In der Gemeinde Oberaurach mangelt es an Betreuungsplätzen für Kindergartenkinder. Und zwar immens, berichtet Julian Bayer, Leiter des Kindergartens St. Josef in Kirchaich. Eigentlich sollte im Gemeindeteil Trossenfurt eine neue Kindertageseinrichtung gebaut werden. Doch die Pläne dazu wurden im vergangenen Jahr abgeblasen, berichtet Bayer. Zu teuer, das Projekt.
"Es gibt drei Kindergärten im Gemeindegebiet, die platzen aus allen Nähten", schildert der Kindergartenleiter die aktuelle Situation. In seiner Einrichtung gibt es 62 Plätze. Jeder einzelne davon ist belegt. Bis 2026 ist der Kindergarten in Kirchaich ausgebucht. Wie also neue Betreuungsplätze schaffen?
Lernen und spielen in der Natur
Eine Lösung: "Eine Waldkindergartengruppe", erklärt der 35-Jährige. Sie soll künftig eine Außengruppe der Kita St. Josef werden und Platz für 20 bis 25 Kinder im Alter von etwa drei bis sechs Jahren schaffen. Gerade im Steigerwald biete sich eine solche Gruppe an, sagt Bayer. "Wir arbeiten seit Jahren mit dem Naturpark Steigerwald zusammen, sind zertifizierte Naturpark-Kita und die Gruppe passt auch in unser pädagogisches Konzept."
In der Waldkindergartengruppe sollen die Mädchen und Jungen die Jahreszeiten, Witterungen und die Veränderungen der Flora und Fauna direkt aus nächster Nähe erleben. Etwas über die Tier- und Pflanzenwelt und zur Kultur im Steigerwald lernen, mit viel Bewegung an der frischen Luft.
So viel anders als eine normale Regelgruppe ist die Waldgruppe nicht, versichert Bayer. Dass die Kinder in der Natur betreut werden, bedeute nicht, dass es keinen geregelten Tagesablauf gebe – der fände nur einfach draußen statt.
Statt im Kindergartengebäude in Kirchaich kämen die Kinder in einem speziellen Bauwagen im Wald oder am Waldrand unter. Rund 40 Quadratmeter groß soll er sein. Inklusive Heizung, Strom, warmen Wasser, Küche und Sanitäranlagen. "Der Wagen bietet alles, was eine Regelgruppe auch hat. Nur, dass wir es einfach mit in den Wald nehmen", erklärt Bayer.
Dass das Konzept Waldkindergarten funktioniert, zeigt ein rund 30 Kilometer entferntes Beispiel. Seit September 2021 bietet der städtische Kindergarten Jesserndorf eine solche "Draußengruppe" in der "Herrenbirke" an, einem Waldstück in der Nähe von Unterpreppach. Derzeit besuchen 18 Jungen und Mädchen die Waldgruppe "Eichhörnchen". Diese Kinder wechseln nicht zwischen Regelgruppe und "Draußengruppe", sondern sind fest in letzterer.
Und die laufe gut, berichtet Gruppenleiterin Daniela Berninger auf Nachfrage der Redaktion. Das Feedback der Eltern sei positiv und auch die Kinder würden die Betreuung und Bewegung in der Natur genießen, erklärt die 48-Jährige. Geöffnet ist die Außengruppe von 7.15 bis 14.30 Uhr. Zwei kleine Bauwägen gibt es dort, ein Häuschen mit Toiletten, sowie einen Container. "Wir haben für jedes Kind einen beheizten Platz", versichert Berninger.
Warme Klamotten bei schlechtem Wetter
Klar herrscht auch mal Mistwetter, gerade in der kalten Jahreszeit. Die Lösung ist simpel: warme, wind- und wasserfeste Klamotten und gutes Schuhwerk. Ganz nach dem Motto: Es gibt kein schlechtes Wetter, sondern nur schlechte Kleidung. Und falls es doch mal schlimm stürmt und der Aufenthalt im Wald zu gefährlich ist, kommen die Kinder in der Turnhalle in Jesserndorf unter.
Berninger ist von den Vorteilen der Waldkindergartengruppe überzeugt. "Die Kinder können ihren Bewegungsdrang stillen, sind ausgeglichener, aber gleichzeitig auch aufmerksamer, gerade bei geistigen Arbeiten", zählt sie auf.
Kinder spielen mit Naturmaterialien
In der Natur gibt es keine vorgefertigten Materialien. Die Kinder müssen kreativ werden und sich geeignete Gegenstände selbst suchen. Schnell wird da ein krummer Ast zum Pflug oder die Mädchen und Jungen verwandeln sich während des Spiels in die Mitglieder einer Eichhörnchenfamilie.
Das fördere die Fantasie und Vorstellungskraft, so die Gruppenleiterin. Und: Die Kinder der Waldgruppe seien bei der Einschulung genauso schulreif wie die Kinder aus Regelgruppen. Berninger macht im Gespräch mit der Redaktion klar, dass eine Waldkindergartengruppe nicht besser oder schlechter als eine normale Regelgruppe sei – das Konzept sei einfach ein anderes.
Zurück nach Kirchaich: Julian Bayer ist schon länger vom Konzept einer Waldkindergartengruppe überzeugt. Derzeit sei er im Austausch mit den Staatsforsten Ebrach und den Kolleginnen und Kollegen aus Bamberg – auch dort gibt es schon eine Waldkindergartengruppe.
Auch im Oberauracher Gemeindeteil plant man bereits Ausweichmöglichkeiten, falls die Witterung nicht mitspielen sollte. "Eine Lösung dafür wäre die Betreuung in einem Gemeindehaus oder im Oberaurachzentrum. Bei uns wird also niemand erfrieren", sagt Bayer.
Konzept ist schon länger in der Planung
Freilich wiegt eine solche Gruppe nicht gänzlich den Mangel an Betreuungsplätzen auf, dessen ist sich der Leiter bewusst. Für Bayer ist die Waldkindergartengruppe aber ein wichtiger Baustein, um zumindest einige weitere Betreuungsmöglichkeiten zu schaffen. Der 35-Jährige macht im Gespräch mit der Redaktion klar, dass die Idee dazu kein Schnellschuss war.
Aktuell läuft noch eine Bedarfserhebung, da das Konzept der Waldkindergartengruppe nur genehmigt wird, wenn es genügend Interessierte gibt, sagt der Leiter. Melden sich ausreichend Eltern, dann sollte der Waldkindergartengruppe Kirchaich nichts mehr im Wege stehen. "Bisher haben wir eine gute Resonanz", so der 35-Jährige. Los gehen könnte es dann im Frühjahr 2024.
Die Suche nach einem geeigneten Standort läuft
Diese Vorlaufzeit sei notwendig. Zum einen, weil die Lieferzeit des Bauwagens rund ein Jahr betrage, zum anderen, weil derzeit noch nach einem geeigneten Standort für die Waldkindergartengruppe gesucht werde.
Noch im Januar will der Gemeinderat seinen Beschluss zur Außengruppe der Kita fassen, berichtet der Leiter. Die Kita St. Josef wäre dann der Betriebsträger, Bauträger wäre die Kommune. Bayer, der selbst seit acht Jahren im Gemeinderat tätig ist (Bündnis 90/Die Grünen), ist zuversichtlich, dass das Konzept grünes Licht bekommt. Sowohl die katholische Kirchenstiftung Kirchaich, Bürgermeister Thomas Sechser (CSU) als auch die Kommune stünden hinter der Idee.
Auch der finanzielle Aspekt des Projekts käme der Gemeinde eher entgegen, als die mittlerweile verworfenen Pläne zur Kitaeinrichtung in Trossenfurt. Statt mehrerer Millionen Euro Kosten für einen Neubau ist der spezielle Bauwagen deutlich günstiger und schlägt nur mit 120.000 bis 150.000 Euro zu Buche.
Apropos Kosten: Von den Buchungskosten soll sich die Waldkindergartengruppe Kirchaich im Übrigen nicht von der normalen Regelgruppe unterscheiden. Zwei Unterschiede gibt es dennoch: Die Betreuungszeiten fallen laut Bayer kürzer aus, von etwa acht bis 14 Uhr.
Mehr Personal kümmere sich um die Kinder
Und anders als in der Regelgruppe sei der Personalschlüssel für die Außengruppe enger – statt zwei bis drei Erzieherinnen oder Erzieher pro Gruppe sollen sich vier Angestellte um die Waldkindergartengruppe kümmern.