Es dauert nur wenige Augenblicke, da haben die Vierbeiner die ungewohnte Besucherin auch schon bemerkt. Neugierig kommt der erste angelaufen, dahinter der nächste. Kurze Zeit später gibt es vor der Meute kein Entkommen mehr. Der rechte Schuh wird knurrend in Beschlag genommen. Auch das linke Hosenbein wird für interessant befunden. Dass die Besucherin nicht schleunigst wieder Reißaus nimmt, liegt daran, dass es keine furchteinflößenden Wesen sind, die sich zu ihren Füßen versammelt haben, sondern ein Wurf kleiner, noch etwas tapsiger Welpen.
Die einen sind bunt gemustert, die anderen einfarbig schwarz, braun oder silbergrau. Es handelt sich bei den Welpen um eine ganz besondere Hunderasse – eine Mischung aus Labrador und Australian Shepherd, kurz Aussiedor. Die Ostheimerin Monika Tyson ist eine von mehreren Züchterinnen und Züchtern, die die Hybridhunderasse im Landkreis Haßberge anbieten. Andere geläufige Namen für die Kreuzung sind zum Beispiel Leopard Labrador oder auch Laussie.
75 Prozent Labrador, 25 Prozent Australian Shepherd, fertig ist der Aussiedor
"Meine Aussiedors haben einen Anteil von 75 Prozent Labrador und 25 Prozent Australian Shepherd", berichtet Tyson. Aus der Kreuzung ergibt sich "ein Labrador mit einem Spritzer Aussie", wie die 47-Jährige sagt. Die Aussiedors seien "wahnsinnig feinfühlige Hunde", erklärt die Züchterin. "Sie nehmen sofort wahr, wenn es dir zum Beispiel nicht gut geht."
Wie Tyson berichtet, kommen viele der Aussiedors, die sie verkauft hat, als Therapiehunde zum Einsatz. Etwa als Blindenhund, im Hospiz oder in der Schule. "Einen Hund habe ich an eine Lehrerin in Berlin verkauft", erzählt die Züchterin. "Sie bringt ihn mittwochs immer mit in die Schule. Da ist immer 100 Prozent Anwesenheit, es herrscht Ruhe und die Kinder haben ihre Hausaufgaben gemacht." Denn wer seine Hausaufgaben nicht gemacht hat, dürfe dem Hund kein Leckerli geben.
Vor allem während der Corona-Zeit sei die Nachfrage groß gewesen. "Da hatte ich jeden Tag sieben Anfragen", erzählt Tyson. Inzwischen seien es wieder etwas weniger, aber im Schnitt immer noch zwei Anfragen pro Tag. Die Ostheimerin hat sich in der Branche inzwischen ein kleines Netzwerk aufgebaut, wie sie berichtet. Auch zu ihren Kundinnen und Kunden hält sie Kontakt. "Für jeden Wurf gibt es eine WhatsApp-Gruppe", erklärt Tyson. Dort sei sie immer für Fragen und Tipps ansprechbar und auch die Hundebesitzerinnen und -besitzer könnten sich untereinander austauschen.
Die Aussiedor-Zucht als neues berufliches Standbein
Zur Hundezucht kam Tyson über einen glücklichen Zufall. 2017 kommt sie mit ihrem Mann Shaun aus den USA zurück, wie sie berichtet. "Mit 23 Kilogramm Gepäck und Schulden bei meiner Mutter für den Rückflug." In ihren alten Beruf als Masseurin will Tyson nicht zurückkehren. Da verfolgt sie in der Fernsehsendung "hundkatzemaus", wie eine Hobby-Züchterin und deren Silberlabradore begleitet werden. "Wow, das wäre was für mich", denkt sie sich, vergisst es dann aber erstmal wieder.
Doch als sie als Zeitungsausträgerin für die Main-Post unterwegs ist und auf einer Strecke als Ersatz einspringt, entdeckt sie bei einem Züchter in den Haßbergen zwei silberne Labradore. Tyson nimmt einen Kredit auf, legt einen Sachkundenachweis nach Paragraph 11 des Tierschutzgesetzes ab, um offiziell als Züchterin anerkannt zu sein, baut den heimischen Bauernhof hundetauglich um und lässt ihre neuerworbenen Hunde medizinisch durchchecken, um sie für zuchttauglich erklären zu können.
"Ich wusste damals als wir aus Amerika zurückkamen nicht, wie es weitergehen soll, und war auch am Rande einer Depression", sagt Tyson offen. Die Hunde und ihre Aussiedor-Zucht gaben ihrem Leben eine neue Wendung. Dabei half und hilft die Familie tatkräftig mit, allen voran Mutter Edith Braun. "Ohne meine Mama hätte ich das alles gar nicht geschafft", sagt Tyson dankbar.
Oliver Kahn und seine Frau Svenja kauften sich in Ostheim einen Aussiedor
Ihre Hundezucht hat Tyson indes auch ein ganz besonderes Erlebnis beschert. "Oliver Kahn und seine Familie haben bei mir einen Hund gekauft", erzählt die 47-Jährige mit ruhiger Stimme fast beiläufig, während sie in einem Gartenstuhl im Innenhof ihres Ostheimer Zuhauses sitzt. Über den örtlichen Flurfunk hatte sich diese Nachricht in den vergangenen Wochen bereits verbreitet. Für die Einwohnerinnen und Einwohner, darunter zahlreiche Bayernfans, eine echte Sensation. Kauft sich doch glatt der einstige Torwart-Titan und jetzige Bayern-Boss in einem kleinen Dorf in den Haßbergen einen Hund.
Die Züchterin erzählt, wie es dazu kam: "Ich habe einen Hund nach München verkauft und als die Besitzerin mit ihm im Englischen Garten unterwegs war, hat die Schwägerin von Oliver Kahn den Hund gesehen und gefragt, was das für ein Hund ist." Kurze Zeit nach dieser Begegnung klingelt bei Tyson via WhatsApp das Handy. "Auf dem Profilbild war ein Mann zu sehen, der auf einem Rasen steht, und im Hintergrund die Bayern-Flagge." Optisch ähnelt der Mann dem allseits bekannten Bayern-Boss. Als als Kürzel dort auch noch A.K. steht, fragt Tyson nach: "Hast du irgendwas mit Oliver Kahn zu tun?" Ich bin sein Bruder, sei vom anderen Ende der Leitung gekommen.
"Ich hatte totale Gänsehaut und mein Herz wurde schwer", erinnert sich die 47-Jährige an den Moment. Kurze Zeit später stehen ihr in Ostheim nicht nur der Bruder und dessen Frau, sondern auch Oliver Kahn selbst mit seiner Frau Svenja gegenüber. "Er ist privat super normal, freundlich und höflich", berichtet Tyson. Mit Kahns Frau Svenja und der Schwägerin schreibt sie seitdem regelmäßig auf WhatsApp und wird über die Entwicklung der Hunde informiert.
Ein paar der Bilder durfte Tyson auch auf ihrer Facebook-Seite veröffentlichen. Weiter wollen sich die Kahns aber öffentlich wohl nicht äußern. Auch die Pressestelle des FC Bayern erteilt einer Anfrage mit Verweis auf zeitliche Gründe eine Absage. Der Verkauf ihres Hundes an Oliver Kahn und dessen Frau habe sie als Hundezüchterin in eine andere Liga katapultiert, sagt Tyson, unterstreicht aber auch: "Es ist nur ein Aspekt, und macht mich als Hundezüchterin nicht alleine aus."
Aber wenigstens ist die "Züchterin" ehrlich: Es geht ihr ums Geld.
Wieso müssen die Menschen eigentlich immer in der Natur rumpfuschen?
Was für eine tolle kostenlose Werbung für Frau Tyson.