Schwimmbäder gehören zu den öffentlichen Einrichtungen, die während der Corona-Pandemie lange geschlossen bleiben mussten. Für Erwachsene, die in ihrer Freizeit gerne schwimmen gehen, bedeutete das lediglich, dass sie für einige Zeit auf ein Hobby verzichten mussten.
Für Kinder kann diese Schließung hingegen weitreichendere Folgen haben: Seit eineinhalb Jahren mussten Schwimmkurse ausfallen und so hatten viele junge Menschen auch nicht die Gelegenheit, das Schwimmen überhaupt zu lernen. Dazu kommt im Landkreis Haßberge ein weiteres Problem: Es gibt immer weniger Schwimmbäder, in denen überhaupt Kurse stattfinden können.
In welchem Alter sollten Kinder schwimmen lernen?
Das richtige Alter, um schwimmen zu lernen, hänge in erster Linie von der Entwicklung des Kindes ab, erklärt Julian Müller. Er ist Vorsitzender des Schwimmclubs Haßberge, eine von mehreren Organisationen im Landkreis, die Schwimmkurse anbietet. "Die Faustregel ist: Die Einschulung ist ein guter Zeitpunkt." Auch das Bayerische Rote Kreuz (BRK), zu dem die Wasserwacht gehört, die ebenfalls Schwimmkurse anbietet, bestätigt, dass Kinder üblicherweise im Alter von sechs bis sieben Jahren das Schwimmen lernen, also etwa um die Zeit ihrer Einschulung.
Welche Folgen kann es haben, wenn Kinder nicht schwimmen können?
"Jeder Sport ist da, um Spaß zu haben. Schwimmen ist der einzige Sport, bei dem es lebensgefährlich ist, wenn man es nicht kann", bringt es Julian Müller auf den Punkt. Denn es gibt zahlreiche Badegewässer, die nicht ständig überwacht werden. Was Badeunfälle angeht, bei denen Nichtschwimmer ertranken oder aus dem Wasser gerettet werden mussten, sei der Landkreis Haßberge "Gott sei Dank seit längerer Zeit verschont geblieben", sagt Müller. "Jeder, der ertrinkt, ist einer zu viel." BRK-Pressesprecher Michael Will bestätigt, dass die Wasserwacht seit einiger Zeit keine Einsätze hatte, bei denen sie Nichtschwimmer vor dem Ertrinken retten musste.
Wann werden die Auswirkungen der ausgefallenen Kurse sichtbar?
Die Verantwortlichen der Wasserwacht glauben, dass die Auswirkungen der nun wegen Corona ausgefallenen Schwimmkurse erst in fünf bis acht Jahren sichtbar werden. "Dann sind die Kinder, die üblicherweise im Alter von sechs bis sieben Jahren schwimmen lernen, im Jugendalter", schreibt Michael Will in einer E-Mail an diese Redaktion. Dann könne es beispielsweise bei Feiern oder Freizeitvergnügen vorkommen, dass sie sich in Seen oder Flüssen in Gefahr begeben. Wenn dann jemand nicht schwimmen kann, könne das fatale Folgen haben. Julian Müller teilt diese Sorge: "Da traut man sich nicht, zu sagen, dass man eigentlich nicht schwimmen kann." Bei Älteren bestehe die Gefahr, dass sie sich überschätzen. Schwimmkurse sollen dieser Gefahr vorbeugen, berichtet Müller.
Wie lange gab es aufgrund von Corona keine Schwimmkurse?
Laut BRK hat es seit Beginn der Pandemie keine Schwimmkurse der Wasserwacht mehr gegeben. "Lediglich ein Kurs konnte noch im Januar und Februar 2020 durchgeführt werden", heißt es in einer Pressemitteilung des BRK. "Anschließend wurde in Bayern ab Mitte März der Katastrophenfall ausgerufen, seitdem stand die Arbeit der Wasserwacht still." So sah es auch beim Schwimmclub aus: "Die letzte Schwimmstunde war am 14. März 2020", sagt Julian Müller. In der Pressemitteilung des BRK wird Johannes Rennert, kommissarischer Vorsitzender der Kreis-Wasserwacht, zitiert: "Wir rechnen damit, dass im Landkreis rund 450 Kinder im Jahr 2020 deshalb nicht schwimmen gelernt haben." Die gleiche Entwicklung sehe er auch im laufenden Jahr. Ebenso finde in den Grundschulen kein Schwimmunterricht statt. "Wir reden hier von fast zwei Jahrgängen, die keine Kinderschwimmkurse genießen konnten."
Wann werden wieder Kurse angeboten?
Sowohl der Schwimmclub Haßberge als auch die Wasserwacht berichten, dass sie ab Herbst wieder Schwimmkurse anbieten wollen. Ob diese zustande kommen können, hängt nun von der weiteren Entwicklung der Pandemie ab. Weitere Anbieter von Schwimmkursen sind Volkshochschulen (Vhs) oder die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG). Auch die Vhs Haßberge berichtet in einer Pressemitteilung von ausgefallenen Kursen während der Corona-Zeit. Ähnlich wie Schwimmclub und Wasserwacht will sie bald wieder Schwimmunterricht anbieten. Alle Anbieter sehen aber das Problem, dass sie der gestiegenen Nachfrage nicht gerecht werden können. Julian Müller berichtet von einer langen Warteliste und auch Michael Will meint: "Wenn sich jetzt jemand anmeldet, kann es sein, dass er erst nächsten Herbst drankommt."
Warum ist es so schwer, die Kurse jetzt nachzuholen?
Zwei Jahrgänge von Kindern müssten jetzt Schwimmkurse nachholen, während die darauf folgenden Jahrgänge ebenfalls darauf warten, das Schwimmen zu lernen. Dabei fällt es Schwimmclub, Wasserwacht und Vhs ohnehin schwer, genug Kurse anzubieten, selbst ohne Pandemie und Kontaktbeschränkungen. Denn es fehlt mittlerweile immer mehr an Orten, an denen die Kurse gehalten werden können. Wichtig wären hier vor allem die Hallenbäder.
Das Bad in Zeil wurde kürzlich geschlossen, ein Ersatz in Eltmann ist zwar in Planung - aber noch keine beschlossene Sache. Die bestehenden Hallenbäder müssen alle paar Jahre für größere Sanierungen für einige Zeit geschlossen werden, so wie es gerade in Hofheim der Fall ist. Die "Welle" in Haßfurt ist ohnehin ein reines Schulschwimmbad und die kleinen Bäder in Königsberg und Knetzgau sind nach Aussage von Julian Müller für Kurse "nur bedingt geeignet". Damit bleibt nur das frisch sanierte Hallenbad in Ebern als derzeit einziges im Landkreis, das ohne Abstriche für Anfängerkurse zur Verfügung steht. Ein weiteres Problem beschreibt die Vhs: Wenn zusätzliche Hallenbadzeiten verfügbar seien, fehle es an Schwimmlehrerinnen und -lehrern, die bereit sind, einen Kurs anzubieten.
Was bringen die Maßnahmen der Politik?
Die Bayerische Staatsregierung hat Ende Juni allen Grund- und Vorschulkindern im Freistaat einen 50-Euro-Gutschein für einen Schwimmkurs versprochen. "Diese Maßnahme ist zwar gut gemeint, trifft aber nicht das Problem", heißt es in der Pressemitteilung der Volkshochschule. Denn auch wenn es für die Kurse Gutscheine gibt, müssten erst einmal Bäder zur Verfügung stehen, in denen die Kurse stattfinden können.
Gibt es Alternativen zu organisierten Schwimmkursen?
Als während der Pandemie keine Schwimmkurse möglich waren, stellte die Wasserwacht Bayern unter dem Motto "Bayern schwimmt" einige Videos ins Internet. Die Idee dahinter: Wer seinen Kindern das Schwimmen selbst beibringen will, kann auf diese Online-Tutorials zurückgreifen. Auf Youtube sind die Videos weiterhin abrufbar.