Es ist der 9. Juli 2021, als Dauerregen in Teilen des Landkreises Haßberge zu Überschwemmungen führt. Drei Gemeinden trifft es an diesem Tag besonders hart: Knetzgau, Zeil und Ebern. Harmlose Bäche werden zu reißenden Strömen, setzen Keller und Häuser unter Wasser, zerstören das Hab und Gut der Anwohnerinnen und Anwohner.
Sie hinterlassen eine Spur der Verwüstung. Was war in den Gemeinden passiert? Was hat sich dort seither getan? Und welche Ideen zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger gibt es? Wir haben nachgefragt.
Knetzgau - Als der Damm überzulaufen drohte
Das ist geschehen: "Jetzt hilft nur noch beten" - Knetzgaus Bürgermeister Stefan Paulus (CWG/SPD) war erschüttert angesichts der Wassermassen, die sich im Westen der Ortschaft vor dem Damm an der Autobahn aufgestaut hatten. Lange Zeit blieb unklar, ob der überlaufende Wall zu Überflutungen im Altort führen würde. Am Ende konnte Paulus Entwarnung geben. In den Ortsteilen Westheim, Hainert, Oberschwappach und Zell jedoch war der Schaden teils groß. Hier setzten die Fluten Kellergeschosse mitunter vollständig unter Wasser. In Westheim soll ein Rückstau in der Kanalisation mitverantwortlich gewesen sein für das Ausmaß der Zerstörung. In Hainert sammelte sich unter anderem auf einem höhergelegenen Acker Oberflächenwasser, das schließlich in das Untergeschoss eines Familienhauses strömte, wo es sämtliches Hab und Gut zerstörte. Und in Zell trat der Stöckigsbach über das Ufer, flutete Keller und Straßen.
So reagiert die Gemeindeverwaltung: Rund fünf Monate später spricht Bürgermeister Stefan Paulus von einem Jahrtausendhochwasser, das Knetzgau im Sommer ereilte: "Denn für ein solches war der Damm oberhalb der Autobahn ausgelegt." Paulus' Plan: Ein Ingenieurbüro soll schon bald ein Strategiepapier entwerfen, wie das Knetzgauer Hochwasser- und Sturzflutmanagement künftig aussehen könnte. Wenn es nach dem Bürgermeister geht, stimmt der Gemeinderat darüber noch Mitte Dezember ab. Der Freistaat stellt für die Kosten eines solches Konzepts Fördermittel von 75 Prozent in Aussicht. Paulus sagt aber auch: "Die Kommunen können keine hundertprozentige Sicherheit gegen Naturkatastrophen gewährleisten."
Welche Schritte also sollen Knetzgau künftig zumindest weniger anfällig machen? Renaturierung von Bächen, Bau von Rückhaltebecken, Ausheben von Flutgräben, Verbot der Versiegelung von Flächen in Neubaugebieten - all das, so Paulus, könnte zu mehr Schutz beitragen. Aber: "Das Konzept soll nicht nur erarbeiten, was die Gemeinde tun kann, sondern auch was betroffene Knetzgauer selbst beitragen können", erklärt der Bürgermeister. Auch sei seine Gemeinde bislang nicht untätig gewesen: Sie habe die Erneuerung des Ablaufes am Dorfsee Hainert in die Wege geleitet, die Renaturierungsmaßnahmen am Böhlbach geplant, der durch Zell fließt, und zudem das Kanalnetz in Westheim genauer unter die Lupe genommen. Paulus spricht hier von "Fehlanschlüssen am Schmutzwasserkanal", die Hauptursache für den Rückstau gewesen seien. Anwohner wiederum werfen der Gemeinde vor, hier in den vergangenen Jahren untätig geblieben zu sein. Geht es nach Paulus, so steht der Leitfaden zum Schutz der Gemeinde bis Ende 2022.
Ebern - Als Keller und Klassenzimmer vollliefen
Das ist geschehen: "Das ist ein Jahrhunderthochwasser" - Bürgermeister Jürgen Hennemann (SPD) blickte den Treppenabgang hinunter in das Untergeschoss der Eberner Realschule, als er diese Aussage traf. Der ganze Keller und mit ihm die Klassenzimmer standen zu diesem Zeitpunkt rund 80 Zentimeter unter Wasser. Grund dafür war der Dauerregen in den Stunden zuvor, der den Angerbach schließlich über das Ufer treten ließ. Und das, obwohl dessen Verrohrung für ein Jahrhunderthochwasser ausgelegt sein sollte. So strömte das Wasser nicht nur in die Realschule, sondern auch in das Gymnasium und in die in Teilen tiefergelegene Eberner Altstadt. 22 Privatpersonen meldeten laut Hennemann Schäden, das Wasser war in Keller gelaufen und hatte Heizanlagen zerstört. In einem Fall brach eine massive Gartenmauer in sich zusammen, weil sie unterspült worden war.
So reagiert die Stadtverwaltung: Was Maßnahmen zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger betrifft, so stehe die Stadt Ebern seit dem Vorfall im Juli im Austausch mit dem Wasserwirtschaftsamt, erklärt Hennemann. Hauptthema ist dabei offenbar der Angerbach, der zum Schutze der Bevölkerung im Jahr 1969 verrohrt worden war. Ein Ziel ist es offenbar nun, das Problem bereits anzugehen, bevor der Bach die Stadt erreicht: durch eine Hochwasserrückhaltung im Angerbachtal. Genauer: an der geplanten Nordzufahrt zum Mannlehen östlich von Ebern. Hier, so die Idee Hennemanns, sollen der Abfluss reguliert und die Wiesen bei einem Starkregenereignis - wie jenem im Sommer - geflutet werden.
Zudem sei der Abfluss des Angerbachs - derzeit in den Mühlbach - Thema in den Gesprächen gewesen. Hennemann spricht hier von einer möglichen "Entlastungsverbindung direkt in die Baunach", vorbei an der Stadt, um das Wasser des Angerbachs nicht durchs Mühlenviertel fließen zu lassen. Das Wasserwirtschaftsamt prüfe diesen Vorschlag, so der Bürgermeister. Noch spricht Hennemann vor allem von Ideen. Wirklich spruchreif ist davon bislang nichts. Auch ein entsprechendes Konzept, wie moderner Hochwasserschutz künftig aussehen könnte, gibt es noch nicht. Dass die Stadt Ebern in den vergangenen Jahren in dieser Angelegenheit zu wenig getan habe, sieht Hennemann dennoch nicht. Er verweist auf die Verrohrung des Angerbachs in der Vergangenheit, und sieht die Wirksamkeit eigener Mittel begrenzt. Denn: "Ein solches lokales Ereignis wie am 9. Juli ist mit keinen Maßnahmen zu verhindern." Trotzdem versuche die Stadt alles, um Schaden von der Bevölkerung abzuwenden.
Zeil - Als die Altach zum reißenden Strom wurde
Das ist geschehen: "Gott-sei-Dank haben wir keinen Personenschaden" - Bürgermeister Thomas Stadelmann (SPD) sprach von Glück im Unglück, als das "Wahnsinnshochwasser" in seiner Stadt stand. Mitgebracht hatte das die Altach. Auch mit Sandsäcken war hier nicht mehr viel auszurichten. Das Wasser drang in anliegende Häuser ein, zerstörte dort Einrichtungen. Eigentlich war die Altachsanierung von vor rund zehn Jahren gedacht, die Altstadt vor einem sogenannten fünfzigjährigen Hochwasser zu schützen. Kritik von Anwohnern, der Grünwuchs im Bachbett habe das Abfließen des Wassers verlangsamt, kam auf. Ob dem wirklich so war, bleibt bis heute unklar. Der Bürgermeister hat Zweifel an dieser Theorie, wie andere Lokalpolitiker auch.
So reagiert die Stadtverwaltung: Der Grünwuchs im Bachbett der Altach ist inzwischen trotzdem verschwunden. Mit dem Bagger ging es dem Schilf an den Kragen. "Wir haben es entfernt und wollen das auch in Zukunft so handhaben", sagt Bürgermeister Stadelmann. Vor den Fluten im Sommer sei dieses Vorhaben immer wieder mit dem Naturschutz kollidiert. Nun scheint der Hochwasserschutz Vorrang zu haben. Ob dieser Schritt alleine die Lösung des Problems ist? Stadelmann verneint. Noch aber befinde sich die Stadt Zeil in der Phase der Analyse. Wo das ganze Wasser am Ende wirklich herkam, das im Juli 2021 in die Altach drang und schließlich die Zeiler Altstadt flutete, sei bis heute nicht bekannt, sagt Stadelmann: "Das herauszufinden, daran arbeitet derzeit das Wasserwirtschaftsamt." Zeil steht mit der Behörde in Kontakt, um das künftige Vorgehen zum Schutz der Bevölkerung in ein Konzept zu gießen. "Mit dem Amt wollen wir abklären, was wir in unserem Einzugsbereich tun können", sagt Stadelmann.
Bis auf das Entfernen des Grünwuchses war das seit Sommer nicht viel. Auch einen konkreten Zeitplan für weitere Schritte gibt es noch nicht. Doch Stadelmann verweist auf ein Konzept, das wegweisend sein könnte für seine Gemeinde: "boden:ständig" lautet der Name der Initiative, ins Leben gerufen vom Amt für ländliche Entwicklung. Das Ziel: Auswirkungen von Ereignisse wie im Sommer zumindest abzumildern, durch eine "abflussbremsende Flurgestaltung", wie es auf der Internetseite heißt. "Vielleicht haben wir uns in der Vergangenheit tatsächlich zu wenig damit auseinandergesetzt", sagt Stadelmann, denn: "Erwartet haben wir ein solches Ausmaß wirklich nicht." Ob die Überflutung von Zeil jedoch hätte verhindert werden können, bezweifelt Stadelmann.