zurück
Landkreis Haßberge
Nach Demo gegen vermeintliche "Homo-Propaganda" in Ebern: Wortführer wegen Volksverhetzung vor Gericht
Die Demonstrierenden warfen dem Gymnasium Indoktrinierung vor. Dabei bezeichnete der Mann, der die Versammlung angemeldet hatte, Homosexualität als "Abartigkeit".
Vor dem Eberner Gymnasium gab es im November eine Demo gegen queere Themen im Unterricht. Nun musste sich der Wortführer vor Gericht verantworten.
Foto: Martin Sage | Vor dem Eberner Gymnasium gab es im November eine Demo gegen queere Themen im Unterricht. Nun musste sich der Wortführer vor Gericht verantworten.
Peter Schmieder
 |  aktualisiert: 08.02.2024 13:52 Uhr

Wo liegen die Grenzen der freien Meinungsäußerung? Um diese Frage ging es am Mittwochvormittag vor dem Amtsgericht Haßfurt. Hintergrund waren Aussagen eines 64-Jährigen während einer Demonstration in Ebern am 21. November 2022. Was Juristen, Zeugen und der Angeklagte in der Verhandlung wegen Volksverhetzung sagten, zeigt zwei Dinge. Erstens: Wer auf einer Demo spricht, muss auf seine Wortwahl achten. Denn auch, wenn die Versammlung angemeldet und genehmigt ist, kann eine Aussage Grenzen überschreiten. Zweitens: Ob ein Wort als Beleidigung zu verstehen ist, ist oft gar nicht so eindeutig. Ein Urteil gab es am Mittwoch nicht – zumindest vorerst.

Von Rechtsextremismus bis Corona-Protest: Der Angeklagte ist häufig auf Demos zu sehen

Der Angeklagte ist kein Unbekannter – weder für die Redaktion noch für das Gericht. Als Rechtsextremist ist er schon häufig in Erscheinung getreten. Bei Demos und anderen Veranstaltungen trat er immer wieder unter anderem als Vertreter der Partei "Der Dritte Weg" auf, außerdem bestehen Verbindungen zum Kollektiv "Zukunft schaffen – Heimat schützen" (KZSZH). So ist er auch mehrfach vorbestraft, wegen Volksverhetzung sowie wegen des unerlaubten Besitzes von Munition. In Ebern gehörte er regelmäßig zu den Wortführern bei Demos gegen Corona-Maßnahmen.

Bei der Veranstaltung im November ging es jedoch um ein anderes Thema: Das Eberner Gymnasium hatte für den Abend des 21. November eine Infoveranstaltung angekündigt, bei der es um die Themen Homosexualität und Transgender gehen sollte. Kritiker vermuteten dahinter "Propaganda" und "Indoktrinierung" von Kindern, weshalb sie beschlossen, gleichzeitig zur Schulveranstaltung vor dem Schulgebäude zu demonstrieren.

"Abartigkeit": Zeugen bestätigen die kritische Aussage

Vor Gericht betonte der Angeklagte, der die Demo angemeldet hatte, es habe sich dabei nicht um eine Veranstaltung des "Dritten Wegs" gehandelt, auch wenn er zu diesem Zeitpunkt Parteimitglied war. Dass die Schule schließlich ihren Infoabend absagte, hielt die Kritiker nicht davon ab, sich dennoch zu ihrer mittlerweile genehmigten Demo auf dem Schulparkplatz zu treffen.

Dort trat der Angeklagte als Wortführer auf und schon nach drei Minuten fielen die Worte, wegen derer er sich nun vor Gericht verantworten musste: "Wenn es schlecht läuft, sind wir halt homosexuell. Das ist eine Abartigkeit, die bedauerlicherweise immer wieder vorkommt." So jedenfalls gab ein Polizist den Satz wieder. Der Beamte der Schweinfurter Kriminalpolizei war als Sachbearbeiter vor Ort, notierte die Aussage und meldete sie der Staatsanwaltschaft.

Vor Gericht bestätigte er, den Satz so gehört zu haben. Ein weiterer Zeuge war der Journalist Martin Sage, der seinerzeit für die Main-Post über die Demo berichtet hatte. Auch er hatte in seinem Artikel zitiert, dass der Angeklagte Homosexualität als "bedauerliche Abartigkeit" bezeichnet habe. Der Angeklagte selbst sagte vor Gericht, er könne sich nicht mehr an den Satz erinnern, da er bei seinen Reden frei spreche und kein Skript verwende.

Wann ist "Abartigkeit" eine Beleidigung?

Aber ist "Abartigkeit" als Beleidigung zu verstehen? Eben das bestritt der Angeklagte. Er habe selbst "gute Bekannte, die homosexuell sind", außerdem bewundere er unter anderem die offen lesbische AfD-Politikerin Alice Weidel. Daher wolle er homosexuelle Menschen auch nicht diskriminieren. "Das war keine Kundgebung gegen Homosexualität, auch nicht gegen eine diverse sexuelle Ausrichtung", betont er. Die Demo habe sich lediglich gegen den Infoabend der Schule gerichtet. Das Wort "Abartigkeit" sei "biologisch gemeint" gewesen. Sprich: Es beschreibe eine Abweichung von der Natur, ohne eine negative Wertung zu enthalte.

So fragten Richter Patrick Keller und Staatsanwalt Kraus bei den beiden Zeugen nach, wie sie die Aussage und die Grundstimmung auf der Demo wahrgenommen hätten. Der Reporter sagte, es sei schwer zu beurteilen, wo Diskriminierung beginne. Er habe schon den Eindruck, dass der Angeklagte Homosexualität "unangenehm findet", es habe aber keine Aussagen wie beispielsweise Gewaltaufrufe gegen Homosexuelle gegeben. Der Kriminalbeamte wurde deutlicher: Die Reden seien durchaus "insgesamt feindselig" gegenüber Homosexualität und Transgender gewesen.

Verfahren vorläufig eingestellt: Gericht wünscht sich eine Gesamtstrafe

Der Staatsanwalt sah letztlich den Straftatbestand erfüllt und auch der Richter deutete an, er glaube den Zeugen, dass die Aussagen gefallen seien und dass sie abwertend gegenüber Homosexualität zu verstehen seien. Dennoch wurde das Verfahren vorläufig eingestellt. Denn: Erst kurz vor dem Gerichtstermin hatte der Angeklagte einen weiteren Strafbefehl erhalten – vom Amtsgericht Bamberg wegen Volksverhetzung in fünf weiteren Fällen. Daher wollten die Juristen im aktuellen Fall kein eigenständiges Urteil fällen. Vielmehr solle das Bamberger Gericht dann den Eberner Fall mit einbeziehen und eine Gesamtstrafe für alle sechs Fälle verhängen.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Haßfurt
Ebern
Peter Schmieder
Alice Weidel
Amtsgericht Bamberg
Amtsgericht Haßfurt
Angeklagte
Kriminalbeamte
Lesben
Rechtsextremisten
Staatsanwaltschaft Schweinfurt
Transgender
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • A. F.
    Mit solchen Schwachkö…en müssen sich unsere Gerichte beschäftigen.
    Da fällt dir nix mehr dazu ein.
    Wenn er nix gegen Schwule oder Lesbische hat, warum organisiert er eine Demo gegen diese ?????
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • A. H.
    Die Gerichte befassen sich sehr gerne mit diesen Leuten, denn das generiert sehr viel Geld in die Staatskasse.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • P. K.
    Ich glaube der Typ hat einen abartigen Drang abartige Meinungen in der Öffentlichkeit zu äußern. Er sollte besser schweigend Holz bearbeiten.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • M. D.
    ...."Wann ist "Abartigkeit" eine Beleidigung?"....

    Nun, ich habe keinerlei Sympathie für die Angeklagten und deren Gesinnung.

    Dennoch: mir wurde durch die Staatsanwaltschaft Würzburg und deren "Gutachter" mit großem Bohei 2009/2010 "seelische Abartigkeit" unterstellt, mit dem Ziel der dauerhaften Unterbringung in der Forensik, analog Gustl Mollath.

    Der Ausgang ist in einschlägigen Justizkreisen bekannt: Prof. Dr. Nedopil deckte in Obergutachten auf, dass keine einzige Feststellung des Gutachters der Staatsanwaltschaft zutrifft, vielmehr ein Fehlgutachten unter Missachtung der Mindeststandards vorliegt. Nach Freispruch durch das Landgericht Würzburg verweigerte die Staatsanwaltschaft die Haftentschädigung....der Vorgang wird vertuscht.

    Daher: auch ich fühle mich durch die Zuschreibung, "seelisch abartig" zu sein, zutiefst beleidigt und in meiner Integrität und Würde verletzt....! Verhöhnungen erfolgen bis heute, auch seitens Reportern der MP!

    M. Deeg

    Polizeibeamter a.D.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • S. C.
    Leider verstößt Ihr Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten