"Auf dem Dorf ist man halt gewohnt, mit anzupacken", sagt Hans Albert. Auch wenn er keine 30 mehr ist: Dass er anpacken kann, sieht man dem Landwirt und Steinmetzmeister aus Tretzendorf durchaus an. Ebenso dem Erdbau-Unternehmer Daniel Markert, dem Biolandwirt Alexander Diem, beide wie Albert aus Tretzendorf, und dem Verwaltungsangestellten Maximilian Benkert aus Trossenfurt. Alle vier haben in der zweiten Oktoberhälfte aus freien Stücken angepackt und Tretzendorf ein Stück hochwassersicherer gemacht. Und sich damit eine Anzeige eingehandelt.
Was ist geschehen? Das von der Aurach durchflossene Tretzendorf gehört zu den am stärksten hochwassergefährdeten Dörfern im Landkreis Haßberge. Großen Anteil am Gefahrenpotenzial hat die Kette von Fischweihern entlang der Aurach im Nordwesten der Ortschaft. Ein Damm schützt die Besiedlung vor dem Überlaufen der Teiche. Doch bei Starkregen könnte das Wasser überschwappen. Grund genug, stets Sorge dafür zu tragen, dass das Wasser durch den Bach im Falle des Falles rasch in Richtung Osten, zur Regnitz hin, abfließen kann. Und sich nirgendwo unnötig staut.
Es geht um die Sicherheit der Anlieger
Genau das haben die vier Männer, die allesamt im Oberauracher Gemeinderat sitzen, Hans Albert ist Zweiter Bürgermeister, vor kurzem getan. Das letzte Hochwasser vom Juli hatte in Tretzendorf vor der Brücke der Staatsstraße 2276, innerorts heißt sie Rathausstraße, einiges an Sediment angespült, darunter auch faulig riechenden Schlamm. Diese Ablagerungen haben die vier Räte entfernt, denn sie hätten einen neuen Hochwasserabfluss vermutlich behindert und damit die Gefahr erhöht, dass Wasser in die Häuser der Anlieger läuft, sind sich nicht nur Albert, Benkert, Diem und Markert sicher.
Sondern auch Bürgermeister Thomas Sechser. Deswegen war er sehr angetan davon, dass sich das Quartett dazu bereit erklärte, die Sache in die Hand zu nehmen. In Eigeninitiative und ohne einen Cent dafür zu verlangen. "Das hat der Gemeinde nämlich einige Tausend Euro an Kosten erspart", sagte Sechser dieser Tage zur Redaktion. Kleinere Eingriffe zum Schutz vor Überflutungen seien nichts Ungewöhnliches, erklärt Sechser. Zuletzt habe es vergleichbare Maßnahmen an der Brücke in Trossenfurt gegeben.
Deswegen hatte er auch keine Bedenken, dem ehrenamtlichen Team grünes Licht zu geben. Und zwar ohne großes Genehmigungsverfahren. Zumal vor allem Dank Bauunternehmer Markert genug Expertise und auch die entsprechenden Gerätschaften für solche Vorhaben vorhanden sind.
Doch könnte nun die ganze Aktion zum Bumerang für die Beteiligten werden? Ein Bürger aus der Gemeinde hat die vier Gemeinderäte beim Landratsamt Haßberge angezeigt. Und zwar mit der Begründung, dass es im Vorfeld keine Fisch- und Muschelbergung im betroffenen Bereich gegeben habe und die Arbeiten möglicherweise in der Schonzeit für die Wasserlebewesen stattgefunden hätten, wie Bürgermeister Sechser dieser Redaktion erläuterte. Auch geht es darum, ob das ausgebaggerte Material kontaminiert sein könnte, wo es zwischengelagert ist und wo es schließlich eingebaut werden soll. Noch liegen die mehreren Tonnen Sediment auf Gemeindegrund "auf Halde"; was daran bedenklich sein könnte, ist den Hochwasserschützern ein Rätsel.
Aurach ist hier "quasi ein technisches Gewässer"
"Völlig absurd" findet Alexander Diem aber vor allem die Argumentation in Richtung Fische und Muscheln. Nicht nur, weil der Hochwasserschutz aus seiner Sicht und der Sicht seiner Mitstreiter hier Vorrang haben muss vor Umwelt-, Natur- oder Artenschutz. Sondern auch, weil die Aurach im besagten Abschnitt quasi ein technisches Gewässer sei und kein natürliches. Soll heißen: Das Gewässer fließt hier auf einer gepflasterten Sohle zwischen gemauerten Ufern. Von Natur wenig Spur.
"Keiner von uns hat einen persönlichen Nutzen von der Maßnahme", versichert Maximilian Benkert. Etwa 30 Kilometer lang ist die Aurach. Daniel Markert mag es da nicht glauben, dass es Ärger geben könnte wegen der paar Meter, an denen sie in den Flusslauf eingegriffen haben. Und Bürgermeister Sechser fasst es noch einmal zusammen: "Wir haben das nicht aus Spaß getan, sondern weil wir Angst vor dem nächsten Hochwasser haben."
Wer sie angezeigt hat, das wissen die Kommunalpolitiker nur zu genau. Für zwei von ihnen kommt die Anzeige gewissermaßen aus dem eigenen Familienkreis. Mit der Redaktion wollte der Anzeigenerstatter nicht sprechen. Solange die Fachbehörden keine Stellungnahme abgegeben hätten, werde er sich nicht äußern, sagte die Person, die offenkundig über großes Fachwissen in Sachen Gewässerökologie verfügt, am Montag.
Landratsamt: Derzeit wird der Sachverhalt geprüft
Das Landratsamt Haßberge bestätigte am selben Tag, dass sich das Sachgebiet Wasserrecht mit der Angelegenheit beschäftigt. "Derzeit wird der Sachverhalt in Abstimmung mit verschiedenen Fachstellen (Wasserwirtschaftsamt, Fischereifachberatung, Abfallrecht) geprüft", antwortete Pressesprecherin Moni Göhr schriftlich auf Anfrage dieser Redaktion. Es lägen noch keine Stellungnahmen vor, sodass noch keine abschließende Bewertung möglich sei.
Auf die Bewertung und die sich daraus ergebenden Konsequenzen müssen Hans Albert, Maximilian Benkert, Alexander Diem, Daniel Markert und Bürgermeister Thomas Sechser also noch warten. Eines steht für die fünf aber jetzt schon fest: Dass es dem Anzeigenerstatter nicht um die Sache ging, "sondern nur darum, dass wir eine vor den Latz geknallt kriegen".