Sie sorgen für unsere Lebensmittel und haben schon deshalb eine tragende Rolle in der Gesellschaft – dennoch fehlt ihnen Anerkennung. So jedenfalls ist die Stimmung in der Landwirtschaft. Der Spagat zwischen Anspruch, Anforderung und Alltag wird auch auf den 7500 Bauernhöfen in Unterfranken immer schwieriger.
Das wurde beim Erntepressegespräch des Bayerischen Bauernverbandes (BBV) vor wenigen Tagen in Untermerzbach (Lkr. Haßberge) deutlich. BBV-Bezirkspräsident Stefan Köhler skizzierte mit einem Schuss Selbstironie, wie die Landwirtinnen und Landwirte in der Region drauf sind: Sie fänden immer was zum Jammern.
Seine Äußerung bezog sich auf die Erzfeinde vieler Landwirte: praxisfremde Politiker und übereifrige Naturschützer. Der Streit um die Einschränkungen wegen der Düngemittelverordnung und des Insektenschutzes sowie zuletzt die Proteste rund um die Bauernbewegung "Land schafft Verbindung" sind die Gipfel des Frusts geworden.
Eigentlich hätten die Landwirtinnen und Landwirte zumindest in Unterfranken gar nicht so viel Grund zur Klage: Heuer werde es wohl die beste Ernte seit drei Jahren geben, sagte Köhler. Unterm Strich war das Plus an Regen im Vergleich zu den Vorjahren ein Segen.
Ein bisschen Fluch auch, denn manche Felder in Region sind laut BBV vom vielen Wasser der vergangenen Wochen regelrecht zerstört oder für Landmaschinen unpassierbar gemacht worden. Hinzu komme Pilzbefall in Folge der Feuchtigkeit, wie zum Beispiel die Ramularia-Krankheit bei der Wintergerste, wie BBV-Obmann und Pflanzenbauberater Robert Bohla in Untermerzbach erläuterte.
Liegen die Unwägbarkeiten des Wetters in der Natur eines Bauernalltags, tun es die politischen Unwägbarkeiten offenbar nicht. Was Brüssel, Berlin und München entscheiden, "lässt unsere Jugend zweifeln, ob sie auf dem richtigen Weg sind", klagte BBV-Bezirkspräsident Köhler mit Blick auf den Nachwuchs in den Betrieben.
Angesprochen hat er zumindest einen damit nicht: Felix Reisenweber. Der 20-Jährige geht unbeirrt den Weg, in einigen Jahren den Bauernhof seines Vater Dieter Reisenweber in Untermerzbach zu übernehmen. Felix wird voraussichtlich 2023 seine Ausbildung zum Landwirtschaftsmeister abschließen. Er ist ein Beispiel dafür, dass die uralten Fertigkeiten der Bauern bis heute in Teilen der Jugend Anklang finden.
Bayern: Ausbildungsverhältnisse bei Landwirten rückläufig
Und das, obwohl die blanken Zahlen eine gedämpftere Stimmung verbreiten. So gibt es in Bayern bei den Landwirtinnen und Landwirten immer weniger Ausbildungsverhältnisse. Nach einem Hoch im Jahr 2016 (1495) waren es 2019 noch 1317. Ein derartigen Rückgang gibt es in kaum einem anderen der grünen Berufe.
Das geht aus Statistiken hervor, die das bayerische Landwirtschaftsministerium im vergangenen Jahr aufgrund einer Anfrage von Landtagsabgeordneten herausgegeben hat. Demnach ging in Unterfranken die Zahl der besetzten Lehrstellen im Bereich Landwirtschaft zwischen 2016 und 2019 um 15 Prozent auf 79 zurück.
All das juckt Felix Reisenweber nicht. Er sei von Kind an vom Beruf des Bauern überzeugt, sagt er. Ein Beruf, der ihm heute in arbeitsintensiven Zeiten eine Sieben-Tage-Woche und einen Arbeitstag von 6 bis manchmal 22 Uhr beschere.
Jung-Landwirt Felix Reisenweber: Und noch Zeit für Fußball
Hobbies bekommen da einen neuen Stellenwert. Bei Felix ist es der Fußball. Als Rechtsaußen beim SVM Untermerzbach spielt er in der A-Klasse. Bei einem Auswärtsspiel mit Hin- und Rückfahrt geht da schon mal ein halber Sonntag drauf. "Ich kriege schon irgendwie meinen Schlaf", beschreibt Felix den Kontrast zwischen Beruf und Freizeit.
Düngemittelverordnung, Insektenschutz, schlechtes Image der protestierenden Bäuerinnen und Bauern in Teilen der Bevölkerung: Dem jungen Untermerzbacher hat das die Euphorie für den Beruf noch nicht gedämpft. Dass das Umfeld in der Landwirtschaft steinig geworden ist, das sei halt so, sagt Felix Reisenweber.
Wenn's im Alltag dann doch mal schwierig ist, steht ihm immer noch Vater Dieter zur Seite. Der 53-Jährige hatte 1996 den Bauernhof seiner Eltern übernommen. "Wenn der Felix mal selber Familie hat", dann wolle er den Hof mit seinen 170 Hektar Ackerfläche und 80 Milchkühen Stück für Stück an den Sohn übergeben.
Im Durchschnitt 350 000 Euro Umsatz pro Jahr macht Landwirt Dieter Reisenweber. Das habe sich in der Vergangenheit kaum verändert. Er wolle nicht klagen. Denn: "Die Arbeit macht jeden Tag Spaß." Wenn da nicht die Politik wäre.