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Haßfurt
Rottmann statt Lang bei den Grünen in Haßfurt: Über Tiefpunkte, Wahlkampf-Themen und schwere taktische Fehler
Manuela Rottmann, die kurzfristig die erkrankte Ricarda Lang vertrat, glaubt, ihre Partei wird mit Themen punkten. Doch an der Basis ist auch Frust zu spüren.
Die Bundestagsabgeordnete Manuela Rottmann (Grüne) hält Söders Bindung an die Freien Wähler vor dem Urnengang in Bayern am 8. Oktober für einen schweren taktischen Fehler.
Foto: Martin Sage | Die Bundestagsabgeordnete Manuela Rottmann (Grüne) hält Söders Bindung an die Freien Wähler vor dem Urnengang in Bayern am 8. Oktober für einen schweren taktischen Fehler.
Martin Sage
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:57 Uhr

Wahlkampf bedeutet, Aufmerksamkeit zu erregen. Diesbezüglich wäre dem Kreisverband Haßberge von Bündnis 90/Die Grünen fast der große Coup gelungen. Die Grünen hatten von Ricarda Lang eine Zusage erhalten: Am Samstagabend würde die Bundesvorsitzende in Haßfurt auftreten. Lang polarisiert wie kaum eine zweite Person innerhalb der Ökopartei und in der Politik allgemein, genau das erzeugt Aufmerksamkeit. Doch kurzfristig muss die grüne Spitzenpolitikerin krankheitsbedingt absagen.

Pech für die Grünen in den Haßbergen. Ein Pech, das ein Stück weit ins Bild einer Partei passt, die – von der kommunalen bis zur Bundesebene – in der jüngeren Vergangenheit für alles als Buhmann herhalten muss, was tatsächlich oder vermeintlich schiefläuft. Eine Partei, die im bayerischen Landtagswahlkampf von CSU und Freien Wählern zum Hauptfeindbild erklärt wird. Und auch heftigen Anfeindungen aus der Bevölkerung ausgesetzt ist, die zuletzt am Wahlkampfstand des Landtagsabgeordneten Paul Knoblach in Schweinfurt eine neue Stufe erreicht haben.

Wie also sind die Befindlichkeiten der Grünen in der Region? Der Samstagabend bietet die Möglichkeit eines gewissen Einblicks. Denn die Veranstaltung im Kleinen Saal der Stadthalle fällt nicht aus, die Hammelburger Bundestagsabgeordnete Manuela Rottmann springt spontan für Ricarda Lang in die Bresche.

Mit dabei Lara Appel (Theres) und Roland Baumann (Oberaurach), die beide für den Landtag kandidieren. Baumann erklärt den gut 50 Zuhörerinnen und Zuhörern im Saal, dass seine Grünen im Wahlkampf "ordentlich auf die Mütze" kriegen. Als einen Tiefpunkt bezeichnet er die Aussage von Ministerpräsident Markus Söder (CSU), die Grünen passten mit ihrem Weltbild nicht zu Bayern. Was soll das heißen, fragt Baumann: Dass all die Ehrenamtlichen in seiner Partei im Freistaat nicht mehr willkommen seien? Wenn die demokratischen Kräfte so miteinander umgingen, dann profitierten nur "die undemokratischen Kräfte, die diese Demokratie abschaffen wollen".

In Bayern herrscht laut Manuela Rottmann Stillstand

Manuela Rottmann wirkt entspannt, fast abgebrüht, ein Politprofi mit dickem Fell. Sie glaubt, dass es sich für die Grünen auszahlt, bei den Themen zu bleiben und nicht auf politische Gegner einzudreschen. Dass der Landkreis Haßberge deutschlandweit zu den absoluten Schlusslichtern zählt, was die Erreichbarkeit mit dem ÖPNV anbelangt, ist so ein Thema für sie. Oder die Misere der kommunalen Kliniken, die Haßberg-Kliniken eingeschlossen. Bayern verlange stets nach Geld vom Bund, verschließe sich aber nun als einziges von 16 Bundesländern der überfälligen Strukturreform, kritisiert die Grünen-Politikerin.

In der Haßfurter Stadthalle stand das Rad am Samstag still. Da wehte kein Lüftchen. 
Foto: Martin Sage | In der Haßfurter Stadthalle stand das Rad am Samstag still. Da wehte kein Lüftchen. 

"Die CSU hat natürlich auch viel geleistet in diesem Land", erkennt Rottmann an. Doch seit Markus Söder 2018 Ministerpräsident geworden ist, herrsche Stillstand. Darüber könne auch das "Mia san Mia und Bier ist Bier" nicht hinwegtäuschen, mit dem der CSU-Chef die Menschen abzulenken versuche. Rottmann kann durchaus Attacke, etwa wenn sie sich darüber mokiert, dass Söder Jahr für Jahr Millionen Euro für Geburtstagskarten an seine Bürgerinnen und Bürger rauswerfe, anstatt das Geld in sinnvolle Projekte zu stecken. 

Aber der Ton an diesem Abend bleibt immer gemäßigt. Vielleicht, weil die Grünen doch noch auf eine Koalition mit der CSU hoffen? Rottmann, Baumann und Appel sind der Meinung, dass alle demokratischen Kräfte prinzipiell koalitionsfähig sein sollten. Die klare Absage von Söder an Schwarz-Grün sei ein schwerer taktischer Fehler, der die Freien Wähler stark mache, ist sich die Bundestagsabgeordnete sicher.

Wehrt sich die Partei zu wenig gegen Attacken?

Das Publikum in der Stadthalle, im Wesentlichen Mitglieder oder der Öko-Partei gegenüber positiv eingestellt, sieht aber auch Fehler bei den Grünen. Das kommt nicht direkt zur Sprache, auch nicht, als der Saal per Zettel Fragen an Rottmann, Appel und Baumann stellen darf. Sondern bei den Gesprächen am Rande. Da ist Enttäuschung zu spüren, dass die grünen Spitzenpolitiker die ständigen Vorwürfe wie den, Verbotspartei zu sein, ohne wirkliche Gegenwehr über sich ergehen lassen.

Und auch in den Haßbergen sind Mitglieder und Fans der Grünen frustriert darüber, wie wenig sich ihre Partei in die Ampel einbringen konnte. "Die haben sich noch nicht mal beim Tempolimit durchgesetzt", klagt ein Zuhörer, der deshalb am Sinn der grünen Regierungsbeteiligung zweifelt. 

Grüne wollen Nummer 2 hinter der CSU werden

Manuela Rottmann ist zuversichtlich, dass ihre Partei bei der Landtagswahl am 8. Oktober die Nummer 2 hinter der CSU werden kann. 15 Prozent der Wählerstimmen sollten es schon sein. Sie sieht motivierte, engagierte, kompetente Kandidatinnen und Kandidaten in den eigenen Reihen. Zumindest in der grünen Basis ist jedoch auch Verunsicherung, wenn nicht Entmutigung zu spüren. Ob Ricarda Lang das geändert hätte?

 
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  • Hubert Endres
    Das gerade die Grünen sich über einen fairen Umgang untereinander beschweren ist schon lächerlich. Gerade diese Partei hat doch mit üblen Aussagen dieses Land beschmutzt. Unsere Umwelt und Natur sollten andere retten, nicht diese unfähige Partei. Und Frau Rottmann , von Ihnen bin ich enttäuscht. Bei einem Besuch in unserer Gemeinde vor einigen Jahren hatten sie noch gute Ansätze. Aber das ist Vergangenheit. Wollte sie nicht BGM in Frankfurt werden ? Da passen die Grünen hin.
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  • Helga Scherendorn
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  • Manfred Englert
    Fortsetzung zum vorherigen Kommentar: Herr Habeck spricht heute, nach Verhandlungsanleitungen an Frau Baerbock, im Übrigen vom "Annehmen der Realität", was doch eigentlich im Umkehrschluß heißen will, daß Grün bisher die Realität verweigert hat oder einfach nicht sah! Dieser Aussage schließt sich Herr Nouripour an.
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  • Gerhard Müller
    Wenn der Blick des Redakteurs etwas weiter geschweift wäre, würde er sehen, dass gerade in Unterfranken die Grünen gut zusammen halten und sich nicht von Hetze und Populismus beirren lassen. Die Neumitglieder nehmen zu, haben derzeit Höchststand und eine Verdoppelung seit der letzten Landtagswahl. MdB, MdLs und Bezirksrät*innen arbeiten harmonisch und erfolgreich, das Bezirkspräsidium effektiv wie nie. Würzburg Stadt und Land weiter eine Hochburg in ganz Bayern. Der Gegenwind spornt an, rufen Sie mich doch mal an grinsenbeste Grüße, Gerhard Müller, Bezirksrat
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  • Roland Albert
    Und dann kommen 50 Leute zu der Veranstaltung? Willkommen in der Realität.
    Die Zahl spiegelt die verhältnismässigen Prozentpunkte wider, die die Grünen am Sonntag erreichen werden.
    Hier von Koalitionsanspruch zu sprechen ist blanker Hohn.
    Wir sprechen nach dem Wahlsonntag weiter, wenns dann für Grün ausser Lamento noch was zu besprechen geben wird…
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  • Martin Sage
    Hallo Herr Müller,
    danke für die Rückmeldung und das Gesprächsangebot. Ich komme nach dem Feiertag gerne darauf zurück!
    Mit freundlichen Grüßen, Martin Sage
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  • Manfred Englert
    Herr Sage, ich fand Ihren Bericht zu dieser Veranstaltung informativ, ausgewogen und fair.

    Mich würde dann nur noch interessieren, weshalb Sie nach dem Feiertag Herrn Müller in einer Art "Privataudienz" nochmal Gelegenheit zu Wahlwerbung geben wollen?!

    Die Grünen stellen sich jammernd zur Wahl und beklagen sich über den rauen Wind, der dieser Partei entgegenweht .

    Es gab mal Zeiten in denen die csu sich hätte vorstellen können, mit den Grünen zu koalieren.
    Dies machten aber speziell deren Bundes Politiker zunichte, weil die den "Leuten nicht mehr aufs Maul"schauen und reagieren, sondern die Sorgen der Bevölkerung ihren Ideologien opfern.
    Was unsere Bürger bewegt ist vor allem der ungeregelte Zuzug von Migranten, unter dem Verdacht der Zusammenarbeit der durch Frau Barbock gesponserten Rettungsschiffe mit kriminellen Schleußern, wie focus.de/focus-online-exvlusiv-wie-seenotretter-mit-schleppern-zusammenarbeiten- mit der Überschrift: "Abgekartetes Spiel". Plus Freigabe von Drogen!
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  • Martin Sage
    Hallo Herr Englert,
    es geht um hier um ein Gespräch, nicht um Berichterstattung.
    Der Austausch mit den Menschen und ihren ganz unterschiedlichen Sichtweisen, Ideen, Überzeugungen ist für uns ja essenziell.
    Mit freundlichen Grüßen aus der Redaktion,

    Martin Sage
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  • Manfred Englert
    Danke für Ihre Antwort
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  • Lutz Saubert
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