zurück
Gädheim
Frust, Burnout, Depressionen: Landwirtschaftsministerin Kaniber hört in Sand die Klagen der Landwirte
Die Bundesregierung hat kein Interesse, der Landwirtschaft zu helfen, sagt die CSU-Politikerin. Sie selbst löst bei den Anwesenden auch nicht viel Hoffnung aus.
'Wird notiert': Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber hört sich  in Sand am Main die Sorgen der Bäuerinnen und Bauern aus dem Landkreis Haßberge an.
Foto: Martin Sage | "Wird notiert": Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber hört sich in Sand am Main die Sorgen der Bäuerinnen und Bauern aus dem Landkreis Haßberge an.
Martin Sage
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:29 Uhr

Wenigstens haben sie der Ministerin sagen können, was ihnen auf dem Herzen liegt. Einige von ihnen zumindest, ehe Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniberzum nächsten Termin eilt: Am Freitagnachmittag haben sich in Sand am Main Landwirte aus dem Landkreis Haßberge mit der CSU-Politikerin ausgetauscht. War es eine gute Veranstaltung, will die Redaktion von Klaus Merkel, Obmann des Bayerischen Bauernverbands im Haßbergkreis, wissen, als sich die Bäuerinnen und Bauern am Abend wieder auf den Heimweg machen? "Es ist wichtig, dass wir in Kontakt mit der Politik bleiben", antwortet Merkel. Von Begeisterung keine Spur.

Immer mehr Bäuerinnen und Bauern mit Burnout und Depressionen

Die Stimmung in der deutschen Landwirtschaft ist schlecht, da machen die Höfe zwischen Gädheim und Roßstadt, Bundorf und Koppenwind keine Ausnahme. Gestandene Mannsbilder (es melden sich in Sand nur Männer zu Wort) scheuen sich nicht, die Ministerin im Großen Saal des Hotels Goger unter die Nase zu reiben, dass Studien zufolge immer mehr Bäuerinnen und Bauern unter Depressionen und Burnout leiden. Weil die Bürokratie sie erschlage, weil sie immer mehr Auflagen erfüllen müssten, ihre Erlöse schrumpften, weil sie keine Hofnachfolger fänden und die gesellschaftliche Akzeptanz für ihren Berufstand immer mehr sinke.

Und Michaela Kaniber kommt nicht mit Geschenken oder großen Versprechungen nach Sand. Sondern weil sie mit dem übereinstimmt, was CSU-Kreisvorsitzender Steffen Vogel, der Initiator des Treffens, eingangs sagt: "Bei uns ist wahnsinniger Gesprächsbedarf zum Thema Landwirtschaft." Die Ministerin will die Tuchfühlung mit der Basis halten, zuhören, lernen, die Politik ihres Hauses verteidigen.

Ideologen, die der "europäischen Gesamtverantwortung nicht gerecht werden"

Und den Schwarzen Peter zuschieben.  "Ich finde es nur traurig, dass alles, was an Verschärfungen aus Brüssel kommt, eins zu eins übernommen wird von dieser Bundesregierung. Und alles was an Erleichterung käme für unsere Landwirtschaft, wird immer nur beiseite geschoben", attackiert Kaniber die Berliner Ampel. Sie nennt als Beispiel die von der EU eröffnete Möglichkeit der vollständigen Nutzung der ökologischen Vorrangflächen - als Konsequenz aus dem Ukrainekrieg und der drohenden Lebensmittelverknappung. Für diese Nutzung der Brachflächen habe sie sich "extrem eingesetzt", vergeblich. Gescheitert sei sie an Cem Özdemir und grünen Ideologen, die gerne über Menschenrechte und vor allem das Grundrecht auf Lebensmittel diskutierten, dann aber nicht in der Lage seien, "moralisch-ethisch einer europäischen Gesamtverantwortung gerecht zu werden".

"Die Bundesregierung hat aktuell kein Interesse, der Landwirtschaft zu helfen", behauptet Kaniber mit Blick auf Pandemie, Inflation und Ukrainekrieg. Aber den gut 60 anwesenden Bäuerinnen und Bauern, die das mehrheitlich ähnlich sehen dürften, nach dem Mund reden tut sie nicht. "Eine Landwirtschaft gegen die Gesellschaft wird es nicht geben", schreibt sie der Versammlung hinter die Ohren. Soll heißen: 98 Prozent der Wähler sind Nichtlandwirte. Und das Gros davon wünscht sich eine tierwohlgerechtere, umweltfreundlichere Landwirtschaft. Das dürften die Höfe nicht mehr ignorieren.

"Die Bundesregierung hat aktuell kein Interesse, der Landwirtschaft zu helfen."
Michaela Kaniber, CSU, Bayerische Landwirtschaftsministerin

Das haben die meisten Bauern längst begriffen, entgegnet Kreisobmann Merkel, den solche Aussagen wurmen. Weil sie außer Acht lassen, dass die meisten Betriebe gar nicht die Mittel für Umbau und Umgestaltung ihrer Produktion hätten. "Wir machen gerne mit, aber woher soll das Geld kommen?" Vor allem die Höfe mit Viehhaltung sind in der Bredouille. Mehr Tierwohl wie von Gesellschaft und werbewirksam von Discountern gefordert, das bedeutet Investitionen in Um- oder Neubau von Ställen, da kommen schnell Millionenbeträge zusammen.

Wie soll es mit der Tierhaltung im Landkreis Haßberge weitergehen, wenn sich zum Beispiel keine Arbeitskräfte mehr für die Ferkelzucht (Symbolbild) finden?
Foto: Boris Roessler, dpa | Wie soll es mit der Tierhaltung im Landkreis Haßberge weitergehen, wenn sich zum Beispiel keine Arbeitskräfte mehr für die Ferkelzucht (Symbolbild) finden?

Horst Graser, eigenen Angaben zufolge mit 240 Muttersauen größter Ferkelzüchter im Landkreis, hat sich schon vor zwei Jahren entschlossen, tierwohlgerecht umzubauen - und denkt mit seinen fast 70 Jahren nun daran, die Stalltüren für immer zu schließen. Er hat beobachtet: Betriebe unter 300 Muttersauen hörten einer nach dem anderen auf, weil die großen Mastbetriebe ihre Ferkel lieber in Holland und Dänemark kauften. "Egal was Sie machen, ob Sie jetzt ein paar Euro hinschmeißen für den Strohstall oder nicht, wer soll denn die Arbeit machen?", sagt Graser zur Ministerin und spricht dabei nicht nur den Nachwuchsmangel bei den Viehzüchtern an. Sondern indirekt auch das neue Bayerische Programm für Zuchtsauen "BayProTier", das Erzeuger bei Investitionen in freundlichere Ställe unter die Arme greift.

Die bayerische Landwirtschaft "kann es doch besser"

"Wenn Sie sagen: Die paar Euro kann man hinschmeißen, dann tut mir das in der Seele weh", reagiert Kaniber betroffen. "Das demotiviert mich gerade so in meiner Arbeit." Ein Jahr habe es gedauert, das Programm zu schreiben und europarechtlich festzuklopfen. Und viele Betriebe hätten doch darauf gewartet und machten gerne mit. Und dann einfach kapitulieren? Das ist nicht Kanibers Sache. Denn dann produzierten andere, zum Beispiel Großbetriebe im Norden, meint die 44-Jährige. "Wir hier können es doch besser", versucht sie die deshalb ihre gut 60 Zuhörer zu motivieren.

Für viele von ihnen aber steckt der Teufel im Detail, zum Beispiel für Alexander Böhner aus Hainert, der 60 Milchkühe hält. Der Biobetrieb muss in wenigen Jahren der neuen Austreibepflicht nachkommen, sprich seinen Rindern das Weiden im Freien ermöglichen. "Bei uns in Unterfranken gibt es nicht viele Betriebe, die ihre Fläche um den Hof herum haben", erklärt Böhner der Besucherin aus Oberbayern. Und was sollen die Tiere draußen fressen, wenn es in der Region immer trockener wird?

"Wenn man kleinbäuerliche und regionale Landwirtschaft nicht mehr will, dann muss die deutsche und bayerische Politik genauso weitermachen wie bisher."
Klaus Merkel, BBV-Obmann im Landkreis Haßberge

Die Ministerin hört noch von vielen Sorgen, und muss Kritik einstecken. Etwa, dass Bayerns Bauern auf einer Breite von fünf Meter Gewässerrandstreifen nicht mehr bewirtschaften dürfen und dafür keine Entschädigung mehr bekommen sollen. Martin Gleichmann (Friesenhausen), der eine neue Güllegrube bauen muss, findet keine Baufirma. Kaniber wird gesteckt, dass es "keinen Spaß macht, mehr am Schreibtisch zu sitzen als zu produzieren", sie bekommt den Unmut über die fehlerhaften Nitratmessstellen zu spüren. Und vernimmt, wie bedrückend es ist, wenn die Kinder in der Schule gemobbt werden, weil die Eltern Landwirte sind.

Die Frau aus Bayerisch Gmain macht sich viele Notizen, verspricht schließlich, weiterhin mit allen Kräften für die Landwirtschaft zu kämpfen. Und wünschte sich wohl insgeheim von den Bauern auch etwas mehr Zuversicht und Selbstbewusstsein. Doch für Kreisobmann Klaus Merkel, eigentlich ihr Parteifreund, hat auch der Freitag eines nicht geändert: "Wenn man kleinbäuerliche und regionale Landwirtschaft nicht mehr will, dann muss die deutsche und bayerische Politik genauso weitermachen wie bisher."

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Gädheim
Haßfurt
Riedbach
Theres
Wonfurt
Breitbrunn
Eltmann
Kirchlauter
Königsberg
Stettfeld
Ebelsbach
Ebern
Pfarrweisach
Rentweinsdorf
Untermerzbach
Aidhausen
Hofheim
Bundorf
Burgpreppach
Ermershausen
Maroldsweisach
Knetzgau
Oberaurach
Rauhenebrach
Sand am Main
Zeil
Martin Sage
Bayerischer Bauernverband
Burnout-Syndrom
CSU
Cem Özdemir
Klaus Merkel
Landwirte und Bauern
Michaela Kaniber
Minister
Politikerinnen der CSU
Steffen Vogel
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • Arcus
    Sorry, aber wenn die Kanniber kommt, verstärkt sich bei mir Frust, Depression und Burn out. Hat diese Frau nicht kapiert, dass es ihr Kasperlverein war, der das was jetzt ist, von der CSU/CSU verursacht wurde.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • arnold.friedrich@t-online.de
    Ein großer Teil der Bevölkerung wünscht sich eine Landwirtschaft wie sie in Heimatfilme dargestellt wird, dann soll sie auch die Bauern bezahlen wie Schauspieler.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • ralfestenfeld@aol.com
    Berlin war schon immer Europa-orientiert in Sachen Landwirtschaft - nicht erst seit der Ampel. Und Europa sorgt primär für die Großen der Branche. Das wird sich kaum ändern - und somit bleibt die gepredigte Selbstversorgung in Deutschland auf der Strecke. Aber irgendwann wird uns dann - auch an dieser Stelle - China versorgen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • jebusara@web.de
    Gibt es Bauern die Nicht jammern? Deren Subventionen bekäme Otto Normal sicher auch gern aber der muss alles aus eigener Tasche bezahlen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Mic_Ro
    Diese Aussage entbehrt jeder Grundlage! Es gibt keinen. Bauern, der nicht am liebsten ganz ohne Subventionen auskommen möchte! Solche Aussagen zeigen von Böswilligkeit und Unwissen!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • schneidg
    Wie neulich in Brünnstadt. Bauern dürfen sich mal aus"sprechen" damit sie sich beachtet fühlen, Ampel-Bashing, die EU halt und weiter zum nächsten Termin. So ändert sich nichts. Ausgeräumte Landschaft, Kunstdünger, Spritzmittel ist das, was ich täglich sehe. Leider dafür keine Feldlerchen, Hasen, Insekten mehr.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • mail@marc-stuermer.de
    Tja, das ist den Politikern eben lieber als dass sich ein Traktor-Korso über die Autobahn auf den Weg nach München begibt und dort vorm Ministerium Mist ablädt. Auch irgendwie verständlich.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • nanuk
    Wir wollen doch noch mehr biologische Landwirtschaft, damit die Nester der Bodenbrüder und die kleinen Feldhasen weiterhin mit den Striegel aus der Flur gekämmt werden.
    Wie dumm sind wir ???
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • mail@marc-stuermer.de
    Beim Bauernstand gehört Jammern zur handwerklichen Grundausstattung. Wann bitte war dieser Berufszweig, der seit Jahrzehnten mit Milliarden an Subventionen zwanghaft am Leben gehalten wird, auch nur einmal so etwas wie zufrieden?

    Ich kann mich daran nicht erinnern. Dieser Berufsstand ist vor allem eines: verdammt unflexibel und viel zu sehr an die heilende Titte des Staates voll mit Steuergeldern gewohnt. Er kann gar nicht mehr anders, er braucht das Geld.

    Ich bin der Meinung: sofortige und ersatzlose Streichung aller Subventionen. Das wird dann endlich die alten, verkrusteten Strukturen aufbrechen und endlich für den Schub an Innovationen und Veränderung sorgen, den dieser lebende Leichnam braucht.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Siegfried.Mantel@t-online.de
    Ich kann Klaus Merkel nur selten zustimmen, aber in dem Fall muss ich es machen, wenn die Politik so weiter arbeitet wie bisher dann werden wir auch den letzten deutschen Bauern kleinkriegen, denn eines ist klar wenn in anderen Ländern Europas die Bauern wie in Polen einfach 800 Millionen für höhere Dünger Kosten bekommen oder wie in der Schweinekrise vor eineinhalb Jahren 25 € pro Kopf für das Schwein vom Staat, dann können die einfach problemlos überleben zumal die Arbeitskosten z.B in Polen um ein Vielfaches geringer sind als in Deutschland und man sieht an der Tendenz, dass immer mehr Großanleger erkannt haben dass die Leute aus Holland und Dänemark die schon in Polen sind, natürlich kostengünstig produzieren können, aber unsere Landwirte können nicht umziehen wie ein Industrieunternehmen, wenn die weggehen dann verbuscht das Land dann braucht es Landschaftspfleger das haben aber diese wenig wissenden Grünen Öko Freaks noch nicht begriffen, alles hängt mit allem irgendwo zusammen
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • ra.kellermann@gmx.de
    so ein süßes Foto...und wir essen die
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten