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Prappach
Verräter oder Held? Detlef Hauck schlüpft in einer Aufführung in der Prappacher Kirche in die Rolle des Judas
Die Soloinszenierung rückt eine biblische Figur in ein neues Licht. Darsteller Hauck und Pfarrer Eschenbacher wollen die Menschen damit zum Nachdenken anregen.
Probe für die Aufführung von 'Ich, Judas' in der Pfarrkirche in Prappach: Detlef Hauck schlüpft in die Rolle der biblische Figur, die als Verräter in die Geschichte einging.
Foto: Peter Schmieder | Probe für die Aufführung von "Ich, Judas" in der Pfarrkirche in Prappach: Detlef Hauck schlüpft in die Rolle der biblische Figur, die als Verräter in die Geschichte einging.
Peter Schmieder
 |  aktualisiert: 10.05.2023 09:58 Uhr

Für viele Christen ist es ein klarer Fall: Judas Ischariot war ein Verräter. Ein böser Mensch, der etwas Schreckliches getan hat, als er den Autoritäten verriet, wo sie Jesus festnehmen könnten. Aber ist es wirklich so einfach? Oder ist Judas eine der am meisten missverstandenen biblischen Figuren? Über diese Frage möchte Detlef Hauck aus Prappach die Menschen zum Nachdenken bringen: mit einer Soloinszenierung von "Ich, Judas" in der Prappacher Pfarrkirche am Dienstag, 12. April.

Dabei handelt es sich um einen Text des Literaturhistorikers, Schriftstellers und Rhetorik-Professors Walter Jens (1923 bis 2013). Dieser lässt Judas eine fiktive Verteidigungsrede halten, in der der Mann, der als Verräter in die Geschichte eingegangen ist, die Ereignisse aus seiner Sicht schildert. "Ohne Judas kein Kreuz, ohne das Kreuz keine Erfüllung des Heilsplans", heißt es dort. Sprich: Für Jesus war es ein zentraler Bestandteil seines Plans, dass er gekreuzigt werden würde. Kann man also denjenigen, der diese Kreuzigung überhaupt erst ermöglicht hat, als "bösen Sündenbock" abstempeln? Oder war es vielleicht sogar ein gemeinsamer Plan, auf den sich Jesus und Judas geeinigt hatten?

Einer musste den "Part des Vollstreckers" übernehmen

Walter Jens lässt Judas argumentieren, er habe die schwere Aufgabe übernommen, seinen Herrn auszuliefern. Er habe mit Wissen Jesu diesen wichtigen Teil des Plans übernommen. "Ich, kein anderer - Petrus zuallerletzt - wurde für würdig befunden, den Part des Vollstreckers zu spielen."

'Nein, Herr, ich habe dich nicht verraten und ich habe dich nicht preisgegeben', sagt Judas (Detlef Hauck) in seiner Verteidigungsrede.
Foto: Peter Schmieder | "Nein, Herr, ich habe dich nicht verraten und ich habe dich nicht preisgegeben", sagt Judas (Detlef Hauck) in seiner Verteidigungsrede.

Mal nachdenklich, mal zornig argumentiert Judas, wendet sich dabei auch direkt ans Publikum, unter anderem mit den Worten: "Ich habe es getan und darum seid Ihr erlöst." Vorwürfe macht er dem Evangelisten Johannes, der ihn als Verräter dargestellt habe, sowie vielen Theologen der letzten 2000 Jahre - darunter auch Martin Luther -, die dieses Bild unter Berufung auf Johannes verfestigt hätten.

"Ich möchte auch Leute, die kritisch zur Kirche stehen, mit abholen"
Detlef Hauck, Judas-Darsteller

Im Pfarrbrief der Haßfurter Kirchengemeinde St. Kilian wird die Aufführung in der Kirche angekündigt: "Ein Drama, das auch zum Nachdenken anregt, aber nicht für jeden Menschen zwingend interessant ist. Wenn Sie jedoch gerne den Anspruch haben, mit Themen konfrontiert zu werden, die mehr in die Tiefe gehen, kann man diesen Abend auf jeden Fall empfehlen." Im Gespräch mit dieser Redaktion betont Detlef Hauck, dass sich die Aufführung nicht nur an ein Publikum aus gläubigen Christen richten soll. "Ich möchte auch Leute, die kritisch zur Kirche stehen, mit abholen."

Der Darsteller wagt einen "Sprung ins kalte Wasser"

Hauck ist sich durchaus bewusst, dass der Text polarisiert. Das zeigt auch ein Vorfall, der sich bei einer Aufführung des Stückes im Jahr 2012 in Kirchheim bei München ereignete. Dort war der Münchner Schauspieler Heiko Dietz in die Rolle des Judas geschlüpft und bekam es mit einer Frau aus dem Publikum zu tun, die die Aufführung unterbrach, um lautstark zu widersprechen: Judas sei sehr wohl ein Verräter gewesen. Bei einer Probe in der Prappacher Kirche am Montagabend gibt sich Detlef Hauck allerdings optimistisch, dass sich das Publikum dort gesitteter benehmen wird.

Für ihn ist die Soloinszenierung der sprichwörtliche "Sprung ins kalte Wasser": Das letzte Mal, dass er als Laienschauspieler auf einer Bühne stand, sei im Jugendalter gewesen. "Das liegt lange zurück", sagt der 50-Jährige. Dennoch hat er auch aus beruflichen Gründen Erfahrung darin, sicher vor anderen Menschen aufzutreten: Detlef Hauck ist Polizist und seit 2020 Leiter der Polizeiinspektion Ebern.

Musikalische Akzente, die die Szenen unterstreichen: Dieter Markl begleitet die Aufführung an der Orgel.
Foto: Peter Schmieder | Musikalische Akzente, die die Szenen unterstreichen: Dieter Markl begleitet die Aufführung an der Orgel.

Auf die Idee zu der Judas-Inszenierung ist er durch seinen Schwager Dieter Markl gekommen, der bei der Aufführung mit von der Partie ist: Markl ist Organist und begleitet das Drama musikalisch. Außerdem gibt er bei den Proben Regieanweisungen. Er war es auch, der Detlef Hauck auf die Idee zu dem Projekt gebracht hat. Denn vor Jahren hat Dieter Markl schon einmal eine Inszenierung des gleichen Stückes an der Orgel begleitet. Die fand damals in Ziegelanger statt, Markls Bruder spielte seinerzeit den Judas. Das habe Detlef Hauck als Prappacher und Mitglied des Pfarrgemeinderats inspiriert, zu sagen: "Das will ich auch mal in Prappach machen."

"Wir sind ja schnell dabei, auch biblische Figuren vorzuverurteilen"
Stephan Eschenbacher, Pfarrer von Haßfurt

Eines hat sich seitdem verändert: Bei der Aufführung in Ziegelanger war das kontroverse Stück der breiten Öffentlichkeit noch relativ unbekannt. Das änderte sich, als es 2017 mit Ben Becker als Judas verfilmt wurde. Auch für Dieter Markl ist die Aufführung in der Kirche eine Herausforderung. Denn auch wenn er seit Jahrzehnten Kirchenorgel spielt: Um während des Dramas Akzente zu setzen, spielt er frei und improvisiert. "Das ist mal was anderes", sagt er. Dennoch: "Mein Schwager hat sich der größeren Aufgabe gestellt."

Auch der Pfarrer ist von dem Projekt angetan

Hauck betont, er wolle mit der Inszenierung erreichen, "dass die Leute mal über was anderes nachdenken als den Alltag". Dass die Aufführung gerade in die Karwoche fällt, ist kein Zufall. Der Termin sei bewusst gewählt worden, weil es sich dabei um eine "schwierige, zweifelnde Zeit" handelt. Auch Pfarrer Stephan Eschenbacher sagt im Gespräch mit dieser Redaktion, er finde das Projekt interessant. "Wir sind ja schnell dabei, auch biblische Figuren vorzuverurteilen." Da sei es gut, sich einmal mit der Frage zu befassen, wie Menschen überhaupt zu ihrem Urteil über andere Menschen kommen. Und das nicht nur mit Blick auf eine biblische Figur. "Das hat auch einen Bezug zu unserer heutigen Zeit", betont der Pfarrer.

 
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