In einer Sache sind sich die Mitglieder des Gemeinderats Theres über die Fraktionsgrenzen hinweg einig: Sie wollen nicht, dass aus dem Schafhof eine Flüchtlingsunterkunft wird. Unklar ist, ob die Gemeinde eine Möglichkeit hat, das zu verhindern. Allem Anschein nach sind viele Ratsmitglieder grundsätzlich bereit, gerichtlich gegen die Unterbringung von Geflüchteten in dem ehemaligen Gasthof vorzugehen. Dabei steht auch eine Verfassungsbeschwerde im Raum.
Einstimmig beschloss das Gremium am Montag erst einmal eine Stellungnahme, die die Gemeinde in der Sache ans Landratsamt schicken wird. Die Abgabefrist für dieses Schreiben läuft bis Mittwoch. Das Landratsamt hatte der Kommune eine Fristverlängerung gewährt, sodass diese das Thema noch in der Sitzung behandeln konnte.
Dritter Bürgermeister sieht erst einmal andere Kommunen in der Pflicht
Die Auseinandersetzung zwischen der Gemeinde Theres und dem Landratsamt Haßberge besteht schon seit einigen Monaten. Denn die Regierung von Unterfranken ist in der Pflicht, Möglichkeiten zur Unterbringung von Geflüchteten zu schaffen. Die Landkreise wiederum sind daher in der Pflicht, geeignete Objekte zu suchen, die die Regierung dafür nutzen kann. Ein solches glaubt das Landratsamt Haßberge mit dem Schafhof in Obertheres gefunden zu haben.
Der frühere Gasthof befindet sich in Privatbesitz, der Eigentümer möchte ihn den Behörden zur Unterbringung von Flüchtlingen zur Verfügung stellen. Bis zu 60 Menschen könnte das Gebäude Platz bieten. Viele Bürgerinnen und Bürger fühlen sich davon jedoch überfordert und überrumpelt. Und so geht es auch den Mitgliedern des Gemeinderats. "Wir leisten unseren Beitrag", sagte dritter Bürgermeister Joachim Türke (SPD) in der Sitzung am Montag. Es gebe andere Orte im Landkreis, die bisher deutlich weniger Geflüchtete aufgenommen hätten, sagte er. So sieht Türke erst einmal diese in der Pflicht, bevor noch mehr Menschen in Theres untergebracht werden sollen.
Gemeinde führt den Brandschutz ins Feld: Probleme bei einer Evakuierung des Schafhofs
Doch die Gemeinde hat kaum Möglichkeiten, diese Forderung durchzusetzen. Zwar sprachen sich die Ratsmitglieder in einer Abstimmung im Oktober mit einer deutlichen Mehrheit von 12:1 gegen die Umnutzung des Schafhofs aus und führten unter anderem den Brandschutz als Grund an: Die bauliche Situation lasse eine schnelle Evakuierung einer so großen Zahl an Menschen nicht zu. Doch die Entscheidung liegt letztlich beim Landratsamt.
Tatsächlich räumt das Landratsamt ein, die Gemeinde habe mit den Bedenken in Sachen Brandschutz in einigen Punkte recht gehabt. Ein Kritikpunkt war, dass der Zugang zum Gebäude für Rettungskräfte im Brandfall nur über gemeindlichen Grund möglich sei. Diese Fläche nutzt die Gemeinde allerdings, um darauf beispielsweise ihre Kirchweih zu feiern, sodass zu dieser Zeit der Zugang für die Rettungskräfte unmöglich wäre.
Landratsamt reagiert: Zugang von der anderen Seite
"Auf die entsprechenden Bedenken wurde unverzüglich reagiert", schreibt Michael Rahn, stellvertretender Pressesprecher des Landratsamtes, auf Anfrage dieser Redaktion. "Das Landratsamt Haßberge hat die Bedenken berücksichtigt. Der Bauherr hat seinen Bauantrag daher in der Folge geändert." Die Lösung soll darin bestehen, die Zugänge zum Gebäude auf der anderen Seite so auszubauen, dass Rettungskräfte den Schafhof auch gut erreichen können, ohne den gemeindlichen Grund betreten zu müssen.
Doch der Gemeinde Theres reichen diese Änderungen nicht aus, was auch in der Stellungnahme deutlich wird. So gebe es weitere brandschutztechnische Bedenken, wie unter anderem einen Balkon, der zu hoch für die üblichen Feuerwehrleitern sei, oder widersprüchliche Angaben zu den Fluchtwegen im Gebäude.
Hebelt ein Paragraf die kommunale Selbstverwaltung aus?
Das Hauptproblem sehen viele im Gemeinderat aber darin, dass die Planungshoheit der Gemeinde zu stark beschnitten werde. Immer wieder war dabei vom Paragrafen 246, Absatz 14 des Baugesetzbuches die Rede. "Der hebelt die kommunale Selbstverwaltung komplett aus", sagte Bürgermeister Matthias Schneider (CSU) in der Sitzung.
Dieser Paragraf ermöglicht bauliche Maßnahmen, die vom Bebauungsplan abweichen. Ursprünglich war er eingeführt worden, um Kommunen die schnelle Aufnahme von Geflüchteten zu ermöglichen, ohne vorher das lange und aufwendige Verfahren einer Bebauungsplanänderung durchlaufen zu müssen. Nun ermöglicht er es aber auch den Landratsämtern, Flüchtlingsunterkünfte gegen den Willen der Standortkommunen zu bauen oder einzurichten. "Man könnte anzweifeln, ob der Paragraf verfassungskonform ist", so der Bürgermeister.
Zwei mögliche Rechtswege: Verfassungsbeschwerde oder Klage gegen die Baugenehmigung?
Die Frage ist somit, ob die Gemeinde den Gang vor das Bundesverfassungsgericht wagt. Und das ist nicht die einzige Option. Geschäftsleiter Markus Hahn stellte im Gemeinderat die verschiedenen rechtlichen Möglichkeiten vor, mit denen sich die Kommune rechtlich gegen die Einrichtung wehren könnte. So hat die Gemeinde als Nachbarin des Grundstücks die Möglichkeit, gegen die Baugenehmigung zu klagen. Hahn erklärte außerdem, dass die Gemeinde ein Eilverfahren anstreben könnte. Denn das hätte im Gegensatz zu einer normalen Klage eine aufschiebende Wirkung. So könne es ohne Eilverfahren passieren, dass die Gemeinde zwar am Ende den Prozess gewinnt, die Flüchtlinge aber zum Zeitpunkt des Urteils längst im Schafhof untergebracht sind.
Mit der Klage gegen die Baugenehmigung und der Verfassungsbeschwerde gegen den Paragrafen 246 ergeben sich zwei verschiedene Rechtswege. So diskutierten die Ratsmitglieder in der Sitzung die Vor- und Nachteile beider Wege. Manfred Rott sagte, er halte es für sinnvoller, den Angriff auf die Planungshoheit ins Feld zu führen. "Wir sollten gleich gegen das Gesetz klagen. Das ist ein ganz anderer Rechtsweg."
Einladung: Anwalt der Gemeinde soll sich in einer Sitzung äußern
Zur Sprache kam auch die Möglichkeit, beide Wege parallel zu beschreiten, allerdings würden dann im Zweifelsfall auch für beide Wege Prozesskosten anfallen. So regte Rott schließlich an, den Anwalt der Gemeinde in eine Sitzung einzuladen, sodass er sich unter anderem zu den Erfolgsaussichten beider Rechtswege äußern könne, ebenso wie zu den Gerichtskosten, die dabei entstehen würden. Allerdings müsste eine Klage gegen die Baugenehmigung innerhalb eines Monats eingereicht werden – zu spät also für den nächsten angesetzten Sitzungstermin. So ist wohl zu erwarten, dass es zu einer Sondersitzung kommt.