Der 89-jährige Lorenz Dümpert aus Eltmann hat als 10-Jähriger die Bombardierungen des Zweiten Weltkriegs miterlebt. Am 31. März 1944 fielen Bomben auf Stettfeld und hinterließen dort eine Spur der Verwüstung. Am 19. und 21. Juli griffen die Flugzeuge der Alliierten mit Spreng-, Brand- und Phosphorbomben das Kugelfischerwerk in Eltmann an. Das Ziel: Die Kriegsproduktion lahmlegen. Auch in Ebelsbach gingen Bomben nieder.
79 Jahre ist das mittlerweile her. Seit einem Jahr nun herrscht ein neuer Krieg in der Ukraine und weckt Erinnerungen an damals in Lorenz Dümpert. Im Gespräch mit der Redaktion berichtet der Zeitzeuge von der Bombardierung Eltmanns und mahnt davor, dass die jüngere Generation das Leid und die Folgen des Krieges nicht vergessen dürfen.
Lorenz Dümpert: Der Krieg ist das schlimmste, was einem passieren kann. Er kann nicht mit Waffen gewonnen werden, sondern nur durch Gespräche. Der Krieg mit Waffen bringt keinen Frieden, sondern mehr Tote, Verletzte und Flüchtlinge.
Dümpert: Ich habe davon im Fernsehen erfahren. Das war schlimm zu hören, dass ein Krieg mitten in Europa beginnt. Der Traum von einem friedlichen Zusammenleben und einem Miteinander wird dadurch beendet. Der Krieg in der Ukraine verursacht unsagbares Leid. Wenn man sieht, wie das alles zertrümmert wird – das kann man nie mehr aufbauen, in dieser Form. Es ist schrecklich, was man da sehen muss.
Dümpert: Ich war im Garten der Gärtnerei Amon in der Galgenleite und habe dort Johannis- und Stachelbeeren gegessen. Es war ein schöner Tag mit herrlichem Sonnenschein und blauem Himmel. Plötzlich kamen aus Richtung Gleisenau die Flieger angeflogen. Sie haben in der Sonne geglitzert. Ich habe gesehen, wie die Bomben abgelassen wurden. Der Gärtner schrie mir zu: "Duck dich, die Flieger, die Bomben kommen!"
Ich war 100 Meter davon entfernt, als die Bomben in den Main fielen. Mir ist das Herz stehen geblieben. Danach lief ich runter zum Fluss. Die russischen Gefangenen fischten dort Gänse, Enten und Fische aus dem Main, die durch den Druck der Detonation gestorben waren. Ich habe mit gefischt und die Fische nach Hause getragen. Meine Mutter hat die Hände über dem Kopf zusammen geschlagen, als sie mich gesehen hat. Sie hat sich furchtbare Sorgen gemacht, wo ich gewesen bin.
In der Nähe meines Elternhauses in der Vorstadt ist eine Bombe niedergegangen. In den benachbarten Häusern, unseres war auch dabei, waren die Glasscheiben zerborsten. Mit Pappdeckeln und Holz mussten wir die Fenster danach provisorisch zunageln.
Dümpert: Nein. Zum Glück war das Werk gut geschützt, mit grünen Tarnnetzen und Nebelfässern. Im ganzen Maintal stand eine Nebelwand. Aber die Aufklärungsflugzeuge der Alliierten haben mitbekommen, dass das Werk nicht getroffen wurde. Täglich wurden Tieffliegerangriffe geflogen. So einen Tieffliegerangriff habe ich auch einmal erlebt. Ich habe Kirschen gepflückt und der Pilot hat mich bemerkt. Ich habe mich hinter einer dicken Eiche verkrochen, darauf hat er geschossen. Da hat man Angst. Die Flieger haben mit Maschinengewehren auf alles geschossen, was herumgelaufen ist. Das hat dazu geführt, dass die Nebelfässer nicht mehr rechtzeitig aufgefüllt werden konnten.
Dümpert: Einen Tag lang war Ruhe. Der zweite Angriff traf das Kugelfischerwerk am 21. Juli fast ungeschützt. Ein Flieger ist vorausgeflogen und hat über dem Werk einen Kreis gezogen. Die anderen haben die Bomben über dem Kreis abgeworfen. Über 30 Minuten lang fielen Bomben. Das Werk war danach zu 80 Prozent zerstört. Beim zweiten Angriff wurden 134 Tonnen Spreng- und Phosphorbomben abgeworfen, das hat uns später ein amerikanischer General mitgeteilt.
Dümpert: Wir waren in einem alten Bierkeller am Berg. Wir sind mit Sack und Pack in diesen Keller gekrochen. Wenn unser Haus ja ausgebrannt wäre, dann hätten wir wenigstens noch ein paar Kleider gehabt. Und die notwendigsten Papiere. Unsere Taschen standen immer schon bereit, falls wir bei Fliegeralarm in den Keller mussten. Vor der Kellertür ist eine Stabbrandbombe gelandet.
Die Türe hat Feuer gefangen. In dem alten Keller waren etwa 100 Leute, die Männer haben geschrien. Im Keller hat das eine unglaubliche Angst hervorgerufen. Wir haben um Hilfe geschrien. Wir haben gebetet, so schlimm war das. Gott sei Dank hat ein Mann mit einer Schaufel geistesgegenwärtig die Stabbrandbombe aufgehoben und in einen Graben gegenüber geworfen. Er hat die Tür gelöscht und wir konnten nach Hause gehen.
Dümpert: Die Bomben haben natürlich Krater geschlagen, mehrere Meter groß. Die Splitter, die durch die Gegend geflogen sind, haben Schaden angerichtet. In Eltmann und Ebelsbach haben 20 Häuser und Scheunen gebrannt. Gott sei Dank sind viele Bomben auf die Felder heruntergegangen. Wären sie auf die andern Häuser gefallen, dann wäre alles in Schutt und Asche gelegen. Dann wäre nichts mehr dagewesen.
Dümpert: Ja. Die jüngere Generation soll etwas über den Krieg erfahren. Sie können es irgendwann nur noch nachlesen, in Büchern oder im Internet. Aber die Zeitzeugen sind in einigen Jahren nicht mehr da und können nicht mehr schildern, was sie erlebt haben. Die Menschen müssen mithelfen, dass der Frieden wieder einkehrt in Europa. Wir brauchen Frieden, keine Kriege.