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Kreis Haßberge
Klimaneutral bis 2030? Das sagen ein Landwirt und zwei Unternehmer aus dem Haßbergkreis
Der Landkreis Haßberge möchte bis zum Jahr 2030 bilanzielle Klimaneutralität erreichen. Aber wie sieht es in der Praxis aus? Die Redaktion hat nachgefragt.
Für mehr Klimaschutz wird immer wieder demonstriert, wie etwa hier 2019 in Haßfurt. Inzwischen hat sich der Landkreis Haßberge auf die Fahnen geschrieben, bis 2030 klimaneutral sein zu wollen.
Foto: Jonas Keck | Für mehr Klimaschutz wird immer wieder demonstriert, wie etwa hier 2019 in Haßfurt. Inzwischen hat sich der Landkreis Haßberge auf die Fahnen geschrieben, bis 2030 klimaneutral sein zu wollen.
Wolfgang Aull
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:50 Uhr

Der Landkreis Haßberge will bis zum Jahr 2030 bilanzielle Klimaneutralität erreichen. So sieht es der hierzu eigens vorbereitete Klimapakt vor. Strom soll demnach zu 100 Prozent regenerativ erzeugt werden und auch die Wärmeversorgung soll klimafreundlich sein. Im Klimapakt sind außerdem ein klimafreundlicher und nachhaltiger Lebensstil sowie regionale Wertschöpfung festgehalten. Die Redaktion hat sich erkundigt, was in der Landwirtschaft, bei der Gebäudedämmung und in einem großen Unternehmen bereits heute mit Blick auf die Zukunft getan wird.

1. BBV-Kreisobmann Reisenweber: "Landwirte sind die Hauptspieler in der Energiewende"

Dieter Reisenweber ist Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbandes (BBV). Der Landwirt aus Untermerzbach hat sich auf Milchwirtschaft spezialisiert. 70 Kühe stehen in seinem Stall. Er setzt auf Regionalität: Das Vieh erhält aus eigenem Anbau Grünfutter. Zugekauft wird Rapsschrot aus Deutschland, und als Importware Soja.

Reisenweber sieht Landwirte als Hauptspieler in der Energiewende: "Die Fläche ist die Grundlage." Sie liefere Biomasse für Vergärungsanlagen, Hackschnitzel für Fernwärmenetze und Ackerboden für Photovoltaik. Er habe verinnerlicht, was ihm Günther Felßner, der Präsident des Bayerischen Bauernverbandes, mit auf den Weg gegeben habe: "Wir müssen Lösungen anbieten für die Bereiche Nahrung, Energie, Biodiversität und Decarbonisierung."

Dieter Reisenweber ist der Überzeugung: Solange man miteinander redet, können die gesetzten Ziele zur Klimaneutralität gelingen.
Foto: Wolfgang Aull | Dieter Reisenweber ist der Überzeugung: Solange man miteinander redet, können die gesetzten Ziele zur Klimaneutralität gelingen.

In diesem Sinne investiere er viel Zeit in den Kontakt zur GUT, also der Gesellschaft zur Umsetzung erneuerbarer Technologieprojekte im Landkreis Haßberge. Deren Geschäftsführer Marco Siller müsse nur sagen, was er plane, dann würden sich die Landwirte schon darauf einstellen. Ein neues Fernwärmenetz könnte beispielsweise die ortsnahe Einrichtung von sogenannten Kurzumtriebsplantagen zur Folge haben, also den Anbau von Pappeln, Weiden und Erlen.

Reisenweber setzt auf die Heimat: "Regionale Versorgung, regionale Energie und regionaler Naturschutz." Und er mahnt zum Maßhalten, denn: "Wir importierten schon heute mehr Nahrungsmittel als wir exportieren."

Seiner groben Schätzung zufolge liegt der Flächenverbrauch für die Energieerzeugung derzeit bei rund zehn Prozent und wird sich in der Region auf 20 Prozent verdoppeln. Hieran sei nicht zu rütteln. Überlegungen, die Erträge auf den bewirtschafteten Feldern zu steigern, seien utopisch.

"Die gesetzten Ziele zur Klimaneutralität können gelingen."
Dieter Reisenweber, BBV-Kreisobmann

Die Landwirte sieht Reisenweber in mehrfacher Hinsicht gefordert: Der Klimawandel setze Akzente. So müsse zum Beispiel der Fuhrpark auf Strom, Wasserstoff und sicherlich auch E-Fuels umgestellt werden. Auch der Humusverlust schreite voran. Gutes, vorausschauendes Handeln sei geboten, doch alles sei machbar, solange man miteinander rede: "Die gesetzten Ziele zur Klimaneutralität können gelingen."

2. Energieberater Gerstenkorn: Die beste Energie ist die, die gar nicht erst gebraucht wird

Dieter Gerstenkorn ist Geschäftsführer der Firma Maler Klee GmbH mit Sitz in Ebern. Er beschäftigt drei Meister, sechzehn Gesellen, zwei Azubis und zwei Büroangestellte. Bereits vor 16 Jahren, im Jahr 2007, ließ er sich zum Energieberater der Handwerkskammer ausbilden. Seitdem treibt er nach eigener Aussage die Wärmedämmung, insbesondere von Bestandsgebäuden, mit großem Elan voran. Gerstenkorn bringt einen entscheidenden Aspekt auf den Punkt: "Die umweltschonendste und die billigste Energie ist die, die wir nicht brauchen."

Energieberater Dieter Gerstenkorn erklärt, dass es ihm wichtig ist, dass Gebäude gut gedämmt sind, und dass das auch bei Altbauten möglich ist.
Foto: Wolfgang Aull | Energieberater Dieter Gerstenkorn erklärt, dass es ihm wichtig ist, dass Gebäude gut gedämmt sind, und dass das auch bei Altbauten möglich ist.

Er erklärt hierzu: "Bei den Gebäuden ist mir wichtig, dass sie gut gedämmt sind." Im Gespräch mit der Redaktion weist er auf Altbausanierungen auf dem ehemaligen Bundeswehrgelände hin. Die Isolierung könne durchaus 20 Zentimeter dick sein. Ein Punkt sei aber, dass am Ende die Optik passen muss, was dank moderner Stucktechnik auch durchaus möglich sei. Bei einem alten Gebäude seien "70 bis 80 Prozent Wärmeeinsparung drin, wenn alles aufeinander abgestimmt ist: Dach, Fenster, Außenwände, Kellerdecke".

3. Maintal-Geschäftsführer Hammelbacher: Klimaneutrale Produktion erreicht

Klaus Hammelbacher ist Geschäftsführer der Firma Maintal Konfitüren GmbH mit Sitz in Haßfurt. Der Betrieb sei, berichtet er nicht ohne Stolz, seit zwei Jahren offiziell "klimaneutral". In die Geschäftsführung des Unternehmens eingestiegen ist der studierte Biologe im Jahr 1999 gemeinsam mit Anne Feulner, der Tochter des damaligen Firmenchefs Helmut Müller.

Sie seien sich einig gewesen, dass "ökonomische, ökologische und soziale Aspekte stets miteinander in Einklang stehen müssen". Den ersten richtungsweisenden Impuls setzten die beiden bereits im Jahr 2000 mit der Einführung eines umfangreichen Bio-Sortiments.

Klaus Hammelbacher mit der unternehmenseigenen Mikrogasturbine, die Strom produziert und mit deren heißer Abluft der Dampfkessel vorgeheizt wird.
Foto: Wolfgang Aull | Klaus Hammelbacher mit der unternehmenseigenen Mikrogasturbine, die Strom produziert und mit deren heißer Abluft der Dampfkessel vorgeheizt wird.

Die Klimaneutralität kam Schritt für Schritt, wie Hammelbacher berichtet: "Zunächst, im Jahr 2010, haben wir die Dachflächen der Betriebsgebäude mit Photovoltaikanlagen versehen. Ab dem darauffolgenden Jahr bezogen wir über das Stadtwerk zertifizierten grünen Strom."

2015 investierte Maintal in die Modernisierung des Dampfkessels, seine Befeuerung wurde von Öl auf Gas umgestellt. In Kooperation, ebenfalls mit dem Stadtwerk Haßfurt, stellte das Unternehmen eine Mikrogasturbine auf. Diese produziert Strom und mit der heißen Abluft wird der Dampfkessel vorgeheizt. Weitere Abwärme wird genutzt, um Reinigungswasser anzuwärmen. Hammelbacher zufolge kann die Turbine auch mit Biogas oder Wasserstoff betrieben werden.

"2023 ging ein neues Tiefkühllager in Haßfurt in Betrieb. Durch dieses Kühlhaus entfallen viele Transportkilometer."
Klaus Hammelbacher, Maintal-Geschäftsführer

"2023 ging ein neues Tiefkühllager in Haßfurt in Betrieb", erklärt er außerdem. "Es zeichnet sich durch einen geringen Energieverbrauch und eine hohe Wärmerückgewinnungsrate aus. Bisher waren zur Tiefkühlung fast sämtlicher Früchte externe Kühlhäuser angemietet, aus denen wöchentlich die Ware für die Produktion nach Haßfurt transportiert wurde. Durch dieses Kühlhaus entfallen viele Transportkilometer."

Der Geschäftsführer bilanziert: "Unser Gesamtstromverbrauch liegt bei circa einer Million Kilowattstunden. Ein Drittel hiervon wird über Photovoltaik selbst erzeugt, ein weiteres Drittel entsteht über die hauseigene Mikrogasturbine. Das verbleibende Drittel ist Biostrom aus den Stadtwerken."

Weiterhin werde Gas zur Erzeugung von Dampf für den Heizkessel benötigt. "Angesichts dessen, dass wir somit unseren CO2-Ausstoß nicht völlig herunterfahren können, beteiligen wir uns im Rahmen einer freiwilligen Selbstverpflichtung seit dem Jahr 2020 an sogenannten Kompensationsmaßnahmen."

Die Organisation climatepartner erhalte von der Firma Geld und realisiere damit Projekte, die sich eignen, CO2-Bildung zu neutralisieren. Als Beispiel führt Hammelbacher ein Aufforstungsprojekt in Nicaragua (Mittelamerika) an.

So erreiche das Unternehmen eine klimaneutrale Produktion am Standort Haßfurt und Klimaneutralität für das Hauptprodukt Maintal-Hiffenmark einschließlich der gesamten Wertschöpfungskette. Im Vordergrund stehe das Vermeiden von Emissionen und an zweiter Stelle die Kompensation, sprich der Ausgleich von Emissionen.

 
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