Sonntagmorgen, kurz nach 10 Uhr, in der fast bis auf den letzten Platz besetzten Stadthalle in Königsberg. Auf der Bühne tritt ein gut gelaunter, regelrecht fröhlicher Landrat Wilhelm Schneider (CSU) ans Mikrofon. Und verkündet seinem Publikum: "Wir haben heute nach 50 Jahren allen Grund zu feiern". Und genau das tut der Landkreis Haßberge auch: Mit einem Festwochenende in Königsberg und dem offiziellen Festakt in der dortigen Rudolf-Mett-Halle feiert der Landkreis seinen 50. Geburtstag.
Schneider macht noch einmal unmissverständlich klar, dass es Anfang der 70er-Jahre die richtige Entscheidung gewesen sei, den Landkreis Haßberge in seiner heutigen Form aus den Altlandkreisen Haßfurt, Hofheim und Ebern zu gründen. Und wiederholt, was er schon oft gesagt hat, wenn Kritiker den Landkreis heute noch als Kunstgebilde bezeichnen, das nicht so recht zusammengewachsen sei. "Bei einer Aufteilung des Landkreises hätten alle drei Altlandkreise verloren. Wir wären überall ein Anhängsel gewesen", sagt Schneider mit Blick auf die Nachbarkreise Bamberg, Schweinfurt und Coburg.
Dass es immer noch vor allem aus dem Eberner Raum den Vorwurf einer zu starken Haßfurt-Zentriertheit gibt, verschweigt der Landrat nicht. Aber an diesem Festsonntag antwortet er darauf beinahe milde: "Wir versuchen, unseren Landkreis ausgeglichen weiter zu entwickeln. Keine Stadt oder Gemeinde wird stiefmütterlich behandelt, sondern wir unterstützen alle Kommunen bestmöglich in ihrer Entwicklung."
Schneider verteidigt nicht nur die zum 1. Juli 1972 vollzogene Grenzziehung des Landkreises Haßberge. Sondern auch den Grundgedanken der Kreis- und Gemeindegebietsreform von damals. Er erinnert an Dörfer, in denen Kinder draußen auf den Straßen spielen konnten, weil noch kaum Autos auf den schlecht ausgebauten Verkehrswegen fuhren. Er erinnert an Pferdegespanne, die damals noch auf manchem Acker ihre Bahnen zogen. Und daran, dass es Anfang der 1970er-Jahre zwischen Steigerwald und Haßbergen weder Müllabfuhr noch zentrale Kläranlagen gab. Die Gemeinden seien vor so großen Aufgaben gestanden, "dass sie nur noch von größeren und leistungsstärkeren Kommunen und Verwaltungsgemeinschaften bewältigt werden konnten".
Der Rückblick auf ein halbes Jahrhundert Landkreis Haßberge zeige nun, wie viele Herausforderungen gemeistert worden seien, erklärt Wilhelm Schneider seinen geladenen Gästen aus Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Kirchen, Kultur und den Partnergemeinden aus Frankreich, Schweden und Polen. Er spricht von einem erfolgreichen Weg des Landkreises und seiner 26 Städte, Märkte und Gemeinden. Und fasst zusammen: "Wir alle können uns glücklich schätzen, in einer solchen in vielerlei Hinsicht reichen Heimat zu Hause zu sein."
Das findet auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, der Festredner des Festaktes. "Der Landkreis Haßberge gehört zu den kleinen, aber feinen Landkreisen", lobt der CSU-Politiker. Und verteilt zahlreiche weitere Komplimente, etwa was die Beschäftigung anbelangt. In Bayern sei die Arbeitslosigkeit bundesweit am niedrigsten, aber im Landkreis Haßberge liege die Quote noch einmal unter dem bayerischen Durchschnitt. Schließlich kommt Herrmann sogar zum Schluss, der Landkreis Haßberge sei "auch 50 Jahre nach der Gebietsreform eine wunderbare Heimat".
Wieso die CSU trotz Gebietsreform die Landtagswahl 1974 gewinnen konnte
Vor allem aber blickt auch der Spitzenpolitiker aus Erlangen noch einmal 50 Jahre zurück. Da habe Bayern als eines der letzten Bundesländer noch "die alte Verwaltungsstruktur aus der Postkutschenzeit" gehabt; die Notwendigkeit von Reformen sei unbestritten gewesen. Trotzdem habe es erhebliche Widerstände in den Kommunen, aber auch in seiner eigenen Partei gegeben. Dass die CSU bei der Landtagswahl 1974 dann nicht abgestraft worden sei, sondern ihr bestes Ergebnis aller Zeiten erzielte, sei an den noch viel weiter reichenden Reformplänen der SPD gelegen.
Schnell werde vergessen, so der Innenminister, dass Bayern 1972 noch nicht die Spitzenstellung in Deutschland innehatte wie es heute der Fall ist; sondern vielmehr Empfänger aus dem Länderfinanzausgleich war. Dass sich der Freistaat dann so prächtig entwickelt habe, das führt Herrmann zu einem guten Teil eben auch auf die Gebietsreform und die daraus resultierenden leistungsfähigen Kommunalverwaltungen hier wie dort im Lande zurück.
Sie fehlen: Albert Meyer und Walter Keller, die Gründerväter des Landkreises Haßberge
Ein Junge von 13 Jahren war Landrat Wilhelm Schneider bei der Gründung "seines" Landkreises. Und so bedauert es Schneider, dass die beiden eigentlichen Gründungsväter nicht mitfeiern und nicht mit zurückblicken können: Der einstige Staatssekretär und Landtagsabgeordnete Albert Meyer (CSU) ist 2020 verstorben; und Altlandrat Walter Keller (CSU) gesundheitlich verhindert. Albert Meyer habe ihm oft von der schwierigen Geburt des Landkreises und der großen Überzeugungsarbeit erzählt, die er in den Kommunen habe leisten müssen, erinnert sich Schneider. Und auch daran, dass Meyer trotzdem immer wieder über den heutigen Landkreis Haßberge als "einen einzigen Glücksfall" gesprochen habe.
Claus Bittenbrünn, Bürgermeister von Königsberg und Gastgeber der Feierlichkeiten zum Landkreisjubiläum, kann dieser Aussage nur zustimmen. Keine andere Kommune dürfte eine so wechselvolle Geschichte territorialer Zugehörigkeit erlebt haben wie "sein Königsberg". Die Stadt kam, zusammen mit dem Freistaat Coburg, erst 1920 zu Bayern und war dann dem Bezirk Hofheim im Kreis Unterfranken und Aschaffenburg zugeteilt.
"Wir Königsberger leben gerne im Landkreis Haßberge", spricht Bittenbrünn für sich und seine Bürgerinnen und Bürger. Und das liege nicht nur daran, dass die Regiomontanus-Stadt den geografischen Mittelpunkt des Kreisgebietes markiere. Wenn diese Aussage einst aus allen Teilen des Landkreises kommt, braucht man sich über ein angebliches Kunstgebilde keine Gedanken mehr machen.