Sehr geehrte Frau Bär,
nachdem Sie Twitter seit vielen Jahren mit einer gewissen Hass-Liebe ("Auf Twitter sind ohnehin nur Politiker, Journalisten und Psychopathen unterwegs.") bedienen, erlebten Sie diese Woche gewiss nicht Ihren ersten Shitstorm – und es wird wohl nicht Ihr letzter sein. Immerhin gilt Twitter nicht gerade als Gute-Laune-Medium voller Katzenbilder und Urlaubsfotos aus Inselparadiesen.
Wer rege zwitschert und über einen gewissen Bekanntheitsgrad verfügt, muss damit rechnen, gelegentlich auf Gegenwind zu stoßen. Als Staatsministerin gehörte das bisher zu Ihrem politischen Tagesgeschäft. Doch Ihr neuester Aufreger-Tweet, Frau Bär, wirft für mich eine grundsätzliche Frage auf: Passt die CSU eigentlich noch in unsere Zeit?
Die Ampel-Regierung will mehr Verantwortung jenseits von Liebesbeziehungen
Es geht mir, wie Sie sicher ahnen, um Ihre Kritik am Konzept der Verantwortungsgemeinschaft. Diese Idee zur Modernisierung des Familienrechts findet sich im Koalitionsvertrag der künftigen Ampel-Regierung. Darin heißt es: Ein solche Gemeinschaft soll es künftig zwei oder mehr volljährigen Personen ermöglichen, "jenseits von Liebesbeziehungen oder der Ehe", rechtlich füreinander Verantwortung zu übernehmen. Das klingt für mich eher harmlos, aber auch noch reichlich vage.
Wie die Reform konkret aussehen soll, müssen wir also abwarten. Die Hamburger FDP-Abgeordnete Ria Schröder nennt als Anwendungsbeispiel jedoch die "Alten-WG". Nun dürfte niemand ernsthaft etwas dagegen haben, wenn Rentner, die zusammen in einer Wohngemeinschaft leben, bald das Recht erhalten, von einer Klinik Auskunft zu kriegen, wenn ihre Mitbewohner plötzlich ins Krankenhaus müssen. Warum auch?
Tja, damit wären wir leider wieder bei Ihnen, Frau Bär. Sie schreiben in Ihrem Tweet, dass Familien in der Pandemie ein Höchstmaß an Solidarität gezeigt hätten. Nun ja, das stimmt, wenngleich beispielweise auch Studierende, Singles oder Menschen in Seniorenheimen von gewaltigen Einschränkungen betroffen waren.
Hängt die CSU einem so verstaubten Weltbild an?
Weiter meinen Sie aber: Familien sollen nun "neben einer neuen, beliebigen sog. Verantwortungsgemeinschaft stehen". Damit trete die Ampel-Koalition nicht nur den Schutz von Ehe und Familie mit Füßen, sondern auch unser Grundgesetz, also sogar "die Fundamente unserer Gesellschaft". Entschuldigen Sie, aber das ist nun wirklich Unsinn.
Fühlen sich verheiratete Paare mit Kindern denn wirklich ungerecht behandelt, wenn eine alleinerziehende Mutter und ihre Schwester, die sie bei der Erziehung unterstützt, mehr Möglichkeiten haben, füreinander Verantwortung zu übernehmen? Würde das den Eltern, die während Corona lange durch Homeschooling und die mangelhafte Digitalisierung der Schulen – woran übrigens auch die CSU eine Mitschuld trägt – belastet waren, irgendwie schaden?
Nein, das glaube ich nicht. Traditionelle Familien werden durch die geplante Reform, soweit bekannt, in keiner Weise ihrer Rechte beraubt. Wozu also die Polemisierung, Frau Bär?
Ihre Ablehnung dieser Idee kann aus meiner Sicht eigentlich nur zwei Gründe haben: Entweder die CSU und Sie hängen wirklich einem äußerst verstaubeten Weltbild an, sind von der Angst vor Veränderung getrieben und blind dafür, dass es heutzutage viele Modelle des Zusammenlebens gibt, die vom Gesetzgeber nicht einfach ignoriert werden können.
Für diese Annahme würde sprechen, dass Sie und viele andere Unionspolitiker einst gegen die "Ehe für alle" gestimmt haben. Wenn das Ihr Bewegrund ist, sind die Christsozialen wohl tatsächlich in der Vergangenheit hängen geblieben und müssten sich als Partei der Mitte, sollte das noch der Anspruch sein, in gesellschaftspolitischen Fragen dringend modernisieren.
Wollen Sie sich so in Ihrer künftigen Rolle als Oppositionspolitikerin profilieren?
Oder haben Sie das Vorhaben der Ampel absichtlich als etwas radikaler interpretiert, als es in Wahrheit ist, um sich schonmal in Ihrer künftigen Rolle als Oppositionspolitikerin zu profilieren? War das vielleicht nur der erste von vielen Tweets unter #ampelfail, die wir von Ihnen bald zu lesen kriegen?
Ich hoffe jedenfalls nicht, dass die Panik in der CSU nach der Wahlniederlage so groß ist, dass dieser rhetorische Stil, Bevölkerungsgruppen gegeneinander auszuspielen, zur neuen Normalität bei Ihnen wird. Mit harter Kante gegen vermeintlich linke Identitätspolitik kann die Union zwar sicherlich Pluspunkte bei einigen Rechtskonservativen sammeln und vielleicht auch ein paar Wähler von der AfD zurückgewinnen, aber die Mehrheit der Bevölkerung wird das nicht goutieren – die ist nämlich doch vielfältiger, als Sie es offenbar glauben.
Mit freundlichen Grüßen
Corbinian Wildmeister, Redakteur
Aber hinsichtlich der Kritik der Dorothee Bär an der „Ehe für Alle“ muß ich ihr zustimmend beipflichten.
Der Koalitionsvertrag sagt aus, Familien sollen nun "neben einer neuen, beliebigen sog. Verantwortungsgemeinschaft stehen". In diese vage Formulierung interpretiert die MAIN POST nur Positives, ohne im Kern zu wissen, wohin die Reise geht.
Auch hier beschreitet das Land der Gut-Menschen einen Sonderweg. Die Kulturgeschichte zeigt, daß sich die Familie als solches über Jahrtausende bewährt hat. Von Japan bis Patagonien baut so zurecht ein jedes Land auf die Familie als kleinste Einheit des Staatwesens. Ein jedes Land? Nein – ein Land in Europa will hier neue Wege beschreiten, ohne zu sagen wohin überhaupt.
Vielehe jetzt als mehrköpfige „Verantwortungsgemeinschaft“? LGBTQ-Kommunen statt Vater-Mutter-Kind? Alles ist möglich mit Rot-Grün und ein wenig Gelb. Mir graut vor dieser Farbenvielfalt.
Oder habe ich nicht gemerkt dass dieser Beitrag ironisch gemeint ist?
Hochmut kommt vor dem Fall. Was hat Fr Bär eigentlich in der letzten Legislaturperiode umgesetzt? Genau…
Was sie umgesetzt hat? Luft, viel, viel (lau)warme Luft...
Ebenso wie die Würde des Menschen, die hier sowohl vom Redakteur als auch von der überwiegenden Mehrheit der Hassprediger hier (ein Grund für eine Sperre?) getreten wird!
Das Grundgesetz steht über allem!
die Parteien (auch die CSU) haben sich für gleichgeschlechtliche Partnerschaften eingesetzt! Das "Kümmern und Betreuen" wird doch schon Jahrelang praktiziert!
Die Diskussion geht doch komplett am Thema vorbei!
Idee zur Modernisierung des Familienrechts im Koalitionsvertrag ist nicht Familie! Eine Gemeinschaft zwischen zwei oder mehr volljährigen Personen, "jenseits von Liebesbeziehungen oder der Ehe"! rechtlich füreinander Verantwortung zu übernehmen geht doch!
Es gibt Vollmachten! Auch für die Schwester und Alleinerziehende Mutter gibts Lösungen! Verantwortung übernehmen geht also!
Was ist die Konsequenz? Steuerlich?
Also reines Bashing!
In der Sache sinnlos und aktionistisch und auch falsch! Fazit: Da hat Bär recht!
Tschüss und Viel Spass in Nigeria
Bin hier wohl der einzige Leser, der dieses Konstrukt völlig daneben hält und der sich fragt, wozu es dienlich sein könnte. Der Kommentar des Herrn Wildmeister ist insofern gelungen, dass er sehr einseitig ist, Frau Bär unfair angreift und die in der Bevölkerung allgemein vorherrschende Meinung absolut obsolet macht. 57 von 58 Leserbriefen folgen ihm wie hypnotisiert. Bedenklich.
Und Herr Wildmeister hat genau dieses rückständige Denken in vortrefflicher Weise analysiert .
Ich glaube allerdings, dass Verantwortungsgemeinschaft anders gemeint ist.
Alles andere wie die Alten WG und Schwestern etc ist heute per Vollmachten schon Realität. Der Konstrukt Verantwortungsgemeinschaft ist wohl realiter eine Einkommensgemeinschaft.
Zuzug sehe ich auch kritisch, hat aber erst einmal nichts mit Verantwortungsgemeinschaft zu tun.
Verantwortungsgemeinschaft vereinfacht die Übernahme von Verantwortung gegenüber Vollmachten.
Ist doch schön wenn etwas vereinfacht wird.