Unter dem Motto "Platz nehmen für die Demokratie" stand am Mittwoch, 8. Mai, eine Kundgebung auf dem Haßfurter Marktplatz. Rund 200 Menschen nahmen an der vom "Bündnis für Demokratie", dem Verein "Stolpersteine" und der Evangelischen Kirchengemeinde Haßfurt initiierten Veranstaltung teil. Der Tag war bewusst gewählt, denn am 8. Mai 1945 wurde Deutschland mit der offiziellen Beendigung des Zweiten Weltkriegs vom Nationalsozialismus befreit.
Sitz-Demo als Form des Widerstands und friedlichen Protests
In der Vorankündigung zu der als Demonstration angemeldeten Gedenkveranstaltung waren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer aufgefordert worden, Sitzgelegenheiten mitzubringen. Was der Gedanke dahinter war, erläuterte Kim Davey, stellvertretende Vorsitzende des Vereins "Stolpersteine":
"Unser Akt des Sitzens kann selbst als eine Form des Widerstands gesehen werden, wie bei Sit-ins oder anderen Formen des friedlichen Protests. Und so widersetzen wir uns hier und heute, aktiv und bildlich, gegen eine Wiederholung des Unrechts und der Menschenverachtung, gegen eine Verherrlichung von nationalsozialistischem Gedankengut, gegen Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit."
Landrat Wilhelm Schneider (CSU) warnte vor dem "Vergessen wollen" von Unrecht. Damit würden Menschen blind für das Heute, für die erstarkenden Gedanken derjenigen, die im Grauen des Dritten Reichs sogar Gutes suchen. "Wer blind für die Vergangenheit ist, erkennt den Wolf im Schafspelz nicht", so Schneider.
Auch der Landkreis Haßberge leiste seinen Beitrag zum friedlichen Miteinander. 1974 wurde die deutsch-französische Partnerschaft mit dem District du Tricastin auf den Weg gebracht, die heuer ihr 50-jähriges Bestehen feiert. Freundschaften mit Schweden, Israel und Polen schlossen sich an. Und der Landkreis zeige seine jüngste Verbundenheit mit der Freundschaft zur Ukraine, erklärte der Landrat.
Zwei Jugendliche aus der Ukraine schilderten ihre Erlebnisse
Der 15-jährige Yehor aus Odessa und die 17-jährige Kseniia aus Donezk schilderten ihre persönlichen Erlebnisse beim Kriegsausbruch in der Ukraine vor zwei Jahren. Mit ihren Familien flüchteten die beiden Jugendlichen nach Deutschland und fanden in Haßfurt ein neues Zuhause. Yehor zeigte eine Flagge seines Vaters, der als Soldat in der Ukraine bis heute um die Freiheit des Landes kämpft.
"Es war beängstigend, als im März 2022 die ersten Bomben explodierten", erzählte Yehor und beschrieb, wie schrecklich es für ihn auf der Flucht war, als tausende Menschen die Bahnhöfe stürmten. "Warum wiederholt sich die Geschichte? Warum werden Menschen getötet?", fragte der junge Ukrainer und hob auch das Schicksal eines seiner Schulkameraden hervor, der durch den Angriffskrieg ein Bein verloren habe. Noch Schlimmeres erlebte Kseniia, deren Vater ebenfalls als Soldat in der Ukraine zurückblieb und bei der Verteidigung des Landes getötet wurde.
Pfarrer Thomas Prusseit erinnerte an die Rede des ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker (CDU), der den 8. Mai 1945 als "Tag der Befreiung" bezeichnet hatte, an dem Deutschland von dem menschenverachtenden Regime der Nationalsozialisten befreit wurde. An das Geschehen bei Kriegsende in Haßfurt und die 415 gefallenen Männer erinnerte Valentin Schnapp.
Der Landesschülersprecher der bayerischen Gymnasien, Heinrich Ritter, forderte aus Schülersicht ein friedliches Miteinander. "Mit Demokratiefeinden darf man keine Koalition eingehen", brachte Dieter Schürmann von der Initiative "Omas gegen Rechts" als Opa eine Forderung an die Politik vor.