Peter Schmieder
 |  aktualisiert: 05.08.2024 02:39 Uhr

Nur noch wenige Tage, dann geht in Haßfurt eine Ära zu Ende: Am Montag, 5. August, beginnt der Abriss des alten Schulhauses am Ziegelbrunn. "Dieses Gebäude hat schon einiges hinter sich, da wird man schon emotional", sagt Annette Achilles. Bis Ende Juli war sie technische Geschäftsführerin der Waldorfschule, deren Schulhaus das Bauwerk in den letzten 20 Jahren war. Damit fielen auch Neu- und Umbauten auf dem Schulgelände in ihre Verantwortung. Eigentlich ist Achilles seit Anfang August im Ruhestand. Den Abriss des alten Schulhauses, den sie lange mit vorbereitet hat, will sie dennoch mitverfolgen.

"Dass wir es abreißen, war von Anfang an klar", sagt Annette Achilles. "Denn wir hatten bisher keinen richtigen Schulhof und brauchen dafür einen Teil des Platzes." Nachdem die Waldorfschule das alte Gebäude übernommen hatte, nutzte sie es zunächst als Schulhaus, baute aber parallel dazu zwei neue Gebäude auf dem Gelände. Mit deren Fertigstellung und dem Umzug sämtlicher Klassenzimmer in die neuen Räumlichkeiten war der Weg frei für den Abbruch des alten Bauwerks.

Wechselvolle Geschichte: Reichsarbeitsdienst, Krankenhaus, Schule

In den Tagen vor dem Abriss hat Annette Achilles einige Zeit damit verbracht, zur wechselvollen Geschichte des Gebäudes zu recherchieren. Viel Hilfe hatte sie dabei vom Haßfurter Stadtarchivar Thomas Schindler, sodass Achilles beim Gespräch mit der Redaktionen einiges zu erzählen hat. Gebaut wurde das Haus in den Jahren 1933 bis 1934, damals aber noch nicht als Schule. Vielmehr ging es den ab 1933 regierenden Nationalsozialisten darum, Vorbereitungen für den Reichsarbeitsdienst (RAD) zu treffen, der ab 1935 eingeführt wurde. Dafür mussten Gebäude zur Unterbringung der Dienstleistenden her.

An einer Wand des alten Schulhauses wurden bereits Steine herausgebrochen, die nun den Sockel des Neubaus zieren.
Foto: Peter Schmieder | An einer Wand des alten Schulhauses wurden bereits Steine herausgebrochen, die nun den Sockel des Neubaus zieren.

Eines davon war der Bau am Ziegelbrunn. Ab 1935 wurden dann auch RAD-Leistende in dem Haus untergebracht. 1938 diente das Gebäude dann erstmal kurzzeitig als Schulhaus: Aus Platzgründen wurde es zum Ausweichstandort der Oberschule. Der Kriegsbeginn 1939 machte es dann zunächst zur Kaserne, später zum Lazarett: Während des Krieges für Wehrmachtssoldaten, nach Kriegsende nutzten es die Amerikaner als Gefangenenlazarett.

Operationen im Kellerflur: Kuriositäten aus einem Krankenhaus in der Nachkriegszeit

Dass in dem Haus kranke und verletzte Menschen behandelt wurden, sollte auch noch für einige Zeit so bleiben: Von 1946 bis 1958 war es das Kreiskrankenhaus. In der Anfangszeit führten die Ärzte dort noch Operationen im Kellerflur durch, weil es keinen eigenen OP-Trakt gab. Erst 1949 entstand dann ein OP-Saal im Nebengebäude, wo heute die Ballettschule OnPoint ihre Räumlichkeiten hat.

Ende der 50er Jahre zog das Krankenhaus dann an seinen jetzigen Standort in der Hofheimer Straße. Seitdem wurden die Räume am Ziegelbrunn als Schule genutzt. Zunächst war es die Volksschule, auch Volksbildungswerk und Volkshochschule boten hier Kurse an. Zuletzt war es lange ein Standort der Haßfurter Grundschule, bis diese in den Neubau im Nassachtal umzog. Ab dem Jahr 2000 begann die Vermietung an den Gründungskreis der Waldorfschule.

Lager- und Besprechungsräume: Ein Teil des Gebäudes bleibt stehen

"Die Stadt hat uns das Gebäude in Erbpacht übergeben", berichtet Annette Achilles. Dabei habe es eine Vereinbarung gegeben: Beim Abriss des Gebäudes solle die Waldorfschule einen Teil stehen lassen, denn im Keller befinden sich noch sämtliche Gas-, Strom und Wasseranschlüsse, die auch die benachbarte Ballettschule OnPoint nutzt. "Sonst hätte die Stadt das alles neu machen müssen."

Viele Haßfurterinnen und Haßfurter haben hier lesen, schreiben und rechnen gelernt. Doch jetzt sind Bauarbeiter dabei, das alte Gebäude zu entkernen.
Foto: Peter Schmieder | Viele Haßfurterinnen und Haßfurter haben hier lesen, schreiben und rechnen gelernt. Doch jetzt sind Bauarbeiter dabei, das alte Gebäude zu entkernen.

Der Plan sieht nun vor, zwei Drittel des alten Schulhauses komplett abzureißen. Beim letzten Drittel – dem westlichen Teil des Gebäudes, der am weitesten von den Neubauten entfernt ist – sollen dagegen nur die oberen Geschosse abgetragen werden. Keller und Erdgeschoss bleiben dagegen in diesem Bereich stehen und bekommen ein neues Dach. Diese Räume will die Waldorfschule künftig für Lagerflächen und als Besprechungsräume nutzen, sowie als Räumlichkeiten für die Elternarbeitskreise der Schule.

Alte Steine am neuen Gebäude: Wie der Sandstein wiederverwendet wird

Doch auch für den Gebäudeteil, der komplett abgerissen wird, soll keine Abrissbirne und kein Sprengmeister anrücken. Vielmehr ist ein langsamer, schonender Abbruch geplant, sodass einzelne Steine in einem Zustand erhalten bleiben, der es erlaubt, sie wiederzuverwenden. "Wir hatten von Anfang an überlegt, dass wir so viel wie möglich aus dem alten ins neue hineinbringen wollen."

Wie das aussehen kann, zeigt die Schul-Geschäftsführerin am Sockel des ansonsten vor einem Jahr fertiggestellten neuen Schulhauses. Denn der war bisher unverkleidet, bald sollen ihn aber die Sandsteine zieren, aus denen das Untergeschoss des alten Schulhauses gebaut ist. Um zu testen, wie das aussehen könnte, wurden bereits an einer Ecke des alten Gebäudes ein paar nicht tragende Steine herausgebrochen und an einem Teil des Neubaus am Sockel angebracht.

Steine des alten Schulhauses sind nun am Neubau angebracht. Aktuell nur an einem kleinen Teil des Gebäudes, langfristig sollen sie aber den gesamten Sockel zieren.
Foto: Peter Schmieder | Steine des alten Schulhauses sind nun am Neubau angebracht. Aktuell nur an einem kleinen Teil des Gebäudes, langfristig sollen sie aber den gesamten Sockel zieren.

Annette Achilles schwärmt von dieser Optik und berichtet auch, dass es sich dabei um Sandsteine mit Seltenheitswert handle. "Die stammen aus Sand am Main. Da werden sie heute gar nicht mehr abgebaut. Und die sind wirklich wunderschön", sagt sie über die Steine, denen auch deutlich anzusehen ist, dass sie nicht maschinell bearbeitet, sondern von Hand behauen sind.

Der Upcycling-Gedanke hat auch zu der Idee geführt, in dem Teil des Altbaus, der stehenbleiben soll, die alten Türen wieder einzubauen. "Und das sind wirklich noch die Türen von 1933", betont Achilles.

Letzte Schritte vor dem Abriss: Annette Achilles will ihr Vogelhäuschen retten

Die Fläche, die durch den Gebäudeabriss gewonnen wird, soll erst einmal den Schulhof vergrößern. Langfristig gebe es aber auch die Idee, dort ein Amphitheater zu errichten, das den Schülerinnen und Schülern in den Pausen Sitzgelegenheit und Spielfläche bieten, an schönen Sommertagen aber auch zum "Grünes Klassenzimmer" für den Unterricht unter freiem Himmel werden könnte.

Am alten Büro von Annette Achilles hängt ein Vogelhäuschen. Vor dem Abriss des Schulhauses will sie es noch abmontieren und mitnehmen.
Foto: Peter Schmieder | Am alten Büro von Annette Achilles hängt ein Vogelhäuschen. Vor dem Abriss des Schulhauses will sie es noch abmontieren und mitnehmen.

Aktuell sind Bauarbeiter dabei, das alte Schulhaus zu entkernen. Die Innenräume sind leer, die Türen herausgebrochen. Dennoch fällt beim Blick von außen noch ein kleines Detail auf: An einem Fenster im ersten Obergeschoss hängt ein Vogelhäuschen. "Das ist das Fenster von meinem Büro", sagt Annette Achilles und lächelt. Das Vogelhaus habe sie damals dort angebracht, um etwas Leben an den Ort zu bringen. Und sie kündigt an, dass sie das noch abmontieren wolle, bevor der Abriss beginnt. "Das Vogelhäuschen nehme ich mit."

 
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