
Torsten Ruf ist entzückt. So viele Exemplare des Kleinen Knabenkrauts auf einem Haufen hat er noch nicht gesehen. "Das ist der Hammer", entfährt es ihm. "Der Bestand ist phänomenal." Das Vorkommen der immer seltener werdenden Orchidee auf einer Streuobstwiese in Langenprozelten ist das letzte im Gemündener Stadtgebiet und zugleich das mutmaßlich größte im bayerischen Spessart. "In der Dichte wird es nix Besseres geben." Ende April/Anfang Mai standen die Exemplare in voller Blüte.
2014 hat Ruf, der sich als Gebietsbetreuer beim Naturpark Spessart um Grünland kümmert und vor allem auf Streuobstwiesen aktiv ist, einen Hinweis von einem Bund-Naturschutz-Mitglied erhalten, dass auf einer Wiese am Zollberg in Langenprozelten Orchideen wüchsen. Damals seien es nur ein paar Dutzend Exemplare des Kleinen Knabenkrauts gewesen, erzählt Ruf. Mit dem Eigentümer des wohl seit Langem als Streuobstwiese verwendeten Grundstücks sei dann vereinbart worden, dass er beim regelmäßigen Mähen die geschützten Orchideen möglichst aussparen solle, damit die Pflanzen aussamen könnten.
Optimale Bedingungen für das Kleine Knabenkraut dieses Jahr
Die Strategie hatte offenbar Erfolg. Dieses Jahr hat Ruf auf der Fläche etwa 1700 Kleine Knabenkräuter gezählt. "Ich zähle unglaublich viele Pflanzen, da weiß ich ungefähr, was 100 sind", sagt Ruf über seine Zählexpertise. Der Eigentümer hat dieses Jahr bereits gemäht, aber dabei Inseln mit Orchideen ausgespart. "Man kann nur schützen, was man kennt", sagt Ruf. Der Eigentümer sei mit Eifer dabei. Inzwischen wachsen auch auf dem Nachbargrundstück ein paar Exemplare. Das feuchte Frühjahr kombiniert mit der Wärme seien ideal für das Knabenkraut gewesen, sagt der Gebietsbetreuer.
Dass das Kleine Knabenkraut hier so gut wächst, führt er auf einen nährstoffarmen, ungedüngten Boden zurück. Es sei vergesellschaftet mit bestimmten Pilzen, weswegen es nichts bringen würde, einzelne Pflanzen der stark bedrohten Art an einer anderen Stelle einzupflanzen und zu hoffen, dass es sich dort vermehre. Wenn die Konkurrenz durch Gräser oder gar Büsche zu stark werde, weil eine Fläche total ungepflegt sei, gehe der Bestand zurück. Deshalb sei es wichtig, dass die Wiese gemäht oder beweidet werde. Im Fall einer Beweidung sollte diese aber nicht zu intensiv sein, weil Weidetiere die Orchidee nicht verschmähen würden und zumindest ein paar Exemplare verschonen sollten.
Vereinzelte weitere Vorkommen im Spessart bekannt
Einzelne weitere, wenngleich nicht so große Vorkommen, sind Ruf im Sinngrund und bei Windheim bekannt. Normalerweise stünde die Orchidee relativ vereinzelt, aber in Langenprozelten steht sie zur Begeisterung des Gebietsbetreuers teilweise in richtigen Büscheln da. Die Pflanze same Ende Juni/Anfang Juli aus, danach müsse auf sie keine Rücksicht mehr genommen werden.
Torsten Ruf empfiehlt Pflanzeninteressierten die Handyapp "Flora Incognita", die sogar Gräser sehr zuverlässig erkenne. Tatsächlich erkennt die App das Kleine Knabenkraut sofort und liefert dann Informationen dazu. So erfährt man etwa, dass die Art europaweit gefährdet ist. Früher sei sie in Deutschland so häufig gewesen, dass man sie auch als Gemeines Knabenkraut bezeichnet habe. Durch Nutzungsintensivierung, Grünlandumbruch und Überbauung sind die meisten Standorte jedoch verschwunden.
Andere hiesige Orchideenarten wie die Bocksriemenzunge, das Helmknabenkraut oder die Bienenragwurz, die kalkhaltige Böden bevorzugen, könnten in Zukunft häufiger vorkommen. Denn diese Arten lieben Wärme und profitieren laut Ruf vom Klimawandel.