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Politikum Gänseplage: Warum die Bauern die Zeche zahlen müssen
Landwirt Robert Hetterich aus Zeil bezeichnet den Schaden pro Acker mit rund 12.000 Euro, den die explodierende Gänsepopulation anrichtet. Was bedeutet das für die Bauern?
Der amtierende Sander Bürgermeister Julian Müller schätzt die Nilgans (unser Foto) als invasiv, rabiat und für andere Wasservögel gefährlich ein.
Foto: Fredrik von Erichsen, dpa | Der amtierende Sander Bürgermeister Julian Müller schätzt die Nilgans (unser Foto) als invasiv, rabiat und für andere Wasservögel gefährlich ein.
Wolfgang Sandler
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:07 Uhr

Robert Hetterich, auch als "Bauer Robert" im weiten Umfeld von Zeil bekannt, versucht sich vorsichtig auszudrücken. "Der Naturschutz ist da manchmal etwas unflexibel." Obwohl es ihm schwerfällt, beim Thema Gänseplage im Maintal die Ruhe zu bewahren. "Wenn ein Acker weg ist, sind rund 12.000 Euro weg", so sein nüchternes und gleichzeitig ernüchterndes Urteil. Bis vor etwa zwei Jahren, erinnert sich der Landwirt, hätten Bauern für den entstandenen Schaden im Rahmen eines Pilotprojektes Entschädigungen beim Freistaat beantragen können. Zumindest fünfzig Prozent seien in der Regel erstattet worden. Nach Intervention des Rechnungshofes sei dieses Entgegenkommen der Staatsregierung aber eingestellt worden.

Hoffen auf die Politik

Graugänse, Kanadagänse und Nilgänse könnten also fröhlich weiter ihr Unwesen treiben "und die Rechnung bezahlen wir Landwirte", so Bauer Robert. Wie es weitergeht? "Das steht in den Sternen." Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber, die vor wenigen Tagen zu Besuch im Maintal weilte und sich die Sorgen der Bauern anhörte, sowie Landtagsabgeordneter Steffen Vogel hätten zugesagt, so Hetterich, sich für die Interessen der betroffenen Landwirte einsetzen zu wollen. "Und ich bin zuversichtlich, dass sie das auch tun", sagt Hetterich, aber für dieses Jahr sei der Entschädigungszug ohnehin abgefahren und "für die Folgejahre fraglich".

"Die fressen gezielt nur das Junge aus der Pflanze, die Herzlich, raus. Das führt zum Totalschaden an der Pflanze."
Robert Hetterich, Landwirt

Eine schnelle Lösung außerhalb einer Entschädigung sieht der gänsegeplagte Landwirt kaum. Das Problem stelle sich ja nicht lokal oder regional dar, sondern sei ein bundes-, ja teils europaweites. Die zur Debatte stehenden Maßnahmen wie Eieranstechen seien "schön und gut", aber wenn zum Beispiel das Werkzeug der Verbrämung (Abschuss einzelner Gänse als abschreckende Maßnahme für die Artgenossen, die Red.) angewandt würde, wichen die Vögel eben auf das Feld des Nachbarn aus. "Das kann nicht die Lösung sein." Wenn es "nur" zehn oder 20 Gänse wären, "wär's net so schlimm", sagt Bauer Robert, "aber 500 sind ein politisches Problem - und wir sind die Leidtragenden". Zudem legten die Großvögel eine Art "System" an den Tag. "Die fressen gezielt nur das Junge aus der Pflanze, die Herzlich, raus. Das führt zum Totalschaden an der Pflanze."

Nilgänse hinterlassen eine große Menge an Kot

Und apropos Pflanze. Eine Nilgans kann pro Tag "Tretminen" von rund 400 bis 500 Gramm absetzen. Und was hinten rauskommt, muss vorne erst einmal hineingestopft werden. Das bedeutet bei etwa 2000 Gänsen täglich eine Nahrungsaufnahme von über einer Tonne Grünfutter. Zumindest handele es sich bei dem Kot um keine höchstinfektiösen Hinterlassenschaften, sondern zum Großteil um schlecht verdautes Gras. Aber es ist ekelig, und als negativer Nebeneffekt würden so Samen von Unkrautpflanzen auf die Felder gelangen, klagt Robert Hetterich.

"Mit dem Ergebnis, das in den letzten acht Jahren vom Gänse-Management erreicht wurde, kann man nicht zufrieden sein."
Julian Müller, 2. Bürgermeister von Sand

Julian Müller beschäftigt sich gleich in dreifacher Verantwortung mit der Gänseplage. Zum einen ist er ausgebildeter Jäger, ferner als 2. Bürgermeister von Sand derzeit das Oberhaupt der Kommune im Landkreis, deren Flur am ärgsten in Mitleidenschaft gezogen ist, und er leitet das Büro des Landtagsabgeordneten Steffen Vogel, der sich von Mandats wegen mit der Problematik befasst. "Mit dem Ergebnis, das in den letzten acht Jahren vom Gänse-Management erreicht wurde, kann man nicht zufrieden sein", ist Müllers klares Resümee.

Population seit Jahren stabil

Die Gänsepopulation sei von 1200 auf 2500 bis 3500 gestiegen und seit zwei bis drei Jahren stabil. Dies sieht Julian Müller jedoch nicht als Folge des Gänse-Managements, sondern seiner Meinung nach ist einfach eine Sättigung erreicht, mehr Gänse kann die Region nicht mehr ernähren. Müller gibt Bauer Robert Recht, was die Intelligenz des Federviehs angeht. "Die finden sogar heraus, wo ein Jagdrevier endet und lassen sich dann auf dem Nachbargrundstück nieder, weil sie wissen, dass sie dort nicht bejagt werden dürfen. Und sie erkennen auch das Auto des Jägers."

Gegen die Gänseplage - hier eine Kanadagans bei Start - haben selbst stolze Schwäne oft das Nachsehen.
Foto: Gerhard Hirsch | Gegen die Gänseplage - hier eine Kanadagans bei Start - haben selbst stolze Schwäne oft das Nachsehen.

Der 2. Bürgermeister von Sand sieht besonders die Nilgänse als Problem an. "Die sind invasiv, rabiat und bringen alles um, was nicht bei drei auf den Bäumen ist", beschreibt Müller das Verhalten dieser aus Afrika eingewanderten Art. Es sei nachgewiesen, dass Nilgänse die Küken anderer Wasservogelarten töten, diesen die besten Nistplätze wegnehmen. "In der Sander Flur sind inzwischen heimische Arten wie die Stockenten bedroht."

Heiligt der Zweck die Mittel?

Auch Müller weiß, dass die Bekämpfung der Schädlinge sehr mühsam ist. Bei der "Gelegebehandlung" müsse sichergestellt sein, dass im anzustechenden Ei noch kein Embryo ausgebildet ist. Auch müsse mindestens ein Ei im Nest bleiben, aus dem ein Küken schlüpfen kann. Sonst würde die Gans sich ein anderes, sichereres Nest suchen und dort neue Eier legen. Wenn sich auf Dauer nichts ändert, so Julian Müller, müsse man als ultima ratio auch einmal über Methoden nachdenken, die derzeit noch als  "nicht einwandfrei" erachtet würden.

Die Auswahl von geeigneten Managementmaßnahmen und deren konsequente Umsetzung sind wichtige Bausteine für ein erfolgreiches Gänsemanagement, heißt es auf der Website der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL). Je nach Auswirkung können Maßnahmen in letale (tödliche, die Red.) und nicht letale Maßnahmen unterschieden werden. Folgende Maßnahmen, die gelegentlich in die Diskussion gebracht würden, haben laut LfL  in Bayern keine Rechtsgrundlage: Bejagung von Junggesellentrupps, Junggansentnahme, Fang mausernder Nichtbrüter, Vergasung mausernder Gänse, Schießen von Altvögeln auf dem Nest, Verhütung, chemische Vergrämung und Umsiedlungen.

Graugänse im Anflug auf ein unterfränkisches Gewässer.
Foto: Peter Pillich | Graugänse im Anflug auf ein unterfränkisches Gewässer.

Vernichtend fällt auch das Urteil von MdL, CSU-Kreisvorsitzendem und Jäger Steffen Vogel über das Gänse-Management aus. "Außer vertaner Zeit und verbrauchtem Geld ist dabei nichts herausgekommen. Die Gänse sind noch da, also hat es nichts gebracht." Man müsse folglich neu überlegen, was für eine Reduzierung des Federviehs sorgen könne. Seines Erachtens handele es sich bei dem "Gänseüberfall" um einen Fall von höherer Gewalt, so dass der Freistaat durchaus Entschädigungen zahlen könne.

MdL Vogel trifft sich mit Landwirten im Juni

Als Jäger weiß Vogel, dass "man gar nicht so viele schießen kann, dass es etwas bringt". Man müsse nun "im Ministerium Dampf" machen. Davor gelte es herauszufinden, ob immer die gleichen Flächen betroffen seien, ob es Flächen gebe, die nicht von den Gänsen aufgesucht würden: Wie hoch wäre die Entschädigung, wenn denn wieder eine solche gezahlt würde? Im Juni, darauf weist Vogel hin, werde er sich eigens noch einmal mit betroffenen Landwirten aus der Region treffen, um dieses Problem ausführlich zu diskutieren und nach möglichen Lösungen oder Hilfen für die Bauern zu suchen.

 
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