Wie passen ein Landschaftsschutzgebiet und ein neues Firmengebäude oder die Ausweisung eines neuen Baugebietes zusammen? Gar nicht, weil der Schutzzweck weder das eine noch das andere erlaubt. Wie macht man es passend? Indem man den Schutzstatus aufhebt. Immer wieder ist der Kreistag mit den Wünschen der Kommunen konfrontiert, die Schutzgebiete in ihren Fluren zu beschneiden. Oft sind die Vorhaben umstritten - und es stellt sich die grundsätzliche Frage nach dem Umgang mit der zu erhaltenden Natur- und Kulturlandschaft.
Am Montag fanden im Kreistag zwei Anträge große, aber nicht einstimmige Mehrheit: Die Gemeinde Untermerzbach darf ein acht Hektar großes Stück aus dem Landschaftsschutzgebiet des Naturparks Haßberge herausschneiden, damit die Firma Rösler ihr in Memmelsdorf ansässiges Stammwerk erweitern kann. Und im Ebelsbacher Gemeindeteil Schönbrunn wird der südöstliche Ortsrand mit dem neuen Baugebiet "Breitfeld" alsbald knapp 4500 Quadratmeter tief in das dortige Landschaftsgebiet vordringen.
Es geht auch um Arbeitsplätze
Im Untermerzbacher Fall war nicht nur die Bedeutung von Rösler als einer der größten Arbeitgeber der Region ein wichtiges Argument, die Ausdehnung auf Kosten des Landschaftsschutzes zu gestatten - der Spezialist für Oberflächentechnik bietet am Stammwerk fast 1000 Jobs. Vielmehr ist es dem Unternehmen, der Gemeinde und der Naturschutzbehörde am Landratsamt gelungen, den Flächenverlust mehr als auszugleichen: Sie haben Wiesen, Brachen, Äcker in Memmelsdorf, Ober- und Untermerzbach mit einer Gesamtfläche von 9,2 Hektar gefunden, die neu in das Landschaftsschutzgebiet aufgenommen werden. Und im Ebelsbacher Fall geht die Grenze des bisherigen Schutzgebietes mitten durch das Baugebiet "Breitfeld", ohne dass sich diesseits oder jenseits an der Natur etwas ändern würde.
"Teilenteignung" der Landwirte
Es sind vor allem Landwirte, die - wohl eher zähneknirschend, wie Kreisrat Herbert Baum (fraktionslos) vermutete - in Untermerzbach zugestimmt haben, dass ihr Grund und Boden nun als Landschaftsschutzgebiet firmiert. Was Klaus Merkel (CSU), wie Baum von Beruf Landwirt, zur Bemerkung veranlasste, dass so etwas immer einer Teilenteignung gleich komme. "Wir Bauern haben es oft genug erlebt, dass sich die Auflagen plötzlich geändert haben." In einem Landschaftsschutzgebiet ist landwirtschaftliche Nutzung nicht grundsätzlich verboten - sie wird lediglich dort eingeschränkt, wo sie den Gebietscharakter negativ verändern würde oder mit den erklärten Schutzzielen nicht vereinbar wäre. Merkel schwant es, dass da eines Tages Einschränkungen auf die Landwirte zukommen könnten.
Landschaftsschutz versus Wirtschaftskraft und Arbeitsplätze, versus Eigenheimsehnsüchte von Dorfbewohnern auf der grünen Wiese: Der Landkreis Haßberge ist mit 956 Quadratkilometern ein Flächenlandkreis. Und er wirbt auch mit der Fläche, vor allem mit dem Freizeit- und Erholungswert von Haßbergen und Steigerwald samt ihren Naturparken und Landschaftsschutzgebieten. Das hindert die Kommunalpolitik aber keinesfalls daran, immer wieder die Schere an den Schutzgebieten anzusetzen. Die Stadt Zeil etwa hat für das Baugebiet "Mittelsetz II" im Westen der Stadt vor nicht allzu langer Zeit das Landschaftsschutzgebiet Haßberge um 2,8 Hektar zurückstutzen lassen. Der Burgpreppacher Gemeinderat erteilte Anfang des Jahres einem Bauvorhaben zur "Dorfabrundung" von Leuzendorf grünes Licht , obwohl im Ort mehrere Bauplätze zum Verkauf stehen.
Untermerzbach als "Best-Practice-Beispiel"
Ist sich also der Landkreis, sind sich seine Kommunen wirklich des Wertes ihrer "schönen Landschaft" bewusst? Landrat Wilhelm Schneider (CSU) bekräftigt das. Am Donnerstag unterstrich er im Gespräch mit dieser Zeitung den Willen, die geschützten Landschaftsbestandteile zu erhalten, sprich dem Schrumpfen Einhalt zu gebieten. Schneider verweist auf den neuen Weg, den der Landkreis nach dem Willen des Naturschutzbeirates geht: Wo immer die Behörden aufgefordert sind, Flächen aus dem Landschaftsschutz herauszunehmen, erwarten sie "konstruktive Vorschläge" für Ausgleichsflächen. Und das gelte nicht nur quantitativ, also für die Flächengröße, sondern auch qualitativ. "Wir achten darauf, dass die neuen Flächen auch wirklich schutzwürdig sind." Beides sei in Untermerzbach der Fall. Landrat Schneider hofft, dass dieses "Best-Practice-Beispiel" auch in den Kommunen Schule macht: Hier soll sich das Bewusstsein herausbilden, dass es keine Änderung ohne Ausgleichsangebot geben kann. Schrumpfen nämlich sollen die Landschaftsschutzgebiete nicht.
Grenzziehung war einst recht willkürlich
Aber wäre es nicht an der Zeit, die Grenzziehungen der Landschaftsschutzgebiete innerhalb der Naturparke Haßberge und Steigerwald an der Wässernach grundsätzlich einmal zu überdenken? Schließlich wurden die Schutzgebiete Mitte/Ende der 80-er Jahre bisweilen arg willkürlich mit dem Bleistift auf der Karte umrissen. "Von der Sache her gebe ich Ihnen recht", sagte Wilhelm Schneider am Donnerstag, "aber da würden wir ein Fass aufmachen". Will heißen: Es würde eine wohl kaum beherrschbare Diskussion um eine neue Abgrenzung losbrechen. Da sei es wohl besser, sich vernünftig mit den Einzelfällen auseinanderzusetzen.
Zahlreiche vormalige Landschaftsschutzgebiete sind mit Inkrafttreten der Naturparkverordnungen im Steigerwald (1987, 52200 Hektar) und Steigerwald (1988, 22600 Hektar) außer Kraft getreten, da sie innerhalb der Schutzzonen der Naturparke liegen und hier den gleichen Rechtscharakter wie Landschaftsschutzgebiete besitzen.
Nach Auskunft des Landkreises hat der Kreistag in der Legislaturperiode 2014 bis 2020 der Herausnahme von 13,33 Hektar Fläche aus den Landschaftsschutzgebieten des Naturparks Haßberge (Hereinnahme: 9,41 Hektar) und der Herausnahme von 0,3 Hektar im Bereich des Steigerwalds zugestimmt.
Lesen Sie zu diesem Beitrag auch den Kommentar von Martin Sage