42 Bewohnerinnen und Bewohner mussten vor rund drei Wochen ihre Pflegeeinrichtung in Gleusdorf (Lkr. Haßberge) verlassen. Wegen Personalmangels hatte das Bayerische Rote Kreuz (BRK) deren Betreuung übernommen. Das Landratsamt Haßberge ordnete schließlich die Verlegung an. Ob eine Rückkehr möglich ist, ist weiterhin offen. Genauso wie zahlreiche Fragen in diesem Fall. Wir geben Antworten.
Welche Maßnahmen hat das Landratsamt bereits getroffen?
Seit der Verlegung der Bewohnerinnen und Bewohner gilt in der Einrichtung in Schloss Gleusdorf ein sogenannter Aufnahmestopp für Pflegebedürftige, angeordnet durch das Landratsamt als zuständige Aufsichtsbehörde. "Sollte durch den Träger der Einrichtung entgegen der Anordnung gehandelt werden, werde ein sogenanntes Zwangsgeld fällig", heißt es aus dem Landratsamt. Die Höhe dieses Zwangsgeldes sei derzeit Gegenstand eines laufenden, jedoch noch nicht rechtskräftigen Verfahrens.
Wie lange das Landratsamt diese Anordnung aufrechterhält, hängt auch vom Träger der Einrichtung ab. Er hat nun die Aufgabe, genügend Pflegepersonal zu finden, um die gesetzlichen Anforderungen an den Betrieb wieder zu erfüllen. Eine Frist, bis wann dies geschehen muss, gibt es vonseiten des Landratsamts nicht. Der Grund: Aktuell finde kein Pflegebetrieb in der Einrichtung in Schloss Gleusdorf statt. Faktisch ist die Einrichtung also derzeit geschlossen.
Welche Voraussetzungen gelten für eine Betriebsuntersagung?
Der Aufnahmestopp ist eine vergleichsweise milde Maßnahme, die der Gesetzgeber den Aufsichtsbehörden an die Hand gibt. Als härtestes und letztes Mittel gilt die sogenannte Betriebsuntersagung. Doch die Hürden hierfür sind hoch, das zeigt die Vergangenheit: Das Landratsamt Haßberge hatte bereits im Dezember 2018 eine solche Untersagung gegen die Pflegeeinrichtung in Gleusdorf angestrengt, war damit jedoch im Januar 2019 vor dem Verwaltungsgerichtshof in München gescheitert.
Die Richter sprachen sich damals allerdings nachdrücklich für einen Wechsel an der Spitze der Einrichtung aus. Die Geschäftsführerin ging, MCC Deutschland übernahm. Seit dem 6. August ist die Geschäftsführerin, gegen die das Verfahren in die Wege geleitet worden war, nun wieder zurück.
Die richterliche Entscheidung von 2019 scheint nachzuwirken. Im aktuellen Fall sieht man im Landratsamt den Aufnahmestopp als hinreichendes Mittel. Eine Betriebsuntersagung sei nur dann in Betracht zu ziehen, "sofern der Träger die nötige Zuverlässigkeit zum Betrieb einer Pflegeeinrichtung nicht erbringen kann und die Anforderungen an einen geordneten Betrieb auch für die Zukunft nicht sicherstellen könnte".
Wie geht es in der Einrichtung selbst weiter?
Trotz wiederholter Anfragen ist die Geschäftsführung des Hauses zu keinem Gespräch bereit. So bleibt weiterhin im Ungefähren, warum die Situation in der Pflegeeinrichtung nach dem 6. August derart schnell eskalieren konnte. Und wie es für das Haus weitergeht. Keine Antworten gab es auch auf die Fragen, ob inzwischen Personal gefunden wurde und wie viele Menschen noch in der Einrichtung arbeiten.
Wie gehen die bayerischen Pflegekassen mit dem Fall Gleusdorf um?
Die Frage nach der Zukunft des Heims ist eng verknüpft mit der Arbeitsgemeinschaft der Pflegekassenverbände in Bayern, kurz: ARGE. Diese schließt mit den Trägern von stationären Pflegeeinrichtungen sogenannte Versorgungsverträge. Darin werden laut Gesetzgeber "Art, Inhalt und Umfang der allgemeinen Pflegeleistung" festgehalten. Ein solcher Versorgungsvertrag ist für die Zusammenarbeit mit den Kassen unerlässlich. Denn je nach Pflegegrad, also nach Pflegebedürftigkeit des Bewohners oder der Bewohnerin, übernehmen diese anteilig die Kosten für den Heimplatz.
"Kann der Träger die Versorgung dauerhaft nicht sicherstellen, kann an einem Versorgungsvertrag nicht festgehalten werden", teilt die ARGE dieser Redaktion auf die Frage nach der künftigen Zusammenarbeit mit. Bei den Pflegekassen ist man über den Fall in Unterfranken informiert.
Noch aber ist die Zusammenarbeit nicht beendet: Ob diese fortgesetzt werde, hänge nun auch von den Gründen für den Personalnotstand ab - und damit von der Frage, wer Verantwortung trägt für die zwangsweise Verlegung der Bewohnerinnen und Bewohner. In genau diesem Punkt besteht auch für die Pflegekassen Aufklärungsbedarf: "Konkret hat die ARGE den Träger um Stellungnahme gebeten", heißt es zum weiteren Vorgehen. Auf die Frage, ob die Kassen weiterhin Geld an das Heim in Gleusdorf zahlen, verneint die ARGE: "Ab dem Tag der Aufnahme in die neue Pflegeeinrichtung hat auch nur diese Anspruch auf die Vergütung durch die Pflegekassen."
Müssen die Bewohner nach der Verlegung nun doppelt zahlen?
Für die 42 Bewohnerinnen und Bewohner des Pflegeheims in Gleusdorf ist die aktuelle Zeit mit großer Ungewissheit verbunden. Sie wurden vom BRK in neue Einrichtungen verlegt. Dort werden sie seither versorgt. Doch aus rechtlicher und finanzieller Sicht ist für sie vieles im Dunklen.
Der Verein BIVA, die Bundesinteressenvertretung für alte und pflegebetroffene Menschen, bringt Licht in die Angelegenheit. Dort stellt man auf Nachfrage dieser Redaktion klar: "Es besteht keinesfalls die Verpflichtung, doppelt zu zahlen." Laut den Rechtsberatern des Vereins sei im Falle von Gleusdorf gar eine firstlose Kündigung möglich. Genau wie bei den Pflegekassen gilt: Bewohnerinnen und Bewohner müssen für die alte Einrichtung ab dem Tag des Auszugs nicht mehr zahlen.
Mit der neuen Einrichtung sei laut BIVA der Abschluss eines unbefristeten Vertrags sinnvoll. Man wisse schließlich nicht, wie lange man in der neuen Einrichtung versorgt werden müsse. So könne man sich entscheiden – sollte das Heim in Gleusdorf wieder öffnen –, wo man weiter versorgt werden möchte. Natürlich mit entsprechend fristgerechter Kündigung: "bis zum dritten Werktag des Monats, zum Ende des Monats".
Wer trägt die Kosten für die Notversorgung und die Verlegung?
Rund 70 Kräfte des BRK waren Anfang August für die Notbetreuung und die Verlegung der Bewohnerinnen und Bewohner im Einsatz. Angeordnet hatte diese sogenannte Ersatzvornahme das Landratsamt Haßberge.
Grundsätzlich, so heißt es auf Nachfrage aus der Behörde, trage der Verursacher die Kosten für den Einsatz. In diesem Fall die Pflegeeinrichtung, die aufgrund des Personalmangels die Betreuung seiner Bewohnerinnen und Bewohner nicht mehr sicherstellen konnte. Über die genaue Summe könne derzeit laut Landratsamt noch keine Aussage getroffen werden.
Allerdings setze sich der Betrag zusammen aus: den Kosten des Rettungsdienstes, zuzüglich der Verdienstausfälle der ehrenamtlichen Rettungskräfte; der Organisation der Hilfeleistung durch den Rettungsdienst zur Betreuung und Pflege der Bewohnerinnen und Bewohner; sowie den Transportkosten für deren Verlegung in andere Einrichtungen.