Er ist eine feste Größe im fränkischen Fasching, längst ein Aushängeschild der Fernsehsendung "Fastnacht in Franken". Doch ein Star will Otmar Schmelzer aus Oberschwappach (Lkr. Haßberge) nicht sein. "Ich bin ein ganz normaler Mensch", sagt der 61-Jährige über sich. Schmelzer ist Straßenmeister bei der Autobahnmeisterei Knetzgau, Winzer mit eigenem Weingut und geerdet durch seinen tiefen Glauben. Doch Oti Schmelzer - das ist eben auch der Bühnenstar im närrische Treiben, ob bei der BR-Kultsendung in Veitshöchheim oder daheim in den Haßbergen, auf seiner bescheuerten Weindunstbühne im Winzerhof.
Im Gespräch erzählt der Kabarettist, warum er schon weit vor Weihnachten an den nächsten Auftritt denkt. Und weil es für Oti Schmelzer im Prinzip kein "Sie" gibt und er bei allen immer gleich beim "Du" ist, wird in diesem Interview - ausnahmsweise - von Beginn an auch gedutzt.
Oti Schmelzer: Das Vorweihnachtliche habe ich auch im Blut. Aber Menschen meiner Gattung haben immer den Schalk im Nacken. Egal welche Jahreszeit, ich beobachte: Was kannst Du verarbeiten und umsetzen auf der Bühne? Das ist ein blöder Reflex, aber den habe ich das ganze Jahr.
Schmelzer: Die Figur, die ich darstelle, steht schon lange fest. Das ist ja mein Schwerpunkt: Ich muss eine Figur finden, in die man viel hineininterpretieren kann, mit der man die Politik, aber auch den normalen Alltag verbinden kann. Ich glaube, das gelingt mir heuer gut. Ansonsten läuft meine Vorbereitung ganzjährig. Ich habe seit 1980 immer mein Notizheft in der Hosentasche, notiere, was ich verwenden kann. Mein Problem ist, dass ich zu viele Ideen habe. Das alles zu bündeln ist dann schwierig. Wenn du denkst, dein Text ist fertig, dann kommt es meist anders. Am Text schreibe ich also oft bis zum letzten Tag. Ich hoffe nur, dass die Bundesregierung durchhält, sonst muss ich alles umschreiben. Den Text in Rohfassung lege ich übrigens einem illustren Kreis vor: Den Verantwortlichen der Sendung, meinen Töchtern, meiner Partnerin und einigen Freunden.
Schmelzer: Ja, wie beim Sport. Nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Ich gehe von der Bühne und denke sofort: Was kannst Du nächstes Jahr machen? Ich finde meine Figur und sammele die Themen zu ihr. Und dann nehmen ich mir eine einwöchige Auszeit, da bin ich dann komplett weg. Und fokussiere mich auf den Text. Da stehe ich wirklich unter Strom: Wenn ich von der Auszeit zurückkäme und hätte kein Gerüst, dann würde ich nicht mitmachen.
Schmelzer: Selbst wenn ich es dürfte, würde ich es nicht machen. Dann ist ja der Gag weg. Es wird auf alle Fälle eine Figur sein, die vielen Menschen gut bekannt ist.
Schmelzer: Ich beleuchte den Alltag und die Politik. Und mein Mitmachlied ist dabei, natürlich in leichter Abwandlung, das soll ja kein Abklatsch der Vorjahre sein. Da warten die Leute drauf. Das fränkische Wesen und unser Dialekt stehen im Vordergrund.
Schmelzer: Ich bin ein sehr gläubiger Mensch und glaube an einen lachenden Gott. Für mich kann Lachen auch ein Gebet sein. Aber wir dürfen Menschen und ihr Leid oder den Krieg nicht verlachen. Uns in Deutschland geht es doch sehr gut. Auf der Bühne möchte ich schon einen Blick über den Tellerrand werfen auf diejenigen, denen es nicht so gut geht. Was den Krieg in der Ukraine oder in Palästina anbelangt, da würde ich keine Witze darüber machen. Da bin ich der falsche Vermittler, das wäre eher etwas für Peter Kuhn, der sich auch mit der Weltpolitik befasst. Mir wäre da das Eis zu dünn. Grundsätzlich gilt für mich: Bei mir ist alles tabu, was unter der Gürtellinie ist.
Schmelzer: Ich passe inzwischen schon sehr auf, was ich sage, gerade auch, weil in den sozialen Medien oft nur eine einzige Aussage herausgegriffen wird und viel Fake unterwegs ist. Wenn du dann was "Falsches" sagt, kannst du zerrissen werden. Dabei bin ich selbst ein Mensch der Mitte und könnte mich zum Beispiel nie auf eine Partei festlegen. Aber es gibt immer mehr Leute, die sind ideologisch geprägt. Und das ist vielleicht das große Manko, dass sie auf ihrer Position verharren, andere Meinungen nicht mehr an sich heranlassen und es die Mitte nicht mehr gibt. Die Menschen sollten vielleicht wieder lernen, sich nicht über alles gleich so aufzuregen.
Schmelzer: Wenn die bei mir in der bescheuerten Weindunstbühne im Publikum sitzen würden, würden sie mehr Fett abbekommen. Aber hier geht es ja um eine Livesendung vor einem Millionenpublikum, die natürlich in gewisse Bahnen gelenkt wird. Da muss man die Balance halten und darf niemanden zu arg runterputzen. Wer in den Zuschauerreihen sitzt, das ist mir egal. Ich mache das nicht für die Prominenz, sondern für alle Franken und alle, die unser Frankenland lieben. Natürlich ist es eine super Sache, dass Politiker dabei sind. Aber wenn es nur Politiker wären, käme nie die Stimmung auf, die Fastnacht in Franken auszeichnet.
Schmelzer: Meistens streife ich ihn in meinem Text. Und da guckt man schon mal nach einer Reaktion. Und dann sehe ich vielleicht einen Augenaufschlag. Aber durch seine Maske ist der Söder immer so gut verschleiert, dass man ihm nichts ansieht. Apropos Politiker: Ich möchte keine Sekunde mit denen tauschen, gleich von welcher Partei. Die haben eine Riesenverantwortung. Egal was sie sagen, es wird sofort von anderen instrumentalisiert. Ich glaube, wir alle vergessen viel zu schnell, dass Politiker auch nur Menschen sind.
Schmelzer: Es geht um beides: Darum, den Menschen eine Freude zu machen, ihnen gute Unterhaltung zu bieten. Und darum, den Politikern aufs Maul zu schauen. Wenn Du das Fastnachtmuseum in Kitzingen kennst, dann weißt Du: Auch, als es noch kein politisches Kabarett gab, war Fasching immer ein Ventil für die Bevölkerung, Unmut mit dem Adel und dem Klerus zum Ausdruck zu bringen. Damals durchaus unter dem Einsatz der eigenen Freiheit oder gar des Lebens. Der kritische Blick ist bis heute fränkisches Fastnachtsbrauchtum. Wobei es nicht darum geht, anderen etwas Böses zu wollen, sondern darum, ihre Synapsen anzuregen. Es müssen Themen und Texte dabei sein, die jeden zum Nachdenken bringen.
Schmelzer: Nimm das Politiker-Derblecken am Aschermittwoch: Wenn du so etwas in anderen Ländern machst, dann schaffst du es nicht mehr bis nach Hause. Wir haben hier Meinungsfreiheit. Wir auf der Bühne können uns vielleicht etwas mehr erlauben, aber sagen darfst du auch alles. Nur der Ton macht halt die Musik.
Schmelzer: Das ist eben eine Livesendung. Aber freilich lässt dich das Fernsehen nicht auf die Bühne, wenn Du mit so einer Situation nicht umgehen kannst. Nein, ich habe keine Bedenken. Vielleicht baue ich wieder einen Versprecher ein. Spaß beiseite, das war keine Absicht, und das mit dem "Leck mich doch am Arsch" war spontan. Aber ich sage mal: Ich habe die rhetorischen Mittel, um auf Unvorhergesehenes reagieren zu können.
Schmelzer: Nein, das ist für mich kein besondere Tag. Das einzige ist, dass meine Lebensverschönerin mit dabei ist. Ansonsten werde ich ganz auf meinen Auftritt fokussiert sein.