
Welches Bild haben Sie im Kopf, wenn von einer rechtsextremen Demonstration die Rede ist? Mit großer Wahrscheinlichkeit stellen Sie sich jetzt Leute in Springerstiefeln vor, die Reichskriegsflaggen schwenken und rassistische Parolen brüllen. Doch die Rechten haben eine neue, viel perfidere Taktik entdeckt: Sie besetzen Themen, bei denen sie auch so manche Person ohne rassistische Überzeugungen auf ihrer Seite haben, beteiligen sich an Kundgebungen zu diesen Themen oder organisieren diese sogar und schwingen sich zu deren Wortführern auf – und versuchen, sich damit als die "eigentliche Stimme des Volkes" zu inszenieren.
Nach dem Ende der Corona-Maßnahmen: Rechte suchen neue Themen
Während der Pandemie waren es vor allem die Demonstrationen gegen die Corona-Regeln, mit denen die Extremisten versuchten, Menschen abzuholen, die sich ihrer Freiheiten beraubt sahen. Nun, da die Maßnahmen zum Infektionsschutz weitgehend aufgehoben sind, müssen sie sich offenbar neue Themen suchen – und haben zumindest in Ebern eines gefunden: Der Kampf gegen eine angebliche Sexualisierung von Kindern. Das Feindbild sind dabei Schulen, die es im Unterricht zum Thema machen, dass es eben auch Homosexuelle und Transmenschen gibt – und dass diese es nicht verdient haben, diskriminiert zu werden.
Für diejenigen, die schon zuvor gegen Corona-Maßnahmen an Schulen demonstriert haben, ist das praktisch: Sie können auch ihre Banner mit der Aufschrift "Hände weg von unseren Kindern" recyceln. Mit der Sorge um die Jüngsten lässt sich halt immer gut Stimmung machen. Zumindest scheint das der Plan der Rechten gewesen zu sein, der bei ihrer Kundgebung vor dem Eberner Gymnasium am Montagabend aber nicht aufging: Gerade einmal vierzig Personen nahmen teil, viele davon bekannte Gesichter aus der rechten Szene.
Der Schulleiter wollte der Demo keine Aufmerksamkeit schenken
Sicher mag es Menschen geben, die sich nicht der rechten Szene zuordnen und dennoch etwas gegen queere Themen in der Schule haben; sei es aus religiösen Gründen oder aus der irrationalen Angst, Kinder könnten dadurch "schwul gemacht" werden. Zur Eberner Kundgebung verirrte sich von diesen aber kaum jemand.
Bei all dem stellt sich die Frage: Wie soll man mit einer solchen Veranstaltung umgehen, wenn man Homophobie und rechtes Gedankengut ablehnt? Schulleiter Martin Pöhner hatte im Vorfeld die Kundgebung vor seinem Gymnasium kritisiert, aber auch dazu aufgerufen, sie einfach "mit Nichtbeachtung zu strafen". Doch es gibt dazu auch andere Meinungen: Rund 120 Gegendemonstrantinnen und -demonstranten fanden sich an der Schule ein und ließen damit die vierzig Leute auf der anderen Seite als verlorenes Häufchen dastehen.
Gegendemonstranten zeigen, dass sie in der Überzahl sind
Beide Positionen sind verständlich und man mag sich im Einzelfall überlegen, ob man einer Strömung dadurch, dass man sich lautstark gegen sie stellt, nicht erst recht Aufmerksamkeit gibt. Doch in Ebern haben die Gegendemonstranten richtig gehandelt: Es war sinnvoll, sich den homophoben Parolen entgegenzustellen und ein klares Zeichen zu setzen, dass die Mehrheit für eine offene Gesellschaft steht. Denn die Geschichte zeigt, was es für Folgen haben kann, wenn man glaubt, Extremismus verschwände, wenn man wegschaut und ihn ignoriert.
leider stand zu dem Zeitpunkt, als wir darüber berichtet haben, dass die trans- und homophobe Demo geplant war, noch nicht fest, ob es eine Gegendemo geben würde. Diese wurde erst sehr kurzfristig beschlossen. Sonst hätten wir auch darauf in unserem Vorbericht hingewiesen.
Mit freundlichen Grüßen aus der Redaktion
Peter Schmieder
Das soll das Übel des Rechtsextermismus keinesfalls relativieren. Aber das Hauptproblem in der Akzeptanz wurzelt aus den Kirchen heraus, woraus sich dann auch die Rechten speisen und laben!
Sicherlich tragen die von ihnen erwähnten Gruppen ihren Teil zur Diskriminierung bei bzw. haben dazu beigetragen. Jedoch ist es in deren Reihen größtenteils ruhig geworden bzw. gibt es in kirchlichen Vereinigungen mittlerweile auch sehr viele Fürsprecher für die LGBTQI-Sache. Die Probleme sind hier doch meist innerhalb der Religionsgemeinschaften vorhanden und werden nicht mehr nach außen getragen.