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OBERSCHWAPPACH
Oti Schmelzer, das fränkische Chamäleon
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Foto: Martina Mueller
Angelika Kleinhenz
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:24 Uhr

Sagen tue ich nix, aber was ich denk', ist grausam.“ Glücklicherweise bleibt Oti (Otmar) Schmelzer dem, wie er sagt: „Leitspruch der Franken“, nicht treu. Zumindest nicht auf der Bühne. Und ganz besonders nicht in Veitshöchheim, bei der „Fastnacht in Franken“. Dort zählt der Humorist aus Oberschwappach im Steigerwald nach acht Auftritten fast schon zum Inventar der legendären Fernsehshow.

Eigene Weindunstbühne

Doch auch nach mehr als 30 Gastspielen in der Comödie Fürth, in diversen Fernsehsendungen und bei seinem beinahe ständig ausverkauften Soloprogramm auf der eigenen „Weindunstbühne“, ist der Oberschwappacher bescheiden geblieben: „Wenn du als kleiner Künstler in Veitshöchheim mit den großen auftreten darfst, ist das der Ritterschlag.“ Den bekam er das erste Mal 1999, als er als Notnagel für den von ihm verehrten Mundartkünstler Wolfgang Düringer einspringen durfte. Doch kurz nach dem ersehnten Auftritt kam die Ernüchterung, als der Querflötenlehrer seiner Tochter zu ihm sagte: „Es war fei net schön. Ich hätte lieber den Düringer gesehen. Kannst du mir von dem ein Autogramm besorgen?“

Oti nahm's gelassen: „Ich freue mich, wenn ich dabei bin und meine Region vertreten darf, aber ich bin auswechselbar. Eine Kultfigur bin ich noch nicht und werde sie auch nie werden“, so sein Plan. Doch in Otis Leben lief von Anfang an nichts nach Plan.

Das „Mädchen für alles“ auf dem Bauernhof

Ein Mädchen sollte er werden, ein Nesthäkchen zweier älterer Brüder. Als dies am 2. Februar 1961 „auf dem Oberschwappacher Kanapee nicht hinhaute“ (Zitat Oti), wurde er stattdessen „Mädchen für alles“ auf dem landwirtschaftlichen Hof seiner Eltern. Noch bevor er in die Schule kam, lief der Sechsjährige mit der Gabel auf dem Arm raus auf den Acker. „Fränkischer geht's also nimmer.“ Wen wundert es daher, dass er in tiefstem Fränkisch mit Worten meisterhafte Bilder malt – getreu dem Motto: „Der fränkische Dialekt ist wie ein Picasso, den hat auch net jeder verstanden.“

Steht er in der Bütt, treiben seine vorbeirasenden Wortfetzen auch ungeübten Franken-Verstehern im Publikum die Lachtränen in die Augen. Denn der Dialektiker zügelt sein Fränkisch gerade so weit, wie es eben sein muss. Beispielsweise, wenn er das „Gefühlsfeuerwerkle“ eines fränkischen Winzers beschreibt, dessen „energetischer Jahreszyklus“ aus „Fähnli ramm, Drähtli spann, in die Hand nei spetz, Schöpple pfetz, Wengerts les, Träubel press, Wein nei pump und zwischennei lump“ besteht. Diese „Läufe“ wie Oti sie nennt, sind seine Spezialität. „Die ratter ich runter, da kannst du mich früh um 3 Uhr wecken. Das hat man halt im Blut.“ Den Schalk im Blut oder besser im Nacken haben auch seine zwei Töchter, die in der Blaskapelle spielen. Stolpern sie im Alltag über lustige Begriffe, ist ihre allererste Frage an den Vater: „Gell Papa, das hast du erfunden?“

Schmelzer: „Du musst zuhören, um was zu lernen“

„Doch eigentlich ist Oti Schmelzer ganz anders“, sagt Oti Schmelzer. Oder wie seine Mutter immer betonte: „Es ist ein Unterschied, ob ich einen Narren mime oder ein Narr bin.“ Eigentlich sei er eher „der Ernsthafte“, und nicht der „Lachsack“. Ein „Chamäleon“, einer, der mit seinem Lieblingsspezl bei der Autobahnmeisterei auch mal gerne zwei bis drei Stunden lang schweige, wenn sie zusammen die Autobahn rauf und runter fahren. Was er gar nicht mag, sind „Menschen, die sticheln und andere aus der Reserve locken wollen“. Denn, so ist Oti überzeugt: „Du musst zuhören, um was zu lernen.“ Und: „Wenn du einen gesunden Humor hast und noch dazu aus der arbeitenden Landbevölkerung stammst, kommst du besser durchs Leben.“

Apropos Arbeit: Nach der Schule wollte Oti eigentlich gar nichts lernen. Doch er wurde Elektriker. Später Gärtner. Während seiner Wanderjahre, die ihn auch nach Gaibach (Lkr. Kitzingen), Löffelsterz und Oberspiesheim (Lkr. Schweinfurt) führten, lernte er die „fränkische Volksseele“ kennen. In deren „Abgründe“ blickte er als Gemeindearbeiter in Gochsheim (Lkr. Schweinfurt), wo er ein Jahr lang als Totengräber schuftete. Bei den Beerdigungen lernte er wieder viel über die Menschen: auch, welchen Unterschied es macht, wenn der Tote arm oder reich, jung oder alt ist.

Totengräber und Streufahrzeugfahrer

Als auch diese „Christenpflicht („Tote zu begraben“) erfüllt war, kam Oti zur Autobahnmeisterei. Das bedeutete: Schichtarbeit, Wochenenddienste, Rufbereitschaften. Heute kann der Straßenwärter auf die Sekunde genau sagen, wann die Temperatur fällt, eine Schneewalze über Unterfrankens Autofahrer hereinbricht, Blitzeis gemeldet oder die Fahrbahn furztrocken ist. „Ab vier Grad bist du auf Strecke. Ab Oktober prüfen die Versicherungen bei jedem Unfall, ob die Autobahn befahrbar war.

“ Wenn er gerade mal nicht draußen ist, wartet er Pflüge, wechselt Schürfleisten oder werkelt in der Schreinerei. Es sei eben ein „sehr vielseitiger Beruf“, der nie langweilig werde. Doch Oti wäre nicht Oti, würde er sich mit einem Beruf begnügen.

Die fränkische Tradition „Mach' eine Sache und die g'scheit“ interpretiert er lieber so: „Mach' viele Sachen, aber alle g'scheit“. Denn wenn er untätig herumhocke, werde er verrückt. Außerdem könne er ja nichts mehr machen, wenn er mal tot sei. So ist er nebenher auch noch Winzer auf einem 66 Ar großen Weinberg. Mal produziert er Müller, Bacchus, Silvaner oder Domina, mal experimentiert er mit einem Secco oder dem Eichenfass. Als kleiner Winzer, der keine großen Supermarktketten beliefert, könne er sich das erlauben. Einer seiner Schätze im eigenen Weinkeller ist ein seit 2004 im Holzfass gereifter Silvaner. Von dem hat er noch etwa zehn Flaschen, die darauf warten, mit dem richtigen Gast getrunken zu werden, direkt neben einem Holzregal, auf dem sein geliebter Steigerwald-Whiskey lagert, den er einmal im Jahr in tiefwinterlicher Stimmung genießt.

Winzer, Schachspieler, Marathonläufer

Dann ist da noch die Zeit am Abend, in der er einfach losläuft, zwei Stunden lang in die Nacht hineinrennt und dabei absichtlich sein Handy vergisst. Gerade trainiert er für den Frankfurt-Marathon. „Du möcht' ich sein! Einen Weinberg ham und dann auch noch jogg'!“, sagte eine ältere Frau neulich zu ihm. Doch Arbeit und Sport seien zweierlei Dinge.

Jogging fürs Gehirn sei seine Leidenschaft für Schach: jeden Tag im Internet und bei regelmäßigen Treffen einer Laien-Schach-Gruppe in Theres. Und nicht zu vergessen sein Faible für Musik: Neben der Posaune hat er die Steirische Harmonika für sich entdeckt. Die Steirische sieht zwar aus wie ein Akkordeon, ist aber ein diatonisches Handzuginstrument, das heute noch von Volksmusikern gespielt wird. Oti ist Autodidakt. Improvisation ist sein Ding. Nach Noten spielen nicht. Und als wäre all dies noch nicht genug, war der Oberschwappacher auch schon Kommunion-Spender, Lektor und Ministrant. Er bezeichnet sich selbst als gläubig, auch wenn er der Kirche zuweilen kritisch gegenüber stehe.

Im Grunde seines Herzens ist der scheinbar in sich ruhende Franke aber ein Humorist: Einer, der das komödiantische Talent von Heinz Rühmann, Laurel und Hardy („Dick und Doof“) und Heinz Erhardt bewundert. Einer, der schon in der 9. Klasse für die Schülerzeitung Gedichte verfasste. Einer, der später mit seinen Töchtern Reime und neue Worte erfand. Und einer, der momentan von seinen kabarettistischen Auftritten durchaus leben könnte.

Doch Oti bleibt auf dem Teppich. Er weiß, wie schnell das Publikum eines Künstlers überdrüssig werden kann. Da vertraue er lieber auf den Rat seiner Mutter: „Willst du was gelten, zeig' dich selten.“ Das nächste Mal zeigt sich Oti bei der Live-Sendung „Fastnacht in Franken“ im Bayerischen Fernsehen am 2. Februar oder wie er 2017 als fränkischer Indianer sang: „Schaggalagga. Mir geht's gut. Ich bin froh und ich sag' dir auch wieso: Weil wir uns so gut versteh'n. Ja. Ja.“

 

Es gibt noch Tickets für folgende seiner Auftritte...

 

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