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Gleusdorf
Pflegeeinrichtung in Schloss Gleusdorf: Kassen wollen Verträge kündigen
Im August waren die Bewohner des Heims wegen Personalmangels verlegt worden. Nun wollen die Pflegekassen den Versorgungsvertrag kündigen. Was das für die Einrichtung bedeutet.
Schloss Gleusdorf liegt idyllisch am Ufer der Itz im Kreiß Haßberge. Seit August wohnt in der Pflegeeinrichtung niemand mehr.
Foto: Lukas Reinhardt | Schloss Gleusdorf liegt idyllisch am Ufer der Itz im Kreiß Haßberge. Seit August wohnt in der Pflegeeinrichtung niemand mehr.
Lukas Reinhardt
 |  aktualisiert: 08.02.2024 23:51 Uhr

Die im August erneut in die Schlagzeilen geratene Pflegeeinrichtung in Schloss Gleusdorf (Lkr. Haßberge) könnte schon bald vor dem Aus stehen. Das geht aus einer Anfrage dieser Redaktion bei der Arbeitsgemeinschaft der Pflegekassenverbände in Bayern hervor, kurz ARGE. In der Antwort vom 12. November heißt es, die Pflegekassen beabsichtigten, "die Versorgungsverträge mit der Einrichtung zum 15. November 2021 zu beenden". Dies sei dem Träger bereits schriftlich mitgeteilt worden. 

Nachfragen zu diesem Thema, etwa ob die Kündigung bereits rechtskräftig sei, beantwortete die ARGE bislang nicht. Sie verweist auf laufende Gespräche mit dem "Vertragspartner" und mit der zuständigen Aufsichtsbehörde des Landratsamts Haßberge. Dort bewertet man das Vorgehen der Pflegekassen als einen "nachvollziehbaren Schritt". Und die Geschäftsführung der Pflegeeinrichtung? Die hält sich auch diesmal vollständig bedeckt: Wie in den vergangenen Wochen und Monaten bleiben alle Anfragen dieser Redaktion unbeantwortet.

Pflegeeinrichtung mit einer bewegten Vergangenheit

Das Pflegeheim in Gleusdorf war bereits vor einigen Jahren in die Schlagzeilen geraten. Die Staatsanwaltschaft hatte gegen die Geschäftsführerin, einen Pflegedienstleiter und einen Arzt ermittelt, unter anderem wegen Totschlags durch Unterlassung und Misshandlung von Schutzbefohlenen.

Im späteren Prozess im März 2020 sprach das Landgericht Bamberg alle drei Angeklagten von den Vorwürfen frei. In der Zwischenzeit hatte ein neuer Träger die Geschicke des Hauses übernommen. Im August dieses Jahres kehrte die damalige Geschäftsführerin wieder an die Spitze der Einrichtung zurück.

Mit der Kündigung droht Verlust des Status als Pflegeeinrichtung

In dem aktuellen Fall ist klar: Würde die Kündigung der ARGE rechtskräftig, sähe es düster aus für Zukunft der Pflegeinrichtung an der Itz: Denn dann könnte der Träger nicht mehr am Abrechnungssystem der Kassen teilnehmen. Je nach Pflegegrad, also nach Pflegebedürftigkeit des Bewohners oder der Bewohnerin, übernehmen diese anteilig die Kosten für den Heimplatz. Die Einnahmen aus diesem Topf würden versiegen. Aber nicht nur die wirtschaftlichen Folgen wären fatal: Zwar stellt eine Kündigung des Versorgungsvertrags keine Betriebsuntersagung dar, doch ist sie gleichbedeutend mit dem Verlust des Status als Pflegeeinrichtung.

Dabei sind die Hürden für diesen Schritt durchaus hoch. So kann laut Gesetzgeber ein Versorgungsvertrag vonseiten der Pflegekassen nur dann fristlos gekündigt werden, "wenn die Einrichtung ihre gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtungen gegenüber den Pflegebedürftigen oder deren Kostenträgern derart gröblich verletzt, dass ein Festhalten an dem Vertrag nicht zumutbar ist". Eine dieser Verpflichtungen ist, dass stationäre Einrichtungen genügend ausgebildete Pflegefachkräfte vorhalten können, um Bewohnerinnen und Bewohner zu versorgen.

Personalnotstand offenbar auch nach drei Monaten nicht beendet

Fest steht: Das Landratsamt hatte Mitte August dieses Jahres die Notbetreuung der 42 Bewohnerinnen und Bewohner von Schloss Gleusdorf veranlasst, da der Einrichtung innerhalb kürzester Zeit das Pflegepersonal ausgegangen war. Nur wenige Tage später ordnete die Aufsichtsbehörde die Verlegung aller Seniorinnen und Senioren in andere Heime an und verhängte einen Aufnahmestopp, der bis heute gilt. Seither steht das Schloss leer, betreut wird hier laut Landratsamt niemand mehr. Das nötige Personal, um die Pflege wieder aufzunehmen, fehlt bis heute. Das bestätigt das Landratsamt Haßberge auch diesmal auf Nachfrage: "Nach unserem Kenntnisstand beschäftigt der Träger aktuell kein Personal in der Einrichtung." Und: "Es konnte seit der Räumung auch kein neues Personal gewonnen werden."

"Rechtlich gesehen gibt es nicht die Möglichkeit eines ruhenden Vertrages", schreibt die ARGE in ihrer schriftlichen Stellungnahme. Ein Umstand, der angesichts des fehlenden Fortschritts bei der Personalfindung die Kündigung des Versorgungsvertrags erklären könnte. Eine mögliche Rückkehr der ehemaligen Bewohnerinnen und Bewohner, ob gewünscht oder nicht, wäre damit vom Tisch.

Eine Rückkehr seiner Frau nach Gleusdorf ist für Rudolf Koch undenkbar

Elke Koch lebte 18 Monate in der Pflegeinrichtung in Schloss Gleusdorf. Seit ihrer Verlegung im August wohnt die 76-Jährige in einem Heim in Bad Rodach im Landkreis Coburg. Ihr Mann Rudolf pendelt jeden Tag von Ebern zu seiner demenzkranken Frau. Eine Rückkehr nach Gleusdorf? Für Rudolf Koch inzwischen ohnehin undenkbar. "Zwar fahr ich nach Bad Rodach 50 Minuten statt fünf, wie nach Gleusdorf", sagt der 76-Jährige. "Aber es geht hier nicht um mich, sondern um meine Frau."

"Meiner demenzkranken Frau geht es sehr gut in der Einrichtung in Bad Rodach."
Rudolf Koch, 76, Angehöriger

Ihr, so erzählt Koch weiter, gehe es sehr gut in der neuen Einrichtung. "Wenn sich meine Frau wohl fühlt, ist mir das viel mehr wert, als nur fünf Minuten nach Gleusdorf zu fahren." Dass das Heim bei Untermerzbach im Kreis Haßberge nun vor dem endgültigen Aus stehe, ist für Koch deshalb allenfalls eine Randnotiz. Er hat abgeschlossen mit diesem Kapitel.

Endgültig bei den Akten liegen dürfte der Fall Gleusdorf aber auch nach der Entscheidung der ARGE nicht. Denn der Gesetzgeber ermöglicht es den Pflegeeinrichtungen, im Falle der Kündigung eines Versorgungsvertrages vor das Sozialgericht zu ziehen. Das Ende bleibt also weiterhin offen.

 
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