Was für ein falscher Ausdruck: „Dumme Gans“. Das Gegenteil ist der Fall. Diese Erfahrung macht Christian Wagner allzu oft. Seit mehr als zwei Jahren ist er Projektkoordinator für das „Management von Wildgänsen“ im Maintal in den Landkreisen Bamberg und Haßberge.
Tausende Euro Schaden
Zurzeit ist er wieder mit Helfern unterwegs, um die gefiederten Maintal-Bewohner zu zählen. Ins Leben gerufen wurde das Projekt, weil die Tiere seit Jahren für Konfliktpotenzial sorgen. Zum einen in der Landwirtschaft: Immer größer wurden die Wildgans-Populationen und damit verbunden deren Hunger. Tausende Euro Schaden im Jahr beklagten so allein Landwirte in der Sander Gemarkung. Hinzu kamen die unliebsamen Hinterlassenschaften der Tiere auf Freizeitflächen.
Zumindest hoffnungsvoll stimmen Ergebnisse der Vogelzählungen aus dem vergangenen Jahr: „Die Zahl der Gänse ist zurückgegangen. Auch im Bereich Sand gibt es erste Erfolge“, so Christian Wagner beim Pressetermin an den Baggerseen bei Oberhaid (Lkr. Bamberg). Allerdings nicht so, wie es am Montagmorgen zu sehen ist: Gerade mal ein Nilgans-Pärchen ist auf einem der Seen zu sehen. Und beim Blick durchs Fernglasen zeigen sie dem Betrachter auch lediglich ihren Allerwertesten.
Und auch an den anderen Seen ist nichts zu sehen von Nil-, Kanada- und Graugänsen. „Die sind ausgeflogen zum Fressen“, so die Einschätzung von Wagner.
Wintergetreide abgefressen
Dass sie in dieser Gegend dennoch zu Gange sind, ist auch trotz der leichten Schneedecke zu erkennen, spätestens dann, wenn Wagner in Ufernähe den Schnee ein wenig zur Seite schiebt: Das Wintergetreide ist abgefressen. Spitzen auf der den Seen entlegenen Seite des Feldes noch Blätter durch die Schneedecke, sind in Ufernähe die Fressspuren deutlich zu sehen.
Es ist hier ein idealer Platz für die Tiere, so Wagner, und er deutet zu den Kiesgruben. Auf dem Wasser sind die Tiere sicher. In den Seen sind kleine Inseln. Ideal, um Nachwuchs zu bekommen. Und gleich im Anschluss an die Seen sind die Nahrungsflächen, mit allem, was saftig und nährstoffreich ist: Raps, Wintergetreide, im Sommer Mais und, was Schadenssummen richtig nach oben treiben kann: Sonderkulturen, wie etwa Karotten. „Das ist ein optimales Habitat“, so der Mitarbeiter der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) und Leiter der Arbeitsgruppe „Wildtiere in der Agrarlandschaft“.
Und nicht nur hier haben die Tiere optimale Voraussetzungen, sondern „so geht es das ganze Maintal entlang“, so Wagner. Wie berichtet, gibt es ähnliche Probleme mit Wildgänsen auch aus dem Landkreisen Schweinfurt, Kitzingen und Lichtenfels.
Heftige Reaktionen
Heftige Reaktionen hatte das Anwachsen der Wildgänse-Populationen und der damit verbundenen Schäden in den vergangenen Jahren immer wieder im Bereich der Gemeinde Sand ausgelöst. Und so wurde das Projekt im Herbst 2014 ins Leben gerufen. Zwei Projektgebiete gibt es: Das Altmühltal und das Maintal in den Landkreisen Haßberge und Bamberg. Mit Mitteln des Landwirtschaftsministeriums wurde die Projektgruppe „Management von Wildgänsen im Maintal“ gestartet. Ziel: Alle Betroffenen sollen dabei mit eingebunden sein. Mit dabei sind Vertreter der Landwirtschaft, der Jagd, des Naturschutzes, der Gemeinden und Landratsämter (Naturschutzbehörden und Jagdbehörden) sowie Flächennutzer. Sie diskutieren Vorhaben, wie die Schäden geringer gehalten werden können, aber helfen auch bei der Umsetzung von Vorhaben.
Elf solcher Sitzungen der Projektgruppe hat es inzwischen gegeben, berichtet Wagner. Und es wurde auf verschiedenen Ebenen angesetzt, um die Populationen der Wildgänse zu verringern, um „ein akzeptiertes Miteinander von Wildgänsen und Landwirten zu erreichen“, wie es auch das LfL als Ziel formuliert. Ansatzpunkte sind die Populationskontrolle und die Populationslenkung, so Wagner.
Jäger ziehen mit
Ein wichtiges Instrument der Populationskontrolle ist die Jagd. Durch das Landwirtschaftsministerium wurden die Jagdzeiten für die Wildgänse erweitert. „Die Abschüsse sind deutlich gestiegen“, so Wagner, zudem werde effizient gejagt. Wie immer wieder berichtet, hatten die Gänse sehr schnell bemerkt, wenn sie bejagt wurden und entsprechend schwer war es für die Jägerschaft. Wagner: „Die Jäger ziehen voll mit, ohne sie würde es nicht gehen.“ Die Jäger organisieren so unter anderem im Maintal revierübergreifende Jagden. Zudem hat die LfL eine Broschüre herausgegeben, die die Jäger unterstützen und die Wildgans aus dem Maintal als Nahrungsmittel aufwerten soll.
Ein weiteres Mittel der Populationskontrolle ist die sogenannte Gelegebehandlung. Wenn etwa sechs Eier in einem Gelege sind, werden vier davon „angestochen“, so dass dort kein Nachwuchs mehr zu erwarten ist. Allerdings ist dies mit strengen Vorgaben möglich.
Die Eier werden vorher durchleuchtet, ist ein Fötus zu sehen, darf das Ei nicht behandelt werden. Die Gelege dürfen nur im Rahmen des Forschungsvorhabens behandelt werden. Zudem wird dies bayernweit nur in drei Gebieten durchgeführt, eines davon ist das Maintal. Im vergangenen Jahr wurde dies zum ersten Mal praktiziert, 70 Gelege wurden behandelt. Auch 2017 soll dies wieder geschehen.
Übergänge für Füchse
Eine weitere Variante die Population zu kontrollieren: Dafür zu sorgen, dass es den Gänsen auf ihren Inseln in den Kiesgruben nicht mehr gefällt. Und das ist der Fall, wenn Füchse die Möglichkeit haben, auf die Inseln zu kommen. Das hat in Sand funktioniert, berichtet Wagner. Denn Gänse sind nun mal nicht dumm. Sie bemerken, wenn es eine Furt für den Fuchs zur Insel gibt und lassen sich dort dann gleich gar nicht nieder.
Ein Mitglied der Projektgruppe ist Klaus Pieroth von der Geschäftsstelle des Bayerischen Bauernverbands in Hofheim. Seine Einschätzung: Am Brennpunkt in Sand ist die Zahl der Tiere im vergangenen Sommer tatsächlich zurückgegangen. Allerdings müsse man genau beobachten, ob die Aktivitäten, die getätigt wurden, tatsächlich die Ursachen für den Rückgang waren. Und auch, ob dies alles nachhaltig war und nicht etwa nur eine Verteilung der Vögel stattgefunden hat. Er ist allerdings zuversichtlich, „dass wir auf dem richtigen Weg sind“. Und Pieroth hofft, dass das Projekt, das Ende des Jahres auslaufen soll, verlängert wird.
Für Verlängerung des Projekts
Denn allein in der Sander Gemarkung lagen die Schäden in den vergangenen Jahren jeweils zwischen 20 000 und 30 000 Euro. Entschädigung gab es für die Landwirte ab einem Schaden von über 2500 Euro in Höhe von 50 Prozent. Als Schadenssumme konnten auch mehrere Jahre zusammengefasst werden. Mit dem Ende des Projekts, würde auch die Entschädigung zum Ende des Jahres auslaufen.