Im Januar fiel der Startschuss des Homeschoolings noch holprig aus: Überlastete Lernplattformen und technische Pannen machten Schülern und Lehrern zu schaffen. Mittlerweile haben die Schülerinnen und Schüler rund zwei Monate Homeschooling hinter sich, ein Ende ist vorerst nicht in Sicht, doch sie nehmen es gelassen.
Auch im Homeschooling läuft alles nach Stundenplan
Für die Schüler des Regiomontanus-Gymnasiums in Haßfurt beginnt der Schulalltag morgens mit einer obligatorischen Videokonferenz, "da wird kontrolliert, ob jemand fehlt", erzählt eine 16-jährige Schülerin. Für die Gymnasiasten gilt weiterhin der normale Stundenplan, wobei nicht jede Unterrichtsstunde als Videokonferenz abgehalten wird: "Es gibt Fächer, da machen wir immer eine Videokonferenz. Andere Lehrer fragen uns, ob wir eine Konferenz wünschen, um den Stoff gemeinsam durchzugehen. Das hängt vom Lehrer ab", so die Schülerin.
Homeschooling ist mehr als nur Frontalunterricht in digitaler Form: "In Französisch treffen wir uns zum Beispiel zur Videokonferenz, bekommen dann einen Arbeitsauftrag mit Übungen oder ein zusätzliches Erklär-Video", erzählt die Gymnasiastin, "das ist schon gut, weil ich mir den Tag selber einteilen kann. Aufgaben lassen sich besser in einer Konferenz besprechen, aber sie zu erledigen mache ich lieber in Ruhe."
Statt nur auf Videokonferenzen setzt die Schule bewusst auf verschiedene didaktische Mittel im Schulalltag, erklärt Regiomontanus-Schulleiterin Maria Eirich: "Wir wollten nicht, dass die Kinder sechs Stunden lang vor dem Bildschirm sitzen, sondern auch ungestört arbeiten können. Diese Mischung macht es letztlich aus."
Der Distanzunterricht komme vor allem denjenigen Schülern zu Gute, die im regulären Schulunterricht nicht mitkommen, "weil sie in ihrem eigenen Tempo arbeiten können und den Lehrer direkt fragen können. Unterschiedliches Arbeitstempo und individuelles Feedback ist im Präsenzunterricht nur selten möglich, das kann man dafür im Homeschooling sehr gut bedienen", sagt Direktorin Eirich.
An der Dr.-Ernst-Schmidt Realschule in Ebern beginnt jede Unterrichtsstunde mit einer Videokonferenz: "Einloggen, Hallo sagen, unterrichten und Stoff erklären. Danach bekommen die Schüler Arbeitsaufträge, die sie nicht zwingend am Rechner machen müssen", erklärt der stellvertretende Schulleiter Florian Schraud. "Wir machen ganz normalen Unterricht, nur eben am Bildschirm. Die teilen ihren Bildschirm mit uns und geben uns dann Hausaufgaben", sagt ein 12-jähriger Realschüler. Wie in einem Webinar, sehen sich alle Teilnehmer innerhalb der Videokonferenz, während sie alle gleichzeitig auf den Bildschirminhalt des Lehrers zugreifen können.
Nur in praktischen Fächern sieht der Unterricht anders aus als bisher: "Eigentlich kochen wir ja in Ernährung und Gesundheit. Das geht jetzt nicht, deswegen machen wir mehr Theorie." Der Unterricht am Bildschirm habe auch Vorteile, so der Siebtklässler: "Am Bildschirm reden nicht alle durcheinander, wie im normalen Unterricht, da kann man besser aufpassen."
Sogar für einige Grundschüler im Landkreis beginnt der Schultag am PC: "Meine Tochter ist in der ersten Klasse und ihr Tag beginnt morgens mit einer Videokonferenz. Ich finde das ganz gut, weil ihr das eine gewisse Struktur gegeben hat", sagt eine Mutter, die selbst Grundschullehrerin ist. In ihrem Lehrerkollegium setzt man auf Entzerrung statt auf tägliche Videokonferenzen, aus Rücksicht vor den familiären Situationen: "Gerade in Familien mit mehreren Kindern ist es schwierig, alle gleichzeitig vor einen eigenen Bildschirm zu setzen."
Stattdessen produziert die Grundschullehrerin die Unterrichtseinheiten vor: "Auf unserer Plattform schauen sich die Schüler das Tagesvideo an, in dem ihnen erklärt wird, was sie machen sollen. Sie beginnen dann mit einem Fach, schauen dazu ein Erklärvideo an und machen anschließend die Aufgaben in ihrem Arbeitsheft oder ein Lernspiel." Für die Grundschullehrerin selber bedeutet das: Videos drehen, Arbeitsmaterialien einscannen und Sprechstunden am Telefon halten.
Um die Eltern zu entlasten hat die Grundschule mit Beginn des zweiten Lockdowns eine wöchentliche Materialausgabe eingerichtet: "Die Eltern holen montags neue Kopien und Arbeitsmaterialien in der Schule ab und geben sie Freitags ausgefüllt wieder zurück. Die korrigierten Materialien holen sie dann am Montag zusammen mit neuen Materialen ab", so die Grundschullehrerin.
Homeschooling ist, was die Lehrkräfte daraus machen
Ob in der Schule oder vor dem Bildschirm - wie der Unterricht gestaltet wird, hängt vom Lehrer ab. "Die meisten Lehrer geben sich viel Mühe und korrigieren alles, was man ihnen schickt", so die 16-Jährige Gymnasiastin. So wie ihre Mathematik-Lehrerin: "Wir haben mit einem Programm gearbeitet, ein Erklär-Video und Arbeitsblätter bekommen und dann hat sie uns alles nochmal erklärt. Das fand ich schon gut", aber "es gibt auch solche Lehrer, die korrigieren gar nix, die juckt das nicht."
Das sagt auch der 12-Jährige Realschüler: "Manche Lehrer machen mehr, manche weniger, das ist unterschiedlich. Es gibt auch Lehrer, die sich mit der Technik noch nicht so gut auskennen. Aber alle versuchen das Beste daraus zu machen."
Homeschooling vs. Präsenzunterricht: Das sagen die Schüler
Briefe zustecken, tuscheln und gemeinsam lachen, das fällt im Homeschooling weg. Dem Siebtklässler fehlt dieser Austausch: "Meine Freunde sehe ich nicht mehr täglich. Unsere Witze und Gags in der Klasse, die alles lockerer machen, fallen weg."
Erklären, nachfragen, nochmal erklären – der Gymnasiastin fehlt das kontinuierliche Feedback, das mit dem Präsenzunterricht einhergeht: "In der Schule gehen wir die Hausaufgaben gemeinsam durch und wenn etwas unklar ist, wird das nochmal erklärt. Das ist digital nur schwer möglich. Im Schulmanager kann ich auf das Feedback der Lehrer nicht direkt antworten. Das ist blöd."
Eins ist klar: Den Kontakt mit den Lehrern und die persönlichen Beziehungen kann das Homeschooling nicht ersetzen, das sagen auch Regiomontanus-Schulleiterin Eirich und Konrektor Schraud der Dr.-Ernst-Schmidt Realschule, "aber das ist alles besser als der Wechselunterricht", so Schraud.
Denn anders als im Homeschooling wird im Wechselunterricht eine Hälfte der Klasse in der Schule unterrichtet, während der andere Teil den Unterricht live per Videostream mitverfolgt. Das sei anstrengend für Schüler und Lehrer, sagt Schraud: "Die Schüler müssen dann den ganzen Schultag auf den Bildschirm starren und die Lehrkräfte müssen extrem aufmerksam sein, um auf alle gleichermaßen einzugehen."
Ist ein Ende des Homeschoolings in Sicht?
Seit dieser Woche können die Abschlussjahrgänge in den Präsenzunterricht wechseln, vorausgesetzt die Klassenzimmer sind groß genug. Denn die Schüler müssen mindestens 1,5 Meter voneinander entfernt sitzen und Maske tragen. Alle anderen Schüler bleiben vorerst im Homeschooling.
Die Gymnasiastin und der Realschüler haben sich damit arrangiert, doch Wehmut bleibt auch bei der 16-Jährigen: "Ich würde am liebsten wieder ganz normal in die Schule gehen, ohne Corona." Für den 12-jährigen Realschüler ist das Homeschooling "okay", vielmehr wünscht er sich gleiche Bildungschancen für alle: "In Familien mit wenig Geld müssen sich die Kinder einen Laptop oder ein Handy teilen. Die brauchen ganz schnell Geräte, um am Unterricht teilzunehmen. Das ist wichtiger."