
Saubere Wärmeenergie, die weder Böden und Grundwasser noch die Luft verschmutzt und keine Flächen verbraucht: Der Einsatz von petrothermaler Geothermie – einer Form der Tiefengeothermie – könnte unter Einhaltung technischer und wissenschaftlicher Standards ein wichtiger Schritt in Richtung Klimaneutralität sein.
Im Landkreis Haßberge will die Staatsregierung ein solches Projekt fördern. Die Umsetzung scheint möglich. Zumindest theoretisch.
Wie funktioniert petrothermale Geothermie?
Das Wort "petros" stammt aus dem griechischen und bedeutet schlicht "Gestein". Bei dem Verfahren wird mittels Tiefenbohrung Wasser in bis zu 5000 Meter tiefe Gesteinsschichten gepumpt und durch deren natürliche Wärme auf bis zu etwa 160 Grad Celsius erhitzt. Zurück an der Oberfläche wird es mittels Wärmetauscher zur Wärmeversorgung genutzt – und mit zwischengeschalteter Turbine gleichzeitig auch zur Stromerzeugung.
Birgt die Technologie Risiken für Umwelt und Natur?
Die Risiken des Verfahrens sind umstritten. Kritiker warnen, dass die Bohrungen leichte Erdbeben auslösen könnten, Grundwasser verunreinigt oder dessen Strömung durcheinander gebracht werden könne. Im Auftrag des Umweltbundesamtes (UBA) hat die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) bereits 2015 eine Studie über mögliche Umweltauswirkungen der tiefen Geothermie durchgeführt. Ergebnis: Die tiefe Geothermie birgt in Deutschland keine unbeherrschbaren Risiken für die Umwelt – bei Einhaltung der technischen und wissenschaftlichen Standards.
So sieht das auch der Geologie-Professor Hartwig Frimmel von der Uni Würzburg. Zwar werde das gepumpte Wasser mit Salzen und Metallen angereichert, sagt er. Doch die kämen ohnehin im Boden vor und würden auch bei einem möglichen Austreten keinen Schaden an Umwelt und Natur anrichten.
Da die Bohrung in die Tiefe verläuft, gebe es zudem praktisch keinen Flächenverbrauch. Die so gewonnene Energie ist laut Frimmel also sauber, bis auf die Investition in Bohrung und Technik günstig und zudem unerschöpflich. Des Weiteren ist sie stets verfügbar und nicht - wie etwa Photovoltaikanlagen oder Windräder - von Sonnenschein oder dem Wind abhängig.
Gibt es politische Bestrebungen für Tiefengeothermie in Unterfranken?
Die bayerische Staatsregierung kündigt im Koalitionsvertrag den Ausbau der Geothermie und die Förderung eines Pilotprojektes zur petrothermalen Geothermie in Nordbayern an. Beim Standort handelt es sich um die Region Bamberg - Haßfurt - Coburg, wie das Wissenschaftsministerium auf Anfrage mitteilt. Im Bereich der Haßberge seien "Wärmeanomalien" festgestellt worden.
Damit handele es sich um ein "vielversprechendes Explorationsgebiet" und neuen Schwerpunkt für weitere Untersuchungen. Im Klartext: Die Staatsregierung will prüfen. In welchem Umfang bleibt jedoch offen. Im Haushaltsjahr 2023 waren allerdings nur 7,5 Millionen Euro in ganz Bayern für die Geothermie vorgesehen.
Welche Kritik gibt es am Förderungswillen der Bayerischen Staatsregierung?
Kritik kommt etwa vom Landtagsabgeordneten Martin Stümpfig aus Ansbach: In den vergangenen zwei Jahren habe der Freistaat in der Geothermie null Megawatt neu installiert, bemängelt der Grünen-Politiker. Das geht aus einer Anfrage hervor, die er an den Bundesverband Geothermie gestellt hat.
Das Pilotprojekt in Franken werde bereits seit rund zwei Jahren im Landtag diskutiert und sei damit alles andere als neu. Die 7,5 Millionen Euro Fördermittel würden jedoch noch nicht einmal die Kosten für eine Bohrung decken und ließen den ernsthaften Willen vermissen, beim Ziel des Ausbaus von Erdwärme voran zu kommen, bemängelt Stümpfig. Zum Vergleich: Für den Ausbau von Wasserstoff will der Freistaat in den nächsten Jahren rund 700 Millionen Euro bereitstellen.
Die CSU-Fraktion im Landtag sieht – trotz der im Koalitionsvertrag versprochenen bayerischen Ausbauabsicht – die Verantwortung beim Bund: "Die Ampel blockiert aktuell den Ausbau der wichtigen Geothermie und macht ihre Hausaufgaben nicht", sagt etwa die energiepolitische Sprecherin der CSU, Kerstin Schreyer. Ohne mehr Geld von der Bundesregierung könne der Freistaat "keine zielgerichtete eigene Geothermie-Förderung aufsetzen und voranbringen", heißt es in einer Pressemitteilung der Partei.
Wie bewerten Experten die Umsetzbarkeit der Technologie in Unterfranken?
Geologe Hartwig Frimmel bremst die Euphorie: Prinzipiell sei die Nutzung von Tiefengeothermie zwar überall möglich, sagt der Professor – in Schutzzonen, wie etwa Wasserschutzgebieten, ist die geothermische Nutzung eingeschränkt oder gar nicht erlaubt. Doch entscheidend sei das Kosten-Nutzen-Verhältnis: "Wie viel Energie muss ich hineinstecken, um wie viel Energie wieder herauszuholen?" Je näher am Erdkern, desto wärmer. Dort, wo noch aktiver Vulkanismus herrscht, wie etwa in Island, müsse man deutlich weniger tief bohren, als etwa in den Gebieten in Unterfranken.
Hier sei der Vulkanismus "längst tot", sagt Frimmel. Möglicherweise sei die geothermische Veränderung der Temperatur mit zunehmender Tiefe durch die Nachwirkungen des Vulkanismus im Bereich der Haßberge und der Rhön etwas erhöht. Im überregionalen Vergleich sei Unterfranken dennoch "nicht der beste Standort", was Geothermie betrifft. Dass für eine flächendeckende Versorgung neue Wärmenetze installiert werden müssten, sei zudem eher unattraktiv für einen Landkreis mit geringer Bevölkerungsdichte – wie dem Landkreis Haßberge.