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Haßfurt
Stirbt die Innenstadt aus? Viele Haßfurter sind frustriert über Ladensterben und fehlendes Stadtleben
Eine Umfrage der Redaktion zeigt, dass die Befragten einen Abwärtstrend sehen, der sich für sie nur schwerlich aufhalten lässt. Es fehlt das besondere Stadtflair.
Von links nach rechts: Maria Wittig, Alexander Wehnert, Karin Fesser,  Dirk Stöhr, Lea Raab, Khalil Hosni, Annette Söder, Philliph Elsmann, Ilse Steinmetz sowie Tanja und Jörg Heithecker.
Foto: Jonas Pfeuffer | Von links nach rechts: Maria Wittig, Alexander Wehnert, Karin Fesser,  Dirk Stöhr, Lea Raab, Khalil Hosni, Annette Söder, Philliph Elsmann, Ilse Steinmetz sowie Tanja und Jörg Heithecker.
Jonas Pfeuffer
 |  aktualisiert: 13.04.2024 02:42 Uhr

Die Stadt leidet, die Bürgerinnen und Bürger auch: Haßfurts Innenstadt scheint seit Jahren an Attraktivität zu verlieren. Kleine Läden und charmante Lokalitäten verschwinden, Großhandelsketten siedeln sich an. Dadurch verschwindet die Seele der Stadt immer mehr. Und eine Sache ist allen bewusst: Ein städtisches Miteinander gibt es kaum mehr. Die Meinungen der Bürger haben wir uns deshalb einmal angehört ...

1. Lea Raab, 22 Jahre, Fachangestellte für Medien und Informationsdienste (Farmi) aus Knetzgau

Lea Raab aus dem BIZ denkt an die Menschen aller Generationen.
Foto: Jonas Pfeuffer | Lea Raab aus dem BIZ denkt an die Menschen aller Generationen.

"Der Wegzug der Geschäfte ist schon belastend. Grundsätzlich finde ich es in Städten schön, wenn es eine Zone zum Bummeln gibt. Oder einfach, wo man den Charakter der Stadt erleben kann. Ein urbanes Miteinander finde ich sehr wichtig. Das deckt bei uns ja ein wenig die Hauptstraße ab. Was ich deshalb besonders schade fand, war die Schließung vom Osiander. Für das Stöbern gibt es schließlich immer weniger Läden. Und deshalb bin ich dankbar, dass noch der familienfreundliche Bücherladen an der Ritterkapelle da ist. Oder das peppige BIZ. Ich weiß noch, dass man in der Kinderecke des Buchladens spielen konnte. Solche Elemente fehlen heute im Rest von Haßfurt halt total. Es ist also super wichtig, etwas für die Generationen zu machen. Aber ein Großteil der Einwohner ist bereits älter. Die muss man auch berücksichtigen. Deshalb ist es besonders schade, dass ein Büchergeschäft schließen muss, während ein Technikladen aufmacht. Es ist wichtig die Bedürfnisse von allen abzudecken."

2. Annette Söder, 65 Jahre, aus Bamberg (gebürtig aus Haßfurt)

Annette Söder vergleicht Haßfurt und Bamberg.
Foto: Jonas Pfeuffer | Annette Söder vergleicht Haßfurt und Bamberg.

"Das ist ja schon lange zu beobachten: Haßfurt stirbt aus! Also in der Innenstadt ist ja nichts mehr los. Keine Gastronomie. Wo will man am Abend hin? Es ist jedes mal ein Problem, wenn ich mich mit einer Freundin treffe. Was sollen wir hier schon machen? Es gibt halt einfach nichts mehr. Cafés ja, Gastronomie gibt es schon auch noch - aber es lässt alles nach, weil einfach kein Personal da ist. Die haben keine Leute mehr. Am Wochenende wird zugemacht, es haben die Kneipen oft nicht auf. Und was halt einfach so wichtig ist, aber auch in Bamberg fehlt: so kleine individuelle Läden. Die machen auf - vielleicht ein Jahr - und dann machen sie wieder zu. Mir fehlt das Ikonische, was eine Stadt ausmacht. Das einzigartige Miteinander, was man von früher auch vom Land kannte."

"Das ist ja schon lange zu beobachten: Haßfurt stirbt aus!"
- Annette Söder (65, aus Bamberg)

3. Philliph Elsmann, 20 Jahre, Student aus Haßfurt (gebürtig aus Potsdam/ studierend in Bamberg)

Philliph Elsmann vermisst vieles an Berlin und Potsdam in Haßfurt.
Foto: Jonas Pfeuffer | Philliph Elsmann vermisst vieles an Berlin und Potsdam in Haßfurt.

"Ich bin ja noch gar nicht so lange hier, aber man merkt, dass die Läden in Haßfurt eher für die älteren Menschen sind. Auch Geschäfte zum Einkaufen gibt es in der Innenstadt nur wenige. Aber vor allem vermisse ich Spieleläden, in denen man mit anderen Gleichgesinnten ein wenig Zeit verbringen kann. Ich bin nämlich ein absoluter Brettspiel-Nerd. Natürlich kann ich mich wirklich nicht beschweren. Schließlich bin ich aus Liebe hier runter gekommen, habe eine tolle Freundin und damit zugleich eine wirklich liebe Hündin dazubekommen. Aber ich vermisse den Kontakt zu anderen jungen Leuten schon sehr. Man merkt einfach, dass es - im Vergleich zu Berlin oder Potsdam - in Haßfurt kaum Möglichkeiten gibt, sich einmal mit anderen irgendwo zu treffen. Ein städtisches Miteinander habe ich abseits von der Familie meiner Freundin hier kaum erlebt."

4. Khalil Hosni, 37 Jahre, Lagerarbeiter aus Eltmann

Khalil Hosni spricht über die Mieten in Haßfurt.
Foto: Jonas Pfeuffer | Khalil Hosni spricht über die Mieten in Haßfurt.

"Die innenstädtische Entwicklung finde ich, naja, auch ein bisschen schade. Die letzten paar Jahre - oft ist es so - die traditionellen Geschäfte schließen, aber keine neuen kleine Läden machen auf. Immer nur große Ketten. Zum Beispiel viele Eisdielen haben zu gemacht. Es fehlt sehr an kulturellem Leben. Ein wirkliches Miteinander in der Innenstadt gibt es auch kaum. Und es verschwindet immer mehr. Es gibt immer weniger Geschäfte, in denen man noch die Menschen kennt. Nur noch große Ketten sind im Ort. Ich glaube, das liegt an den hohen Mieten. Für die Einzelhandlungen lohnt es sich kaum mehr, sich zwischen dem oberen und unteren Turm oder gar in Nebenstraßen anzusiedeln. Das selbe Argument trifft aber auch auf die Wohnungen zu. Es gibt ja keine ausgebaute Infrastruktur. Also entweder man nimmt einen langen und teuren Anfahrtsweg in die Innenstadt. Oder man entscheidet sich für eine Wohnung mit hohen Mietkosten. Ich glaube, viel lassen es dann lieber gleich bleiben.

5. Dirk Stöhr, 58 Jahre, Tourist aus Pirmasens bei Kaiserslautern

Dirk Stöhr erfreut sich an der Stadt Haßfurt.
Foto: Jonas Pfeuffer | Dirk Stöhr erfreut sich an der Stadt Haßfurt.

"In Bezug auf das Innenstadtaussterben sehe ich hier weniger ein Problem. Also ich sehe schon eine Belebung am Wochenende. Es wird sehr viel gemacht. Die Cafés sind schön, die Fußgängerzonen sauber, es gibt einen Markt am Wochenende und das Bistro hat einen einzigartigen Charme. Hier wird definitiv mehr gemacht als in den anderen Kleinstädten, zumindest nach meiner Erfahrung. Besonders gerne bin ich in Haßfurt, weil es hier noch etwas gibt. Ich finde die Stadt sogar schöner, als es in unserer Gegend ist. Ich bin wunschlos glücklich."

6. Tanja und Jörg Heithecker, 53 & 55, Selbstständige/ Tagestouristen aus Geseke (NRW)

Tanja und Jörg Heithecker vergleichen unsere Stadt mit den anderen Kleinstädten im Umkreis.
Foto: Jonas Pfeuffer | Tanja und Jörg Heithecker vergleichen unsere Stadt mit den anderen Kleinstädten im Umkreis.

"Wir reisen gerade durch die Lande von Aschaffenburg, über Bayreuth und Nürnberg, nach Rothenburg ob der Tauber und haben bereits einige Kleinstädte sehen können. Dadurch können wir sagen, dass sich die aktuellen Entwicklungen nicht nur in Haßfurt zeigen. Immer wieder sieht man, dass die Geschäfte aus den Innenbereichen von kleinen Städten in die größeren Gebiete auswandern. Der klassische Einzelhandel und damit die wertvolle Fachberatung ist am Sterben. Das ist super schade. Es wird nur noch Cafés und Restaurants in kleinen Innenstädten geben. Der normale Einzelhandel kann auf Dauer hier nicht mehr überleben. Nur noch große Konzerne und Onlinehandel. Daher ist es unsere These, dass sich dieser Prozess in den nächsten Jahren auch nicht mehr aufhalten und höchstens hinauszögern lässt. Die kleinen Städte sterben aus! Individualität wird es nur noch in den Bezirken der Großstädte geben."

7. Maria Wittig, 30 Jahre, Umweltingenieurin aus Sand am Main

Maria Wittig sieht die Infrastruktur als großes Problem.
Foto: Jonas Pfeuffer | Maria Wittig sieht die Infrastruktur als großes Problem.

"Ich finde es total schade, dass immer mehr Geschäfte die Innenstadt verlassen. Ich mag die kleinen Läden sehr, die individuelle Sachen anbieten. Deshalb finde ich es echt schade, dass immer mehr schließen müssen. Nicht nur Bekleidungsgeschäfte, sondern auch Bäckereien. Es wird immer  schwieriger, sich zu behaupten. Vor allem gegen die großen Ketten. Dazu kommt noch, dass die Anbindung super schwierig ist. Gerade vom Land. Da wohnen viele ältere Leute, die irgendwie in die Innenstadt kommen müssen. Dass es dort keine gute Anbindung gibt oder auch keine Möglichkeit, sich mal mit anderen draußen hinzusetzen, ist für ein innerstädtisches Zusammenleben natürlich schädlich. Am Ende bleibt nur das Auto, um in die Stadt zu kommen, und das hemmt dann schon."

8. Ilse Steinmetz, 56 Jahre, Angestellte aus Haßfurt

Ilse Steinmetz wünscht sich ein größeres Miteinander in der Stadt.
Foto: Jonas Pfeuffer | Ilse Steinmetz wünscht sich ein größeres Miteinander in der Stadt.

"Ich lebe bereits seit 38 Jahren in Hassfurt, daher fallen mir die Entwicklungen der letzten Tage besonders auf. Viele Läden von früher sind verschwunden. Es sind zwar besondere Geschäfte wie Optik Ostendorp, Schaffner oder Glückstein geblieben. Doch lässt sich hier nicht mehr der komplette Bedarf an lebensnotwendigen Sachen ausreichend decken. Abends ist die Stadt verwaist. Es besteht kaum die Möglichkeit, im Innenstadtbereich draußen zu sitzen und miteinander etwas zu essen. Was ich mir wünschen würde, wäre daher, dass der grüne Markt auch am Samstag länger offen und mehr Stände hat. Die Märkte in Bamberg und Schweinfurt haben länger offen. Man fährt dann dort hin. Erledigt in diesem Zusammenhang auch gleich die anderen Einkäufe. Was das soziale Leben zudem fördern könnte, wären zum Beispiel ein Reparatur-Cafe. Man könnte sich gegenseitig helfen, Dinge wieder instand zu setzen. Auch könnten Film-Evente auf dem Marktplatz ein wenig Leben in die Stadt bringen."

9. Alexander Wehnert, 33 Jahre, Maschinenbauingenieur aus Würzburg (gebürtig aus Burgpreppach)

Alexander Wehnert hält einen größeren Einsatz für einheimische Läden für dringend nötig.
Foto: Jonas Pfeuffer  | Alexander Wehnert hält einen größeren Einsatz für einheimische Läden für dringend nötig.

"Man sieht, dass die Geschäfte leer stehen. Das ist natürlich schade, auch für die Stadt. Es ist ja immer schlecht, wenn alte Geschäfte schließen und nur Großkonzerne nachkommen. Wenn die Gebäude ganz leer stehen, ist das natürlich auch nicht gut. Ich halte es für wichtig, dass gerade so kleine, ortsbildprägende Geschäfte in der Innenstadt konzentriert bleiben. Man muss es den Geschäften wieder schmackhaft machen, sich erneut in der Innenstadt anzusiedeln. Deshalb finde ich es auch ganz wichtig, dass die Hauptstraße befahren bleibt. Die Bevölkerung besteht zu einem großen Teil aus älteren Menschen. Für diese Menschen muss es weiterhin möglich sein, problemlos in die Innenstadt zu kommen und vor ihrem jeweiligen Geschäft zu parken. Diese Erreichbarkeit ist für unsere Stadt besonders wichtig. Denn gerade ältere Menschen entscheiden sich oft noch für den Einkauf im Geschäft vor Ort und nicht im Internet."

10. Karin Fesser, 59 Jahre, Angestellte aus Haßfurt

Karin Fesser hat mögliche Lösungsansätze.
Foto: Jonas Pfeuffer | Karin Fesser hat mögliche Lösungsansätze.

"Das ist ja absolut offensichtlich. Die Innenstadt wird immer weniger ansprechend. Es gibt kaum mehr individuelle Läden und immer mehr Großketten. Dabei gibt es viele gute Ansätze, wie man die Stadt wieder interessanter werden lassen könnte. Dazu gehört beispielsweise, dass es zwischen den Türmen etwas grüner wird – zum Beispiel mit verschiebbaren Beeten – als erster Vorschlag. Das würde mehr zum Schaufenster-Gucken einladen und könnte von den Autos ablenken. Aber bitte verstehe mich nicht falsch: Die gute Anbindung durch die befahrene Hauptstraße ist wichtig, weil die älteren Personen zu den Geschäften dort gut hinkommen müssen. Ein anderer Vorschlag wäre der Tricastiner Platz. Dieser sollte deutlicher die Partnerstadt widerspiegeln. Das ginge beispielsweise durch Lavendel oder durch Tafel in den dort stehenden Schaukästen, welche das Thema behandeln, warum eine Städtepartnerschaft gelebt wird."

 
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