
Ein Jahr ist es her, dass das Coronavirus den Landkreis Haßberge erreicht hat. Am Abend des 9. März 2020 wurde die erste Landkreisbewohnerin, die positiv auf das Virus getestet worden war, über das Ergebnis informiert. Am 10. März gab es dann im Landratsamt die Pressekonferenz, durch die auch die Öffentlichkeit vom ersten Corona-Fall im Kreis Haßberge erfuhr.
"Ich konnte es gar nicht glauben, weil es mir ja gut ging", sagt die junge Frau, die damals als erste im Landkreis ein positives Testergebnis erhalten hatte. Und so sollte es auch bleiben: Trotz des positiven Testergebnisses traten bei ihr keine Symptome auf, bis sie schließlich auch die Quarantäne wieder verlassen durfte.
Ansteckung im Skiurlaub
Damals ärgerte es die 16-Jährige besonders, wie viele Menschen davon erfahren haben, dass sie "die Erste" war. Denn es sollte noch einige Tage dauern, bis in ganz Deutschland der erste richtige Lockdown begann. Bis dahin wurden nur Schulen geschlossen, in denen Fälle aufgetreten waren. So ließ sich - auch ohne dass Namen an die Öffentlichkeit gelangten - relativ leicht nachvollziehen, wer die ersten positiv Getesteten waren. "Es war halt blöd, die Erste zu sein. Jetzt hatten es schon viele, die ich kenne."
Angesteckt hatte sich die junge Frau, die damals als Schülerin kurz vor dem Abschluss stand, im Skiurlaub in Südtirol. Als die Familie in den Ferien dort hingereist war, war Corona in Deutschland zwar schon bekannt, aber für die breite Masse der Bevölkerung noch kein großes Thema. Nach der Rückkehr aus dem Urlaub ließ sich die Familie testen, da es zu diesem Zeitpunkt schon hieß, Urlaubsrückkehrer aus Südtirol dürften erst nach einem Test wieder die Schule besuchen.
Keine weiteren Personen angesteckt
Dabei gingen alle davon aus, dass der Test reine Formsache sei, um die Kinder wieder in die Schule schicken zu dürfen. Niemand rechnete damit, dass sich tatsächlich jemand infiziert hatte – bis dann das Ergebnis kam. Dass auch ein anderer Gast des Hotels, in dem sie in Südtirol übernachtet hatten, mittlerweile positiv getestet worden war, wusste die Familie sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
"Die ersten drei Tage hat das Telefon nicht mehr still gestanden", berichtet die Mutter der 16-Jährigen. Denn es ging darum, Kontakte nachzuvollziehen und herauszufinden, wer als mögliche Kontaktperson ebenfalls getestet werden sollte. "250 Leute sind getestet worden, aber niemand hat sich angesteckt", ist bei Mutter und Tochter die Erleichterung groß. Für Forschungen zur Ausbreitung des Virus wurden bei der Familie sogar Antikörpertests durchgeführt. "Daher wissen wir ganz sicher, dass sich der Rest nicht angesteckt hat", berichtet die Mutter.
"Das Leben ist komplett reduziert"
Ihre Tochter findet noch ein anderes Ergebnis dieser Tests sehr interessant: Auch bei einem weiteren Test einige Monate später konnten die Antikörper bei ihr noch nachgewiesen werden, sie waren also noch lange in ihrem Körper vorhanden. Gerne wüsste sie, ob sie auch jetzt noch Corona-Antikörper in sich trägt. Doch die Tests sind teuer und diesmal müsste sie die Kosten selbst tragen.
Froh ist die 16-Jährige, dass die Abschlussfahrt ihrer Schulklasse noch am Anfang des Jahres stattgefunden hatte. Die Abschlussfeier musste dann unter Auflagen und in reduzierter Form stattfinden. "Das Leben ist komplett reduziert. Es wird schon einiges genommen von der Jugend", drückt ihre Mutter ihr Bedauern aus.
"Wir haben das Virus anders kennengelernt"
Auch sonst tun ihr Menschen Leid, die nicht unter Corona selbst, sondern an den Folgen der Maßnahmen leiden – von Menschen, die in Krankenhäusern keinen Besuch bekommen dürfen, bis zu den Gastwirten, die nicht öffnen dürfen – eine Maßnahme, an deren Sinnhaftigkeit sie ohnehin zweifelt. Immerhin sei die Einhaltung von Hygieneregeln in Gaststätten eher gewährleistet, als wenn sich die Leute in ihren privaten Wohnungen treffen. Ihr Blick auf die Krankheit ist auch geprägt von der Erfahrung in der eigenen Familie. Mit Blick auf ihre Tochter sagt sie: "Wir haben das Virus anders kennengelernt. Ihr ging es ja gut."
Ein Lob hat sie für die Mitarbeiter des Landratsamtes. "Die waren sehr nett, haben jeden Tag angerufen" - und dabei nicht nur geklärt, was zu klären war, sondern der Familie auch mal Zuspruch und ein paar freundliche Worte mitgegeben.
Schneller Wechsel in den Krisenmodus
Auch für die Verwaltung im Landkreis waren diese Tage im März 2020 eine Zeit des Umbruchs: Auf einmal mussten der Landrat und seine Mitarbeiter sich in ihre Rolle als Krisenmanager hineinfinden. "Wir haben seit langem einen internen Koordinierungsstab, der sich mit dem Ausbruch von Krisen und der Reaktion darauf beschäftigt. Die Krise hat uns organisatorisch also nicht unvorbereitet getroffen", beschreibt Landrat Wilhelm Schneider schriftlich, wie er diesen Übergang wahrgenommen hat. "Wir hatten uns frühzeitig gut aufgestellt, das war ursächlich dafür, dass wir die schwierige Situation bisher gemeinsam gut bewältigt haben." Die Krise habe gezeigt, wie schnell in einen Krisenmodus gewechselt werden kann.

"Der Beginn der Pandemie war ein fließender Prozess – am Anfang weit weg in China, dann ging alles plötzlich ganz schnell, das Virus verbreitete sich rasant, weltweit, und hat dann auch unseren Landkreis Haßberge erreicht", antwortet Schneider auf die Frage, wann ihm selbst klar wurde, welche massiven Auswirkungen Corona auf das Leben der Menschen haben würde. "Spätestens nachdem die WHO am 11. März 2020 den Ausbruch der COVID-19-Krankheit als Pandemie eingestuft hat und am 16. März 2020 in Bayern der Katastrophenfall ausgerufen wurde, dem der erste Lockdown folgte, war klar, dass die Lage sehr ernst ist."
Belastende und aufreibende Wochen
"Die vergangenen Wochen und Monate waren für uns alle sehr belastend und aufreibend", sagt Schneider. Dankbar ist er auch dafür, dass das Landratsamt viel Unterstützung aus anderen Stellen erhalten hat, sei es von Schulen, von der Polizei, dem BRK, der Feuerwehr und dem THW oder von der Bundeswehr. Eine besondere Herausforderung sei das Bürgertelefon gewesen: Die Regelungen, was erlaubt und was verboten ist, änderten sich schnell. "Die Bürgerinnen und Bürger können Pressekonferenzen live im Internet verfolgen und erwarten, dass das Gesundheitsamt in Echtzeit informiert", erinnert sich der Landrat. Aber das gehe nicht immer. "Wir bekommen Änderungen im ersten Moment selbst nur aus dem Internet. Bis wir eine verlässliche offizielle Mitteilung erhalten, dauert es einige Zeit."
Und wie wird es weitergehen? "Die weitere Entwicklung hängt an verschiedenen Faktoren wie Inzidenzwert, Mutation, Impfmöglichkeiten, Verhalten der Menschen und vieles mehr", meint Landrat Schneider. "Etwas Geduld werden wir noch aufbringen müssen."