Allenfalls die Fischereifachberatung des Bezirks Unterfranken hätte sich gewünscht, im Vorfeld der Aktion zu Rate gezogen zu werden. Um den entsprechenden Abschnitt der Aurach auf Fische und Muscheln hin zu untersuchen. Das als Fingerzeig für künftige Maßnahmen. Aber insgesamt haben sich die vier Gemeinderäte Hans Albert (CSU), Maximilian Benkert (Junge Bürger, JB), Alexander Diem (Freie Wählergemeinschaft, FWG) und Daniel Markert (CSU) nichts zu Schulde kommen lassen, als sie - mit Zustimmung der Gemeinde Oberaurach - im Oktober in Eigeninitiative und auf eigene Kosten an der Aurach in Tretzendorf Hochwasserschutzmaßnahmen durchführten.
Zu diesem Ergebnis sind das Landratsamt Haßberge und die beteiligten Fachbehörden gekommen, die einer Anzeige nachgehen mussten, die Eingriffe seien illegal gewesen. "Wir haben keine Verstöße feststellen können, die einer weiteren Verfolgung bedürfen", teilte Landratsamtssprecherin Moni Göhr der Redaktion auf Anfrage mit. Das "Wir" schließt den Naturschutz, die Wasserwirtschaft, die Abfallwirtschaft und die bereits genannte Fischereifachberatung ein.
Grund der Aktion: Die Angst vor dem nächsten Hochwasser
Tretzendorf gehört zu den am stärksten von Hochwasser bedrohten Ortschaften im Haßbergkreis. Nach Starkregen im Juli hatten sich an der Aurach mitten im Ort vor der Brücke der Staatsstraße 2276 ("Rathausstraße") Sedimente abgelagert, darunter faulig riechender Schlamm. Es bestand die Sorge, diese Ablagerungen könnten einen neuerlichen Hochwasserabfluss behindern, mithin das Risiko erhöhen, die Anwesen der Anlieger zu überfluten. Daniel Markert ist Erdbau-Unternehmer. Unterstützt von seinen drei Gemeinderatskollegen rückte er deshalb im Herbst mit dem Bagger an, um die Gefahr zu beseitigen. Zwar ist für das Gewässer im Gemeindebereich ohnehin eine Renaturierung geplant, aber die Gefahr erschien zu akut.
Auf einer Länge von rund 100 Metern entfernten die ehrenamtlichen Einsatzkräfte damals Anlandungen und zum Teil Ufergehölze. Nach der Anzeige war nun von Behördenseite in erster Linie zu klären, ob die Eingriffe im Sinne des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) als Gewässerunterhaltung (Paragraph 39 WHG) oder Gewässerausbau (Paragraph 67 WHG) zu werten sind.
Gretchenfrage: Gewässerunterhalt oder Gewässerausbau
Zum Unterhalt zählen laut Gesetzgeber Maßnahmen zur Sicherung des ordnungsgemäßen Abflusses und der Erhaltung der Ufer, aber zum Beispiel auch "die Erhaltung und Förderung der ökologischen Funktionsfähigkeit des Gewässers insbesondere als Lebensraum von wild lebenden Tieren und Pflanzen." Die Abgrenzung zum Ausbau kann jedoch schwierig sein. Bei letzterem sind die Ausmaße des Eingriffs in der Regel massiver, wie schon aus dem Wortlaut des Wasserhaushaltsgesetzes hervorgeht: "Gewässerausbau ist die Herstellung, die Beseitigung und die wesentliche Umgestaltung eines Gewässers oder seiner Ufer."
Anders als offenbar der Anzeigenerstatter werten Landratsamt und Fachbehörden die Maßnahmen an der Aurauch in Tretzendorf als Gewässerunterhalt. Und das ist für die vier Lokalpolitiker der entscheidende, sprich entlastende Punkt. Den Gewässerausbau müssen sich Kommunen absegnen lassen. Aber: "Maßnahmen des Gewässerunterhalts bedürfen grundsätzlich keiner Anzeige oder Genehmigung bei einer Behörde", führt Pressesprecherin Göhr aus. Ein ungenehmigter Ausbau liege also nicht vor.
Rückschnitt der Ufervegetation außerhalb der Brutzeiten
Und auch sonst habe man keine verfolgungswürdigen Verstöße feststellen können, stellt Göhr im Zusammenhang mit weiteren Aspekten der Anzeige heraus. Das Zurückschneiden von Ufervegetation wie Stauden und Weiden sei nicht zu beanstanden, denn es habe außerhalb der Brutzeiten von Enten und anderen Vögeln stattgefunden, heißt es aus naturschutzfachlicher Sicht. Das Wasserwirtschaftsamt Bad Kissingen halte die Unterhaltungsmaßnahmen für geeignet, um die Hochwassersituation in Tretzendorf zu entschärfen; die Entfernung des Schlamms sieht das Amt laut Göhr "grundsätzlich eher positiv". Und die Experten gingen davon aus, dass jene Wasserlebewesen, die durch die Aktion beeinträchtigt wurden, sich auch ohne zusätzliche Unterstützung in dem Bachabschnitt wieder ansiedeln werden.
Ob Muscheln oder Fische gestört wurden, vermag die Fischereifachberatung nachträglich nicht zu beurteilen. Für die Zukunft wird der Gemeinde Oberaurach ans Herz gelegt, Gewässerabschnitte vorher auf die Fauna untersuchen zu lassen - und beim Rückschnitt des Bewuchses etwas behutsamer vorzugehen.
Schließlich war noch die Frage nach möglicher Kontamination des ausgebaggerten Schlamms aufgekommen. Hierzu schreibt Moni Göhr, das Aushubmaterial sei zunächst auf einer Fläche der Gemeinde zwischengelagert und "nach Abstimmung mit dem Landratsamt Haßberge entsprechend beprobt und ordnungsgemäß entsorgt worden".
"Klar, da ist man schon erleichtert", sagte Hans Albert am Montag im Gespräch mit der Redaktion zur Tatsache, dass die Anzeige gegen ihn und seine Ratskollegen jetzt vom Tisch ist. Albert, der auch Zweiter Bürgermeister von Oberaurach ist, räumt ein, dass ihm die Angelegenheit zu schaffen gemacht habe: "Es ist schon sehr bedrückend, wenn dich immer wieder Leute darauf ansprechen, dass du angezeigt worden bist. Selbst wenn sie das nur im Scherz tun."
Froh darüber, dass die Sache nun überstanden ist, ist auch Daniel Markert. "Ich war ja der Organisator der Aktion, da hatte ich schon fast ein schlechtes Gewissen, dass ich die anderen mit an Bord geholt habe", sagte Markert am Montag. Und das, obwohl ihm eigentlich klar gewesen sei, dass die Anzeige ins Leere läuft. Schließlich habe die Gemeinde Oberaurach auch anderswo "die Bachbetten putzen lassen" an den hochwasserkritischen Nadelöhren, sprich dort, wo sich Brücken über die Aurach spannen. Darüber, dass nun ein "Riesenapparat damit auf Trab gehalten wurde", um ihre Aktion auf Herz und Nieren zu prüfen, schütteln beide mit dem Kopf.
Bürgermeister Thomas Sechser (CSU) blickte am Montag darauf zurück, wie wichtig es gewesen sei, die Hochwasseranlandungen vor der Aurach-Brücke zu entfernen. Die Gemeinde sei von Anfang an von der Rechtsmäßigkeit der Aktion ausgegangen. "Aber natürlich kann es demotivierend sein, wenn ehrenamtliches Engagement auf diese Weise ins Gerede kommt." Er sei heilfroh, dass niemand rechtliche Konsequenzen tragen müsse.
In Zukunft will das Gemeindeoberhaupt allerdings der Aufforderung der Fischereifachberatung nachkommen und die Behörde im Vorfeld in solche Maßnahmen einbeziehen, ebenso die Inhaber des Fischereirechts (im vorliegenden Fall die Fischzucht Schaaf, Tretzendorf). Um dann noch weiter auf der sicheren Seite zu sein.