Wenigstens haben sie der Ministerin sagen können, was ihnen auf dem Herzen liegt. Einige von ihnen zumindest, ehe Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniberzum nächsten Termin eilt: Am Freitagnachmittag haben sich in Sand am Main Landwirte aus dem Landkreis Haßberge mit der CSU-Politikerin ausgetauscht. War es eine gute Veranstaltung, will die Redaktion von Klaus Merkel, Obmann des Bayerischen Bauernverbands im Haßbergkreis, wissen, als sich die Bäuerinnen und Bauern am Abend wieder auf den Heimweg machen? "Es ist wichtig, dass wir in Kontakt mit der Politik bleiben", antwortet Merkel. Von Begeisterung keine Spur.
Immer mehr Bäuerinnen und Bauern mit Burnout und Depressionen
Die Stimmung in der deutschen Landwirtschaft ist schlecht, da machen die Höfe zwischen Gädheim und Roßstadt, Bundorf und Koppenwind keine Ausnahme. Gestandene Mannsbilder (es melden sich in Sand nur Männer zu Wort) scheuen sich nicht, die Ministerin im Großen Saal des Hotels Goger unter die Nase zu reiben, dass Studien zufolge immer mehr Bäuerinnen und Bauern unter Depressionen und Burnout leiden. Weil die Bürokratie sie erschlage, weil sie immer mehr Auflagen erfüllen müssten, ihre Erlöse schrumpften, weil sie keine Hofnachfolger fänden und die gesellschaftliche Akzeptanz für ihren Berufstand immer mehr sinke.
Und Michaela Kaniber kommt nicht mit Geschenken oder großen Versprechungen nach Sand. Sondern weil sie mit dem übereinstimmt, was CSU-Kreisvorsitzender Steffen Vogel, der Initiator des Treffens, eingangs sagt: "Bei uns ist wahnsinniger Gesprächsbedarf zum Thema Landwirtschaft." Die Ministerin will die Tuchfühlung mit der Basis halten, zuhören, lernen, die Politik ihres Hauses verteidigen.
Ideologen, die der "europäischen Gesamtverantwortung nicht gerecht werden"
Und den Schwarzen Peter zuschieben. "Ich finde es nur traurig, dass alles, was an Verschärfungen aus Brüssel kommt, eins zu eins übernommen wird von dieser Bundesregierung. Und alles was an Erleichterung käme für unsere Landwirtschaft, wird immer nur beiseite geschoben", attackiert Kaniber die Berliner Ampel. Sie nennt als Beispiel die von der EU eröffnete Möglichkeit der vollständigen Nutzung der ökologischen Vorrangflächen - als Konsequenz aus dem Ukrainekrieg und der drohenden Lebensmittelverknappung. Für diese Nutzung der Brachflächen habe sie sich "extrem eingesetzt", vergeblich. Gescheitert sei sie an Cem Özdemir und grünen Ideologen, die gerne über Menschenrechte und vor allem das Grundrecht auf Lebensmittel diskutierten, dann aber nicht in der Lage seien, "moralisch-ethisch einer europäischen Gesamtverantwortung gerecht zu werden".
"Die Bundesregierung hat aktuell kein Interesse, der Landwirtschaft zu helfen", behauptet Kaniber mit Blick auf Pandemie, Inflation und Ukrainekrieg. Aber den gut 60 anwesenden Bäuerinnen und Bauern, die das mehrheitlich ähnlich sehen dürften, nach dem Mund reden tut sie nicht. "Eine Landwirtschaft gegen die Gesellschaft wird es nicht geben", schreibt sie der Versammlung hinter die Ohren. Soll heißen: 98 Prozent der Wähler sind Nichtlandwirte. Und das Gros davon wünscht sich eine tierwohlgerechtere, umweltfreundlichere Landwirtschaft. Das dürften die Höfe nicht mehr ignorieren.
Das haben die meisten Bauern längst begriffen, entgegnet Kreisobmann Merkel, den solche Aussagen wurmen. Weil sie außer Acht lassen, dass die meisten Betriebe gar nicht die Mittel für Umbau und Umgestaltung ihrer Produktion hätten. "Wir machen gerne mit, aber woher soll das Geld kommen?" Vor allem die Höfe mit Viehhaltung sind in der Bredouille. Mehr Tierwohl wie von Gesellschaft und werbewirksam von Discountern gefordert, das bedeutet Investitionen in Um- oder Neubau von Ställen, da kommen schnell Millionenbeträge zusammen.
Horst Graser, eigenen Angaben zufolge mit 240 Muttersauen größter Ferkelzüchter im Landkreis, hat sich schon vor zwei Jahren entschlossen, tierwohlgerecht umzubauen - und denkt mit seinen fast 70 Jahren nun daran, die Stalltüren für immer zu schließen. Er hat beobachtet: Betriebe unter 300 Muttersauen hörten einer nach dem anderen auf, weil die großen Mastbetriebe ihre Ferkel lieber in Holland und Dänemark kauften. "Egal was Sie machen, ob Sie jetzt ein paar Euro hinschmeißen für den Strohstall oder nicht, wer soll denn die Arbeit machen?", sagt Graser zur Ministerin und spricht dabei nicht nur den Nachwuchsmangel bei den Viehzüchtern an. Sondern indirekt auch das neue Bayerische Programm für Zuchtsauen "BayProTier", das Erzeuger bei Investitionen in freundlichere Ställe unter die Arme greift.
Die bayerische Landwirtschaft "kann es doch besser"
"Wenn Sie sagen: Die paar Euro kann man hinschmeißen, dann tut mir das in der Seele weh", reagiert Kaniber betroffen. "Das demotiviert mich gerade so in meiner Arbeit." Ein Jahr habe es gedauert, das Programm zu schreiben und europarechtlich festzuklopfen. Und viele Betriebe hätten doch darauf gewartet und machten gerne mit. Und dann einfach kapitulieren? Das ist nicht Kanibers Sache. Denn dann produzierten andere, zum Beispiel Großbetriebe im Norden, meint die 44-Jährige. "Wir hier können es doch besser", versucht sie die deshalb ihre gut 60 Zuhörer zu motivieren.
Für viele von ihnen aber steckt der Teufel im Detail, zum Beispiel für Alexander Böhner aus Hainert, der 60 Milchkühe hält. Der Biobetrieb muss in wenigen Jahren der neuen Austreibepflicht nachkommen, sprich seinen Rindern das Weiden im Freien ermöglichen. "Bei uns in Unterfranken gibt es nicht viele Betriebe, die ihre Fläche um den Hof herum haben", erklärt Böhner der Besucherin aus Oberbayern. Und was sollen die Tiere draußen fressen, wenn es in der Region immer trockener wird?
Die Ministerin hört noch von vielen Sorgen, und muss Kritik einstecken. Etwa, dass Bayerns Bauern auf einer Breite von fünf Meter Gewässerrandstreifen nicht mehr bewirtschaften dürfen und dafür keine Entschädigung mehr bekommen sollen. Martin Gleichmann (Friesenhausen), der eine neue Güllegrube bauen muss, findet keine Baufirma. Kaniber wird gesteckt, dass es "keinen Spaß macht, mehr am Schreibtisch zu sitzen als zu produzieren", sie bekommt den Unmut über die fehlerhaften Nitratmessstellen zu spüren. Und vernimmt, wie bedrückend es ist, wenn die Kinder in der Schule gemobbt werden, weil die Eltern Landwirte sind.
Die Frau aus Bayerisch Gmain macht sich viele Notizen, verspricht schließlich, weiterhin mit allen Kräften für die Landwirtschaft zu kämpfen. Und wünschte sich wohl insgeheim von den Bauern auch etwas mehr Zuversicht und Selbstbewusstsein. Doch für Kreisobmann Klaus Merkel, eigentlich ihr Parteifreund, hat auch der Freitag eines nicht geändert: "Wenn man kleinbäuerliche und regionale Landwirtschaft nicht mehr will, dann muss die deutsche und bayerische Politik genauso weitermachen wie bisher."
Wie dumm sind wir ???
Ich kann mich daran nicht erinnern. Dieser Berufsstand ist vor allem eines: verdammt unflexibel und viel zu sehr an die heilende Titte des Staates voll mit Steuergeldern gewohnt. Er kann gar nicht mehr anders, er braucht das Geld.
Ich bin der Meinung: sofortige und ersatzlose Streichung aller Subventionen. Das wird dann endlich die alten, verkrusteten Strukturen aufbrechen und endlich für den Schub an Innovationen und Veränderung sorgen, den dieser lebende Leichnam braucht.