Wer ganz besondere Orchideen sucht, der wird in Steinsfeld fündig. Dort, am Ortsrand, steht eine hohe Halle. 1500 Quadratmeter ist sie groß – oder besser gesagt drei zusammenhängende Gewächshäuser samt Verkaufshalle. Das Ehepaar Martina und Manfred Wolff betreibt darin eine Orchideenfarm. In dem Familienbetrieb, der den Namen "M&M Orchidee" trägt, wachsen allerhand verschiedene Arten der exotischen Pflanze. Die Wolffs haben einiges zu tun – das Ehepaar kümmert sich laut eigener Schätzung um etwa 20.000 Exemplare.
Doch aller Anfang ist klein: Angefangen habe alles mit einer einzelnen Orchidee, erinnert sich der 71-jährige Manfred Wolff. Das Ehepaar lebte damals noch in Frankfurt, Manfred arbeitete als Diplom-Verwaltungswirt, Martina als Außenhandelskauffrau. Nach der ersten Pflanze bezogen schnell weitere Orchideen die Fensterbänke der Wolffs. Doch der Platz auf so einer Fensterbank ist endlich: Manfred Wolff musste mit seiner stetig wachsenden Sammlung in den Keller seines Hauses ausweichen. Und irgendwann war auch der zu klein.
Manfred Wolff hat sein Hobby zum Beruf gemacht
Mit der Sammlung wuchs auch die Faszination für die Pflanze. Wolff wagte den Schritt in die Selbstständigkeit, den Orchideen zuliebe. Er machte sein Hobby zum Beruf. 1999 zog es das Ehepaar dann zurück nach Franken. Die beiden schlugen in Steinsfeld Wurzeln, bauten Eigenheim und das große Gewächshaus. Um die Jahrtausendwende folgte die Eröffnung von "M&M Orchideen" in dem Wonfurter Ortsteil.
Martina kümmert sich seitdem um den Verkauf der Pflanzen, hält Vorträge und hat bis vor der Pandemie Busse mit Touristen empfangen. Im Gewächshaus gab es auch das Café Orchidee. Doch mit Corona mussten die Wolffs dessen Betrieb einstellen.
Der 71-jährige Manfred ist aber nicht nur Orchideenzüchter. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich der Steinsfelder eine breite Expertise aufgebaut, mehrere Bücher über die Pflanzen verfasst. Knapp 500 Seiten stark ist etwa der Orchideen-Atlas.
Pflanzen, wie von einem anderen Stern
Darin gehen Wolff und ein weiterer Orchideenexperte beispielsweise auf die Kulturgeschichte der Orchidee, den Aufbau der Pflanze sowie auf die verschiedenen Gattungen des Gewächses ein. Etwa 30.000 bis 35.000 verschiedene Orchideenarten kommen in der Natur vor, erklären die Wolffs. Eine artenreiche Pflanzenfamilie also. Dazu kämen noch all jene Arten, die der Mensch gekreuzt hat.
Wer vor Ort durch die Verkaufshalle schlendert, der merkt gleich: Viele der Pflanzen sehen für Laien gar nicht nach der "klassischen" Orchidee aus, so wie es sie zuhauf in den Regalen der Super- und Baumärkte zu kaufen gibt. Einige der Gewächse ähneln eher saftigem, grünen Katzengras, andere erinnern an Aloe vera oder sehen gar aus wie Pflanzen von einem fremden Planeten: Die Farben, Blüten und Blätter und die Größe der Pflanzen könnten verschiedener nicht sein.
Die Wolffs verkaufen vor Ort im Normalfall nur Pflanzen, die blühen, berichten die beiden. Doch bis es so weit ist, kann schon mal ein Jahrzehnt ins Land ziehen. "Wenn du dich mit Orchideen beschäftigen willst, lernst du Geduld", erklärt Manfred Wolff. Teilweise dauere es über 15 Jahre, bis eine Pflanze – freilich unterscheide sich das je nach Art – das erste Mal blüht.
Und: Orchideen blühen nicht immer, erklärt die 63-jährige Martina Wolff. Im Durchschnitt blühe die Pflanze vier bis sechs Wochen lang. Manche Sorten blühen auch nur einen einzigen Tag, andere gar vier Monate.
Konkurrenz von Discountern und Baumärkten
Für die beiden Orchideenliebhaber gilt die Devise: Qualität statt Quantität. In den vergangenen Jahren sei das Geschäft etwas schwieriger geworden, die Nachfrage nach Wolff-Orchideen sei gesunken. Konkurrenz bekämen die beiden vor allem durch bekannte Discounter und Baumärkte, die die Pflanzen wöchentlich zu billigsten Preisen anbieten. "Dafür kann man nicht mal in Holland die Pflanzen heranziehen", sagt Manfred Wolff. Und schiebt hinterher: "Diese Baumarktorchideen, im Normalfall Pflanzen der Gattung Phalaenopsis, sind hochgezüchtet."
Mit künstlicher Beleuchtung, und auch mit akribisch eingehaltenen Bewässerungszeiten. Die Wolffs verfolgen einen anderen Ansatz: "Wir versuchen die Pflanzen so zu kultivieren, damit sie bei den Kunden in Wohnzimmern oder auf den Fensterbänken in der Küche zurechtkommen."
Je nach Orchidee müssen Kundinnen oder Kunden schon mal tiefer in den Geldbeutel greifen. Preislich gebe es da kaum Grenzen nach oben. Freilich gibt es vor Ort auch Orchideen für den schmalen Taler. Für einige besondere Pflanzen können jedoch mehrere Hundert Euro fällig werden. Die Wolffs finden den Preis nicht übertrieben, sondern erklären, warum er gerechtfertigt ist.
"Umso besonderer und spezieller die Farbe, umso mehr ist die Orchidee wert", sagt Martina Wolff. Eine gute Orchidee zeichne sich durch gesundes Wurzel- und Blattwerk aus, habe viele Blüten und mehrere – am besten recht kräftige – Stängel.
Lange Lebensdauer: Orchideen werden bis zu 100 Jahre alt
Neben dem Sammlerwert sei außerdem das Alter der Pflanze entscheidend. Denn die exotischen Pflanzen haben eine enorm lange Lebensdauer. Orchideen können – mit der richtigen Pflege – sogar ein Jahrhundert alt werden, wie die Wolffs berichten. Die älteste Pflanze, die das Ehepaar hat, ist zwischen 90 und 100 Jahre alt. So ganz genau wüssten sie es aber selbst nicht, gestehen die beiden. Die Pflanze war ein Geschenk.
In den vergangenen Jahrzehnten ist das Ehepaar weit gereist. Ob Italien, Belgien, Schweiz oder Großbritannien – die Wolffs waren in der Vergangenheit häufig europaweit unterwegs, für verschiedene Ausstellungen oder Messen.
Pflanzen aus dem mexikanischen Urwald
Auf den Ausstellungen werde dann "neues Blut gekauft", erklärt Manfred Wolff, also neue Orchideen. Ein Kollege aus Mexiko habe beispielsweise Pflanzen aus dem Urwald mitgenommen, andere Orchideenzüchter brachten Pflanzen aus Nordamerika und Asien mit.
Mittlerweile gebe es andere Orchideen zu kaufen als noch vor einigen Jahrzehnten. Der Grund ist simpel, erklärt Manfred. Seit es Zentralheizungen gebe, sei es in den Häusern und Wohnungen deutlich wärmer als vorher. Mittlerweile stünden auf den Fensterbänken der meisten Menschen also Orchideenarten, die gut in beheizten Räumen zurechtkommen. Denn: "Es gibt kalte und warme Pflanzen", so Manfred Wolff. Auch in den drei Gewächshäusern des Ehepaars ist es deshalb unterschiedlich warm, damit jede Pflanze bei den richtigen Temperaturen wachsen kann.
Manfred Wolff züchtet heute keine neuen Orchideen mehr, sondern kümmert sich nur noch um den Bestand. Bis 2025 will das Ehepaar noch seine Orchideen-Gärtnerei betreiben. Dann soll Schluss sein. Irgendwann ist es mal gut, berichtet der 71-Jährige. Wie es dann weitergeht? "Die deutschen Züchter sterben aus", sagt seine Ehefrau Martina traurig. Die meisten Züchterinnen und Züchter, die sich auf Orchideen spezialisiert haben, seien mittlerweile um die 60 Jahre alt.
Nachwuchsmangel auch in Orchideen-Gärtnereien
Auch hier mache sich der Fachkräftemangel bemerkbar. Nachwuchsbotaniker, die sich auf die vielfältige Pflanze fokussiert haben, gebe es kaum, berichtet die 63-Jährige. Doch wer weiß: Vielleicht schlägt ja ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin in Steinsfeld Wurzeln. Oder übernimmt den Bestand der Wolffs. Damit in einigen Jahren wieder neue Pflanzen aufblühen.