
Wozu baut Knetzgau extra zwei Zelte mit allem Drum und Dran für einen Corona-Sonderimpftermin jetzt am Samstag auf, obwohl es die Gemeinde mit der Aktion beispielsweise in der Schule viel einfacher haben könnte?
Weil es darum geht, den immer noch Ungeimpften "niederschwellige Angebote" zu unterbreiten, sagt Bürgermeister Stefan Paulus (SPD, Christliche Wählergemeinschaft CWG). Diesen Begriff nimmt er immer wieder in den Mund. Um dann im gleichen Atemzug Landrat Wilhelm Schneider (CSU) "08/15-Corona-Politik" oder "mangelnde Kreativität" vorzuwerfen - wie im Gespräch mit der Redaktion am Dienstag.
Vollständig geimpft: Die Impfquote im Landkreis liegt bei knapp 63 Prozent
Niederschwellige Angebote heißt: All jenen, die sich noch unsicher sind mit der Impfung, die noch zögern, soll der Schritt hin zum Piks so leicht wie möglich gemacht werden. Von rund 84 500 Menschen im Landkreis Haßberge sind gegenwärtig etwa 52 600 vollständig geimpft - die Impfquote liegt bei knapp 63 Prozent. Da ist noch Luft nach oben, selbst wenn man die überzeugten Impfverweigerer herausrechnet.
Es ist unbestritten, dass es für viele Männer und Frauen im Landkreis zwar ein Angebot, aber kein niederschwelliges ist, zum Impfzentrum nach Königsberg zu fahren. Denn der Weg hierhin ist von vielen Ausgangspunkten aus ein weiter, von Rauhenebrach etwa sind es 30 Kilometer. Auch Hausärzte impfen, doch wer ohnehin Vorbehalte gegen die Corona-Impfung hat, wird sich eher nicht um einen oft schwer zu bekommenden Praxistermin bemühen.
Allerdings: Der Landkreis hat von Beginn der Pandemie an mobile Impfteams eingesetzt - nicht nur in Pflege- und Behinderteneinrichtungen, sondern beispielsweise in Schulen oder den gemeinnützigen Tafel-Läden. Und: Ende Oktober ist eine Gemeinde-Impftour angelaufen. Seither haben sich in Rauhenebrach, Ebelsbach, Hofheim, Trossenfurt und Ebern zusammen genommen laut Gesundheitsamt fast 350 weitere Personen ihren Impfschutz wohl mehr oder weniger "vor der eigenen Haustüre" abgeholt.
Zahlen, die Bürgermeister Paulus wenig überzeugen - und dem die oben genannten und die noch ausstehenden Impftermine in den Gemeinden immer noch nicht niederschwellig genug sind. Weil sie in Rathäusern, Turnhallen oder Schulen stattfinden, "aber da ganz sicher nicht die großen Besucherströme sind". Wo dann?

Dort zum Beispiel, wo die Menschen samstags einkaufen gehen, vermutet Paulus. Deshalb schlägt die Gemeinde die Impfzelte jetzt am 13. November auf dem Parkplatz neben dem Edeka-Markt Karais auf. Dort kann sich dann mit dem Impfstoff von Biontech impfen lassen, wer will, ohne Anmeldung und notfalls auch ohne Impfausweis, wenn der Personalausweis vorliegt.
Was allerdings einen organisatorischen Kraftakt nach sich zieht: Denn die Impfaktion verlangt nach Strom und WLAN-Verbindung, nach Wasseranschluss und Kühlschränken, Heizlüftern, Tischen, Bänken und einigem mehr. Der Bauhof hilft mit, die Infrastruktur zu stellen, ebenso Ehrenamtliche wie die Knetzgauer Reservisten oder die Oberschwappacher Feuerwehr. Gut und gerne 8000 Euro nimmt die Kommune für das Impfangebot in die Hand.
Paulus: "Immerhin übernehmen wir hier eine Aufgabe des Landkreises"
Zumindest einen Teil des Geldes möchte der Bürgermeister zurückerstattet bekommen. Das hat Paulus vor einiger Zeit in einem Brief an Landrat Schneider deutlich gemacht mit folgender Begründung: "Immerhin übernehmen wir hier eine Aufgabe des Landkreises, der es leider versäumt hat, flächendeckend in den Landkreiskommunen Impfungen anzubieten."
Für den Knetzgauer Rathauschef ist es ein großer Fehler, dass der Landkreis nicht, wie anderswo geschehen, ein Impfmobil angeschafft hat, um mit der Corona-Bekämpfung in die Fläche zu gehen und dezentral agieren zu können. Eine Antwort auf sein Schreiben will Paulus bis heute nicht erhalten haben.
Das, was stattdessen läuft, die Impftour, hält er in weiten Teilen für fantasielos, eben für 08/15-Corona-Politik, die er nicht der "sehr engagierten Impfverwaltung" des Landkreises, sondern dem Landrat höchstpersönlich anlastet. "Es müsste beispielsweise Samstagabend was vor den Discotheken geschehen, wo die jungen Leute zusammen kommen", sagt er. Ebenso, dass die Impftrupps in die großen Wohngebiete gehen sollten.
Nicht genug der tadelnden Worte: Paulus findet zudem, dass der Landkreis zu wenig Werbung macht für das Impfen. Er selbst hat gerade 2000 Euro für eine Kampagne mit Sympathieträgern ausgegeben. Auf Plakaten und in sozialen Netzwerken erklären zum Beispiel Julian Wirt und Oliver Fuß von der Feuerwehr Knetzgau: "Auch Sie können Leben retten. Bitte lassen Sie sich impfen!" In dieser Richtung hätte der Landkreis viel mehr tun müssen "als Pressemitteilungen herauszugeben", kritisiert der Lokalpolitiker.

Im Landratsamt stößt diese Kritik auf absolutes Unverständnis. Für Landrat Wilhelm Schneider ist das Impfangebot sehr wohl niederschwellig und flächendeckend. Und: "Impfen to go, also ohne Termin und Registrierung, und auch die Sonderimpfaktionen wurden und werden gut angenommen", schreibt der Kreischef in einer Stellungnahme. Gerade durch die Sonderimpfaktionen hätten sich viele Bürgerinnen und Bürger zur Impfung motivieren lassen.
Auch dass der Landkreis zu wenig die Werbetrommel gerührt hat, will der CSU-Politiker nicht gelten lassen, schon deshalb nicht, weil die Verwaltung des Impfzentrums seit Juli in den sozialen Netzwerken - Facebook und Instagram - tätig ist. "Hiermit erreichen wir neben den Pressemitteilungen und den Informationen auf unserer Homepage ein breites Publikum - quer durch alle Altersstrukturen", ist sich Schneider sicher.
In Knetzgau stellt der Landkreis, wie in den anderen Gemeinden auch, vom Impfzentrum in Königsberg ein mobiles Impfteam ab, bestehend aus Arzt oder Ärztin, medizinischen Fachangestellten, Verwaltungskräften und einem Koordinator. Ein Fahrer liefert das gesamte Material - Impfzubehör, EDV-Ausstattung - und holt es am Ende der Aktion wieder ab.
Für die Räumlichkeiten, Tische, Stühle und dergleichen, sorgt die Gemeinde. Die Knetzgauer Idee mit dem Zelt hält Landrat Schneider aufgrund der kalten Witterung "nicht für die beste Lösung", auch wenn es eine Heizmöglichkeit gibt. Und ob die Kombination Einkaufen und Impfen wirklich funktioniert, das muss sich auch noch zeigen.
Angebot in der Eltmanner Stadthalle wurde "sehr gut angenommen"
Meint zum Beispiel Eltmanns Stadtoberhaupt Michael Ziegler (CSU). "Ob da die Leute alle die Impfpässe oder Ausweise dabei haben, da bin ich mir nicht sicher", sagte Ziegler am Mittwoch zur Redaktion. Dass umgekehrt seine Stadthalle der falsche Ort sein soll, wundert ihn: "Sie bietet sich durch ihre zentrale Lage mitten in der Stadt dafür doch regelrecht an". Im August hätten sich hier gut 70 Personen zu einer Impfaktion eingefunden - für den Bürgermeister ist das "sehr gut angenommen". Im November folgen zwei weitere Termine, der Eltmanner Rathauschef rechnet mit ähnlicher Resonanz. Auch weil die Stadt die Aktion im Mitteilungsblatt und über soziale Medien bewirbt.
In Knetzgau geht Bürgermeister Stefan Paulus indes anhand erster Rückmeldungen auf seine Werbekampagne davon aus, dass seine Gemeinde am Samstag "regelrecht überrannt wird" von Impfwilligen.
Corona-Pandemie: Die verbleibenden Novembe-Termine der "Gemeinde-Impftour"
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