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Haßfurt
Geplante Flüchtlingsunterkunft am Moosanger: Stadt Haßfurt klagt gegen die Baugenehmigung
Der Stadtrat hat beschlossen, sich gegen den Bescheid des Landratsamtes zur Wehr zu setzen – auch wenn viele die Erfolgsaussichten als gering einschätzen und Geldverschwendung befürchten.
Hinter diesem Zaun am Haßfurter Moosanger soll eine Flüchtlingsunterkunft entstehen. Doch dagegen regt sich Widerstand. Die Stadt klagt nun gegen die Baugenehmigung.
Foto: Johanna Heim (Archivbild) | Hinter diesem Zaun am Haßfurter Moosanger soll eine Flüchtlingsunterkunft entstehen. Doch dagegen regt sich Widerstand. Die Stadt klagt nun gegen die Baugenehmigung.
Peter Schmieder
 |  aktualisiert: 02.09.2024 02:37 Uhr

Es ist ein Thema, das den Haßfurter Stadtrat schon seit Monaten beschäftigt: Auf einem Privatgrundstück am Moosanger soll eine Flüchtlingsunterkunft gebaut werden, doch Anwohner und Teile des Stadtrats sind dagegen. Schon zweimal hat der Haßfurter Bauausschuss mit einer knappen Mehrheit gegen das Bauvorhaben gestimmt, doch die Entscheidung liegt letztlich beim Landratsamt. Dieses erließ am 2. August die Baugenehmigung. Deshalb kam der Stadtrat der Kreisstadt am Montagabend zusammen, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Nach etwa einer Dreiviertelstunde Diskussion und einer Abstimmung mit zehn zu acht Stimmen stand fest: Die Stadt wird gegen die Errichtung der Flüchtlingsunterkunft klagen.

Sitzungsbeginn mit Appellen an Ratsmitglieder und Zuhörer

Bei der Sitzung, die Mitten in die Urlaubszeit fiel, fehlten einige Ratsmitglieder, sodass nur 18 von den insgesamt 25 Rätinnen und Räten anwesend waren. Auch Bürgermeister Günther Werner (Wählergemeinschaft, WG) war am Montag nicht anwesend. Sein Stellvertreter Norbert Geier (WG) leitete daher die Sitzung und begann diese gleich mit zwei Appellen.

Den ersten richtete er an die zahlreichen Zuhörerinnen und Zuhörer, die zu der Sitzung gekommen waren. "Ich weiß, dass viele gemischte Gefühle haben", sagte Geier, erinnerte dann aber daran, dass nur Ratsmitglieder in einer Sitzung Rederecht haben und bat darum, das zu respektieren. Den zweiten Appell richtete er an die Stadträtinnen und -räte. "Ich bitte darum, nur auf den Punkt 'Klage oder nicht Klage' einzugehen", sagte Geier. Denn er halte es nicht für zielführend, die gleichen Themen, über die das Gremium in der Vergangenheit schon mehrfach gestritten hatte, ein weiteres Mal zu auszubreiten.

Geschwärzte Namen in der Baugenehmigung

Die Diskussion begann dann mit der Frage von Jürgen Kehrlein und Volker Ortloff (beide CSU), die wissen wollten, warum in den Sitzungsunterlagen die Namen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Landratsamtes geschwärzt waren, die die Baugenehmigung unterschrieben hatten. Es sei doch befremdlich, dass Beamte, die solche schwerwiegenden Entscheidungen treffen, anonym bleiben können, während die Stadtratsmitglieder öffentlich zu ihren Aussagen und Entscheidungen stehen müssen. Dass Beamte keine gewählten Volksvertreter sind, blieb unerwähnt.

Bernhard Leuner von der Bauverwaltung erklärte daraufhin, er könne die Namen gerne später in der nichtöffentlichen Sitzung nennen, doch solange das Thema in der öffentlichen Sitzung behandelt wird, müssten die Namen unkenntlich gemacht sein.

Da die geplante Flüchtlingsunterkunft im Hochwassergebiet liegt, muss sie auf Stelzen gebaut werden. Hier sehen einige Stadtratsmitglieder baurechtliche Bedenken.
Foto: Peter Schmieder | Da die geplante Flüchtlingsunterkunft im Hochwassergebiet liegt, muss sie auf Stelzen gebaut werden. Hier sehen einige Stadtratsmitglieder baurechtliche Bedenken.

Michael Spies (WG) kritisierte, es sei doch für die Abstimmung wichtig zu wissen, ob die Person, die den Bescheid unterschrieben hat, überhaupt dazu berechtigt sei – wie solle man das bei einem geschwärzten Dokument überhaupt beurteilen? Spies gab sich dann allerdings damit zufrieden, als ihm Bernhard Leuner versicherte, er wisse, dass die unterzeichnende Person dazu berechtigt sei.

Blick nach Theres: Warum sollte das Gericht im Fall Haßfurt zu einem anderen Ergebnis kommen?

"Was würde eine Klage denn kosten?", fragte Manfred Stühler (SPD). Zweiter Bürgermeister Geier entgegnete, das sei schwierig zu berechnen, aber nach seinen Informationen gehe er von einem niedrigen fünfstelligen Betrag aus. Peter Giessegi (Grüne) wollte wissen, ob bei einer Klage überhaupt eine realistische Aussicht auf Erfolg bestehe, worauf Norbert Geier antwortete, er sehe da keine Chancen.

In diesem Zusammenhang wurde in der Sitzung auch mehrfach die Nachbargemeinde Theres erwähnt. Diese hatte bereits im März vor dem Verwaltungsgericht Würzburg gegen eine in Obertheres geplante Flüchtlingsunterkunft geklagt, die Klage jedoch im Juni zurückgezogen, weil zu diesem Zeitpunkt absehbar war, dass der Prozess wohl nicht zu gewinnen gewesen wäre. Warum also sollte das gleiche Gericht im Fall Haßfurt anders entscheiden als im sehr ähnlich gelagerten Fall Theres? Diese Frage schwebte auch in Haßfurt über der gesamten Diskussion.

Reine Symbolpolitik oder Aussicht auf Erfolg einer Klage?

So sagte Michael Spies, er sei zwar gegen die Flüchtlingsunterkunft am geplanten Standort am Moosanger. Eine Klage gegen den Bescheid sei aber vor dem Hintergrund, dass man wisse, was in Theres passiert ist, der falsche Weg. "Das wäre reine Symbolpolitik", betonte Spies. "Eine Klage anzustrengen, die keine Aussicht auf Erfolg hat, wäre nur Geldverschwendung."

Kim Davey (Grüne) regte an, das Geld für die Klage zu sparen und stattdessen lieber in Integrationsmaßnahmen zu stecken. Denn dass Geflüchtete kommen und aufgenommen werden müssen, sei nicht zu verhindern.

Der Schafhof in Theres: Auch der ehemalige Gasthof wird mittlerweile als Flüchtlingsunterkunft genutzt. Die Gemeinde hatte eine Klage dagegen zurückgezogen.
Foto: Lukas Reinhardt (Archivbild) | Der Schafhof in Theres: Auch der ehemalige Gasthof wird mittlerweile als Flüchtlingsunterkunft genutzt. Die Gemeinde hatte eine Klage dagegen zurückgezogen.

Jürgen Kehrlein meinte hingegen, es gebe durchaus Unterschiede zwischen den beiden Fällen, die dazu führen könnten, dass das Gericht sie unterschiedlich bewerte. So gehe es in Haßfurt um einen Neubau am Ortsrand, in Theres dagegen um eine Umnutzung eines ehemaligen Gasthofs mitten im Ort. 

Zweiter Bürgermeister will Demokratie-Kritik nicht stehenlassen

Kehrlein sagte zudem, er finde es "ungeheuerlich", dass das Landratsamt eine Baugenehmigung erlassen könne, obwohl der Bauausschuss der Stadt dagegen gestimmt hatte. In einer Demokratie dürfe es so etwas nicht geben.

Auf diese Aussage reagierte Zweiter Bürgermeister Geier ungehalten: "Das kann ich so nicht stehenlassen. Wir sind in einer Demokratie!" Kehrlein antwortete darauf mit einem lauten "Nein!", worauf Geier erklärte, dass auch die Möglichkeit des Landratsamtes, in einem solchen Fall gegen den Willen der Stadt zu entscheiden, auf rechtsstaatlichen Prozessen beruhe. "Das ist auch Demokratie", betonte Geier.

Stadtrat stimmt für die Klage: Applaus von den Zuhörern

Volker Ortloff kam schließlich wieder auf die Frage zurück, ob eine Klage überhaupt Aussicht auf Erfolg habe. Und die sehe er schon, betonte er. Als Beispiel nannte er die Formulierung aus der Baugenehmigung: "Somit erscheinen aus bauplanungsrechtlicher Sicht die Belange des Hochwasserschutzes ausreichend gewürdigt." Im Wort "erscheinen" sah Ortloff eine Unsicherheit, ob diese Belange wirklich gewürdigt seien, und damit eine Stelle, an der man den Bescheid angreifen könne. "Da sind schon einige Weichmacher drin", sagte er.

Die Lage im Hochwassergebiet würde auch dazu führen, dass die Flüchtlingsunterkunft auf Stelzen gebaut werden muss.

Die Zuhörerinnen und Zuhörer hielten sich – im Gegensatz zu früheren Sitzungen zu diesem Thema – an Geiers Appell und verzichteten auf Zwischenrufe. Allerdings war am Ende lauter Applaus zu hören, als das Ergebnis der Abstimmung bekanntgegeben wurde: Mit knapper Mehrheit stimmte das Gremium dafür, gegen den Bescheid vorzugehen. Die Stadt wird daher eine Klage vor dem Verwaltungsgericht Würzburg einreichen.

 
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Kommentare
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  • Emilie Krenner
    Würde in einer Demokratie alles vor Ort abgestimmt, wir hätten keine Handymasten, Stromtrassen, Autobahnen, Eisenbahnen, Windräder etc.
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  • Edith Kram
    Erstens wäre ich mir da nicht so sicher, zweitens gibt es viele Dinge, von denen ALLE betroffen sind und die nicht nur geringe Auswirkungen haben.

    Erinnern wir uns an "Drehtüren-Horst", der erst gegen die Kanzlerin gewettert hatte, dann aber als Innenminister zu selbiger nach Berlin ging.

    Politiker (auch Kommunalräte) versprechen vor der Wahl die Vertretung der Interessen der Bürger. Wenn's um's Eingemachte geht, stimmen sie aber für eigene Interessen oder die der Partei (auch "eigenes Gewissen" genannt).

    Und dürften vielleicht mehr Bürger mitreden, gäbe es wohl mehr Windräder oder auch die Steigerwaldbahn. Gelder würden nicht auf Autobahnen verschleudert und Stromtrassen aus dem Norden bräuchte es vll auch nicht.

    Zum Thema "Demokratie" sagte Abraham Lincoln in der Gettysburg-Formel von 1863: „Regierung des Volkes, durch das Volk, für das Volk“.

    Dem ist m.E. nichts hinzuzufügen.

    Gerhard Fleischmann
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  • Hubert Endres
    Frau Krenner mag sein. Aber wenn Politiker von ihrem Volk gewisse Sachen einfordern oder auferlegen, dann sollten Sie doch selbst mal mit gutem Beispiel voran gehen. Nur Fordern aber selbst nicht bereit sein dieses auch bei sich selbst umzusetzen ist feige und d.....
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  • Albrecht Schnös
    Wo sind die Marktplatz "OPAS gegen Rechts", wenn man sie braucht?
    Sind die noch nicht aus Thailand zurück?
    Also ich hab nichts gegen Flüchtlingsunterkünfte in Theres, Wülflingen, Sylbach und Augsfeld.
    Diese Heime könnten eine echte Bereicherung für die Wohnorte vieler Stadträte sein. Und keiner von uns sollte unseren politischen Entscheidungsträgern diese wünschenswerte Bereicherung vorenthalten. Schließlich sind unsere politischen Vertreter keine Heuchler, sondern sie meinen immer alles genau so, wie sie es der Bevölkerung in Endlosschleife mitteilen.
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