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Hofheim
Zu wenig staatliche Angebote: Wie Ehrenamtliche in Hofheim Geflüchteten Deutschunterricht geben
Der Bedarf unter Ukrainerinnen und Ukrainern ist enorm. Doch es mangelt an offiziellen Integrationskursen, auch im Landkreis Haßberge.
Sprachdozentin Monika Hoffmann unterrichtet ehrenamtlich Deutsch im Hofheimer Café Diwan.
Foto: Lukas Reinhardt | Sprachdozentin Monika Hoffmann unterrichtet ehrenamtlich Deutsch im Hofheimer Café Diwan.
Lukas Reinhardt
 |  aktualisiert: 10.05.2023 09:47 Uhr

Wenn Monika Hoffmann ihren Schülerinnen und Schülern deutsche Grammatik erklärt, tut sie sogleich, was sie spricht: "Ich stelle die Tasse neben den Teller", sagt die 57-Jährige, geht in Küche im benachbarten Raum, und kommt mit dem passenden Geschirr zurück. "Neben den Teller" wiederholt Hoffmann langsam. "Das ist Akkusativ."  Sie schreibt den Satz mit schwarzem Filzstift an die weiße Tafel.

Hoffmann ist Sprachdozentin. An diesem Dienstagabend unterrichtet die Haßfurterin wie fast jede Woche ehrenamtlich im Café Diwan in Hofheim, den Vereinsräumen des Freundeskreis Asyl. Vor ihr sitzen zehn Ukrainerinnen und Ukrainer, sieben Frauen, ein Mann, zwei Kinder. "Deutsch", sagt Monika Hoffmann, "ist halt auch ein bisschen schwer." Die Teilnehmenden nicken im Gleichklang. Alle lachen.

Seit sechs Monaten in Deutschland – seit fünf im ehrenamtlichen Sprachkurs

Marharyta Kovakhuk, 33, und Anastasiia Paliukh, 46, sind Teil der Runde. Vor einem halben Jahr mussten sie mit ihren Kindern vor dem Krieg in ihrem Heimatland fliehen. Inzwischen leben die Ukrainerinnen in Hofheim. "Integrationskurse sind wichtig für uns", sagt Paliukh. "Die gibt es aber nur in Haßfurt." Die zwei Frauen besuchen den ehrenamtlichen Kurs seit dessen Beginn Ende April. Sie haben inzwischen eine Arbeit gefunden, auch dank der hier erworbenen Sprachkenntnisse. Ohne ehrenamtlichen Einsatz, das zeigt sich am Beispiel der beiden Frauen, stünde die Integration im Haßbergkreis wohl weitgehend still.

Anastasiia Paliukh gemeinsam mit Tochter Sascha im ehrenamtlichen Sprachkurs in Hofheim. 
Foto: Lukas Reinhardt | Anastasiia Paliukh gemeinsam mit Tochter Sascha im ehrenamtlichen Sprachkurs in Hofheim. 

Denn der Bedarf an Sprachkursen ist enorm, das staatliche Angebot ist es nicht. 671 Kriegsgeflüchtete aus der Ukraine leben derzeit im Haßbergkreis, so das Landratsamt. Mit dem vom Bund beschlossenen "Statuswechsel", wonach diese Menschen seit Anfang Juni nicht mehr als Asylbewerber gelten, haben anstelle der Sozialämter die Jobcenter deren Betreuung übernommen.

Bereits Ende Juni hatte Werner Mahr, Leiter der Behörde, im Sozialausschuss des Kreises mahnende Worte gefunden und von einem Bedarf von rund 400 Plätzen gesprochen. Heute sei die Nachfrage laut Jobcenter ähnlich hoch. Dennoch laufen bei der zuständigen Volkshochschule (Vhs) Haßberge derzeit gerade einmal drei Integrationskurse und ein Alphabetisierungskurs mit jeweils bis zu 24 teilnehmenden Ukrainerinnen und Ukrainern. Daneben gebe es einen vorgeschalteten Kurs zur Arbeitsmarktintegration für 14 Personen von einem anderen Anbieter.

Sprache ist grundlegend für die Kommunikation

"Das ist dramatisch zu wenig", schlägt nun auch Christina Bendig Alarm. Sie ist die Vorsitzende des Vereins Freundeskreis Asyl Hofheim. Sprache sei grundlegend für die Kontaktaufnahme in einer neuen Umgebung, das gelte für alle Zugewanderten, betont Bendig. "Man darf nicht vergessen, es gibt auch Menschen aus anderen Ländern, die Bedarf an Integrationskursen haben, nicht nur ukrainische Geflüchtete."  

"Es gibt auch Menschen aus anderen Ländern, die Bedarf an Integrationskursen haben, nicht nur ukrainische Geflüchtete."
Christina Bendig, Vorsitzende Freundeskreis Asyl, Hofheim

Die Pläne, so Bendig weiter, seien ursprünglich andere gewesen. "Es gab die Idee, zeitnah und speziell für Ukrainerinnen und Ukrainer niedrigschwellige Sprachangebote zu schaffen – unabhängig von den gängigen Integrationskursen." Doch dieser Plan des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sei nicht umgesetzt worden. "Er wurde eingestampft", sagt Bendig. Der Grund: Es mangelt massiv an dem nötigen Lehrpersonal. Doch auch hier sei das Problem hausgemacht, weil Ankündigungen des BAMF nicht umgesetzt wurden. "Die Hürden sind weiterhin sehr hoch und wurden nicht gesenkt." Nun müssten einmal mehr die Ehrenamtlichen in die Bresche springen.

Hohe Anforderungen und Lehrermangel sorgen für Probleme

Die Initiativen von Helferkreisen seien "anerkennend" und "lobend" hervorzuheben, erklärt das zuständige Jobcenter Haßberge auf Nachfrage. "Leider hilft dies hinsichtlich der vom Jobcenter zu bewältigenden Aufgabe der Integration in den Arbeitsmarkt nur bedingt." In vielen Bereichen setzten Arbeitgeber voraus, dass Bewerber durch ein Zertifikat ihr Sprachniveau hinsichtlich Lese- und Hörverstehen, Sprachfertigkeiten und Schreibfertigkeiten nachweisen. 

Marharyta Kovakhuk besucht den Unterricht in Hofheim gemeinsam mit ihrem Sohn.
Foto: Lukas Reinhardt | Marharyta Kovakhuk besucht den Unterricht in Hofheim gemeinsam mit ihrem Sohn.

Um diese Standards sicherzustellen, müssten Dozentinnen und Dozenten hohe Anforderungen erfüllen, die das BAMF vorgebe, heißt es vonseiten des Jobcenters weiter. Aufgrund des enormen Bedarfs an den Schulen sei es allerdings "nicht einfach", diese Lehrkräfte zu finden.

Ein weiteres Problem sei die dezentrale Unterbringung der Geflüchteten im Landkreis Haßberge, denn auch die Anforderungen an die Unterrichtsräume seien groß – würden in der Region aber nicht überall gleichermaßen erfüllt. Offenbar ein Grund, warum die offiziellen Kurse derzeit nur in Haßfurt stattfinden können.

Selber Erfahrungen im Ausland gesammelt

Monika Hoffmann hat das Grammatik-Kapitel im Café Diwan, das für den Unterricht mit Tischen und Tafeln ausgestattet ist, inzwischen beendet. Als nächstes, erklärt sie, stehe der Dativ auf dem Plan. Hoffmann zählt zu dem Lehrpersonal, das die nötigen Qualifikationen mitbringt. Sie arbeitet nicht nur ehrenamtlich, sondern gibt als Sprachdozentin auch Integrationskurse für die Vhs Haßberge, nimmt Prüfungen ab. 

Sprachdozentin Monika Hoffmann lebte 12 Jahre in Mexiko und Spanien. 
Foto: Lukas Reinhardt | Sprachdozentin Monika Hoffmann lebte 12 Jahre in Mexiko und Spanien. 

Monika Hoffmann weiß, wie wichtig Sprache ist, wenn man in einem fremden Land in ein neues Leben startet. "Gerade am Anfang, um anzukommen", sagt sie. Zwölf Jahre lang lebte die gebürtige Triererin in Mexiko und Spanien. 2010 kehrte Hoffmann zurück nach Deutschland, Haßfurt. Seit 2015 unterrichtet sie ehrenamtlich Zuwanderer in Hofheim.

Dann, im Frühjahr 2022, flüchteten unzählige Ukrainerinnen und Ukrainer aus ihrer Heimat – hunderte auch in den Haßbergkreis. "Als der ehrenamtliche Kurs Ende April startete, waren 38 Leute hier", erinnert sich Hoffmann. Heute verteilen sich die verbliebenen rund 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf insgesamt fünf ehrenamtliche Lehrkräfte.

"Hier habe ich die Möglichkeit, noch stärker auf die individuellen Bedürfnisse der Teilnehmenden einzugehen."
Monika Hoffmann, Sprachdozentin

Die 57-Jährige blickt sich in den Räumlichkeiten des Café Diwan um. "Hier habe ich die Möglichkeit, noch stärker auf die individuellen Bedürfnisse der Teilnehmenden einzugehen." Doch Hoffmanns ehrenamtlicher Unterricht findet nicht nur im Klassenzimmer statt: "Manchmal gehen wir einen Kaffee trinken, kochen gemeinsam oder fahren zum See." Den Krieg, so erzählt die Sprachdozentin weiter, versuche sie weitgehend aus ihrem Unterricht rauszuhalten. Denn sie weiß: "Wir haben Leute dabei, die sind stark traumatisiert."

Zwei neue Integrationskurse im Herbst

Die offiziellen Integrationskurse, die über sieben Monate gehen, seien durch die verschiedenen Module deutlich klarer strukturiert. "Hier gibt es einen Fahrplan, an den man sich letztlich halten muss", sagt Monika Hoffmann. Was die Anzahl der Integrationskurse im Haßbergkreis betreffe, so heißt es vonseiten des Jobcenters, stehe man mit dem zuständigen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) "ständig in Kontakt".

"Daneben teilen wir zu festgelegten Terminen den zu deckenden Bedarf mit." Das nächste Mal Ende September. Ab Oktober seien zwei weitere Kurse zusammen mit der Vhs und dem BAMF geplant. Für die Ehrenamtlichen dürfte somit weiterhin viel zu tun sein. 

Kostenloser Workshop für Ehrenamtliche

Der Freundeskreis Asyl Hofheim veranstaltet am 1. Oktober 2022, von 10 bis 16 Uhr, einen kostenlosen Workshop für ehrenamtliche Sprachmittlerinnen und -mittler im Landkreis Haßberge oder jene, die es werden wollen. Dabei geht es um die Vorbereitung und Planung von Unterricht. Den Workshop leitet Hanna Uhlich, Fachleiterin für Pädagogik am Seminar für Ausbildung und Fortbildung der Lehrkräfte in Esslingen. Der Kurs findet im Vereinsraum des Freundeskreis Asyl "Café Diwan" in der Sennigstraße 2 in Hofheim statt. Die Teilnehmerzahl ist begrenzt, Anmeldung unter info@asylfreunde-hofheim.de.
Quelle: Freundeskreis Asyl
 
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Kommentare
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  • Michael Fischer
    Wenn ich irgendwo auswandere muss ich entweder die Sprache können oder dies selber bezahlen.
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  • judithgeiling
    Hier geht es nicht um freiwillige Auswanderer, sondern um Kriegsflüchtlinge!
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  • Michael Fischer
    Leider verstößt Ihr Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
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  • mcallen@t-online.de
    Die hohen Anforderungen an Lehrpersonal vom BAMF sind berechtigt. Sprachenlehren gerade im Bereich der Integration ist ein hochqualifizierter Beruf! Da kann man nicht mal eben jeden ranlassen.
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  • judithgeiling
    Chris Bendig, nicht Bendid.
    Ich hoffe, es finden sich weitere Sprachmittler.
    Mir jedenfalls macht es Spaß, Donnerstags dort zu unterrichten 😀
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  • silke.schmitt@mainpost.de
    Vielen Dank für den Hinweis, wir haben den Fehler korrigiert.

    Herzliche Grüße
    Silke Albrecht
    Digitalmanagement
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  • mcallen@t-online.de
    Was Sie machen ist sehr wichtig bis ein Platz in einem I-Kurs gefunden wird. 👍
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