Seit einigen Wochen herrscht auf dem ehemaligen Werksgelände der Zuckerfabrik im Süden der Stadt Zeil rege Bautätigkeit. Um etwaigen ins Kraut schießenden Gerüchten zuvorzukommen, informierten im Rathaus Bürgermeister Thomas Stadelmann und Geschäftsführer Thomas Fensel sowie Andreas Knaup und dessen Tochter Sina über die Hintergründe. Der Inhaber eines Gartenbaubetriebes aus Röthlein errichtet nämlich derzeit auf besagtem Zuckergelände ein etwa 50 000 Quadratmeter großes Gewächshaus. Daneben sollen auf einer Freifläche von rund zehn Hektar jedes Jahr Millionen von Topfpflanzen angebaut werden.
Das derzeit in Röthlein bei Schweinfurt ansässige Unternehmen konnte einen Großteil des Geländes der ehemaligen Zuckerfabrik von der Südzucker AG erwerben. Insgesamt werden Grundstückskauf und Bau eine Investition im "zweistelligen Millionenbereich" erfordern, so Knaup. Und damit nicht genug: Wenn der Betrieb in Zeil sich bewährt, könnte schon bald ein zweites Gewächshaus mit denselben Dimensionen direkt daneben folgen.
Die Nutzung dieses Geländes war jahrelang Gegenstand eines Rechtsstreits, in dem es darum ging, ob hier eine weitere Bebauung mit gewerblich genutzten Gebäuden zulässig ist. Im März 2018 habe schließlich das Verwaltungsgericht Würzburg entschieden, so Fensel, dass in diesem Überschwemmungsgebiet die Ausweisung neuer Baugebiete untersagt sei. "Vor ziemlich genau 20 Jahren hat die Südzucker AG die letzte Rübenkampagne in Zeil gestartet", erinnerte Bürgermeister Stadelmann. Von 2002 bis 2012 habe die Südzucker wiederholt versucht, das Gelände an etwaige Interessenten zu veräußern. Dies habe jedoch die immer strengere Gesetzeslage zum Hochwasserschutz verhindert, so Stadelmann.
Als einziger Ausweg sei die landwirtschaftliche Nutzung geblieben. Und in diese Kategorie fällt auch der jetzt entstehende Gartenbaubetrieb. Deshalb ist kein Bebauungsplan erforderlich. An den modernen Gewächshäusern kann bei einem drohenden Hochwasser mit geschickten technischen Lösungen die kontrollierte Überflutung erreicht werden. "Die geforderte Ausbreitung des Wassers auf die Flächen der Gewächshäuser ist mit dieser hochwasserangepassten Bauweise gewährleistet. So können die Belange der Hochwasservorsorge im Einvernehmen mit den zuständigen Behörden gelöst werden", erläuterte Stadelmann.
"Das Hauptproblem war", so Andreas Knaup, "die Genehmigung zu bekommen." Bereits vor über zwei Jahren habe er damit begonnen, sich Gedanken zu machen, wie die Vorgaben des Wasserwirtschaftsamtes erfüllt werden könnten. Die Lösung sei, so Knaup, das Gewächshaus "überschwemmbar zu bauen. Das Wasser kann eindringen und abfließen". Alle sensiblen Anlagen werden nach der Bemessungsgrundlage für den Hochwasserschutz HQ 100, also für ein sogenanntes Jahrhunderthochwasser, hochgesetzt. Zudem würden nur 15 Prozent der Bodenfläche im Gewächshaus versiegelt.
Produktionsbeginn Januar 2022
Der Produktionsbeginn in Zeil ist für die dritte Kalenderwoche im Jahre 2022 vorgesehen, in der 16. bis 18. Kalenderwoche soll der Bau abgeschlossen sein. Der Gartenbaubetrieb Knaup hat sich auf die Produktion von Topfpflanzen spezialisiert. Die Pflänzchen kommen "als Jungpflanzen oder unbewurzelte Stecklinge" zu Knaup und sollen hier wachsen und gedeihen. Einige Hunderttausend Zierpflanzen aus dem Beet- und Balkonbereich wie Geranien und Petunien sowie Frühjahrsblüher und Herbstpflanzen wie Calluna und Primeln kommen dann jährlich aus dem Betrieb Knaup, dazu Gemüsepflanzen im Topf für Hobbygärtner wie Erdbeeren, Tomaten, Zucchini. "Wir beliefern zu 85 Prozent den Lebensmittel-Einzelhandel in Deutschland und in den angrenzenden EU-Ländern, 15 Prozent der Produktion gehen an Kleinhändler und Gärtnereien." Knaup betont, dass Endverbraucher nicht direkt bei ihm einkaufen können, er kleinen Gärtnereien also keine Konkurrenz macht. Im Gegenteil, diese würden von ihm beliefert.
Die Firma Knaup beschäftigt derzeit in Röthlein 48 Mitarbeiter, 30 bis 40 sollen es in Zeil werden. Wobei mittel- und langfristig daran gedacht ist, den mittlerweile veralteten Betrieb in "Röthlein abzustoßen", so Knaup. Die Mitarbeiter würden zum Teil nach Zeil übernommen. Während in Röthlein nur durch "Manpower" aus Mangel an technischen Voraussetzungen eine optimale Auslastung des Betriebes erreicht werde, soll in Zeil modernste Technik zum Einsatz kommen. "Wir haben uns für eine vollautomatische Mobiltisch-Anlage entschieden", so Knaup. Das sei die teuerste aller möglichen Lösungen. Die Tische fahren computergesteuert durch den Betrieb und zur Verpackungsanlage. Diese ist im ehemaligen Schnitzellager der Zuckerfabrik untergebracht, dieses noch vorhandene Gebäude genießt Bestandsschutz.
Gießwasser aus Auffangbecken
Ebenfalls in diesem Überbleibsel aus Zuckerzeiten wird der Kesselraum der Heizungsanlage mit Hackschnitzeln gefüttert. "Wir versuchen, so CO2-neutral wie möglich zu werden", verspricht Andreas Knaup. Auch die Wasserversorgung soll weitgehend aus der Natur erfolgen. Das Gießwasser wird zu 80 bis 90 Prozent aus Regenwasser gewonnen. Dazu legt das Unternehmen eigens ein rund einen Hektar großes Auffangbecken an.
Im Zusammenhang mit dem Verkauf des Werksgeländes an die Gärtnerei habe sich die Stadt Zeil ebenfalls Flächen sichern können, die für die weitere Stadtentwicklung wertvoll seien. Im Süden sei die Begradigung der Entlastungsstraße jetzt ohne weiteren Grunderwerb möglich. Und durch den Erwerb der sogenannten „Zuckerstraße“ könne hier eine mögliche Entlastungsstraße mit einer Bahnbrücke hinüber in das Gewerbegebiet „Gröbera“ geschaffen werden, so Thomas Fensel. Damit wäre vor allem die Oskar-Winkler-Straße erheblich vom starken Durchgangsverkehr entlastet. Dies sei allerdings noch Zukunftsmusik, gestand Bürgermeister Stadelmann, da der finanzielle Spielraum der Stadt derzeit solche Lösungen nicht zulasse.