
Wo waren diejenigen, die sich eine Verkehrswende auf die Fahnen schreiben? Erschreckend leer war die Frauengrundhalle in Ebern, als beim Zukunftsforum im Rahmen der Europäischen Mobilitätswoche hochkarätige Fachvorträge zu nachhaltigen Mobilitätslösungen auf dem Programm standen.
Gerade einmal ein Dutzend Menschen –in Worten: zwölf– waren gekommen, wohlgemerkt inklusive den Referenten und dem Helfer-Team des Vereins "Wir gestalten Heimat" sowie Landrat Wilhelm Schneider und Eberns Bürgermeister Jürgen Hennemann. Aber das wars dann auch schon fast, obwohl alle Bürgermeister des Landkreises samt ihren Stadt- beziehungsweise Gemeinderäten sowie alle Kreisräte eingeladen waren.
So war zum Beispiel mit dem Haßfurter Stadtrat Volker Ortloff nur ein einziger Vertreter der Kreisstadt anwesend, der sich fragte: "Wo sind denn am Samstagnachmittag die Kommunalpolitiker, die gute Themen vorantreiben sollen?"
Noch genauer formulierte es Beate Rink, die dem Vorstand von "Wir gestalten Heimat" angehört: "Als engagierter Bürger fragt man sich schon, wie groß denn das Interesse der Verantwortlichen ist, ihre Bürger in puncto Mobilität zu unterstützen. Man hat sie ja irgendwann mal gewählt in der Annahme, dass sie sich für die Bürger einsetzen und sich für Vorschläge interessieren."
Elektro-Dorfauto-Modell ist in anderem Landkreis ein Erfolg
Nichtsdestotrotz wurden während der dreistündigen Veranstaltung gute Beispiele präsentiert, wie umweltfreundliche Mobilität in anderen Orten bereits erfolgreich praktiziert wird. Im rheinlandpfälzischen Rhein-Hunsrück-Kreis ist ein dreijähriger Probebetrieb mit Elektro-Dorfautos ein voller Erfolg. Klimaschutzmanager Frank-Michael Uhle ist seit über 20 Jahren beim dortigen Landratsamt beschäftigt und erklärte das Konzept. Ziel sei es, die Mobilität der Gemeindemitglieder, vor allem für junge Familien ohne Zweitwagen und Bürger ohne eigenes Auto zu verbessern. Außerdem sollten die Nutzer die bereits heute gegebene Alltagsfähigkeit der Elektromobilität wortwörtlich "erfahren".
Damit wird ein Anreiz geboten, sagt Uhle, ein Zweitfahrzeug abzuschaffen oder zumindest umweltfreundlich unterwegs zu sein. Als Ergänzung zum ÖPNV werde das Dorfauto sehr gut angenommen, insbesondere in kleineren Dörfern, zum Zwecke von Einkaufsfahrten, Transport von sperrigen Gegenständen, Fahrten mit bis zu fünf Personen, beispielsweise zu Vereins- und Sportveranstaltungen und ähnlichem.
Strom für das E-Auto wird nachhaltig gewonnen
Daher wurde ein geräumiges Elektroauto mit herausnehmbarer zweiter Sitzbank gewählt, ein Renault Kangoo maxi ZE. An einem zentral gelegenen Standort im jeweiligen Dorf wurde eine Ladestation installiert, die mit Ökostrom betrieben wird, vorzugsweise mit einer eigenen Photovoltaik-Anlage, zum Beispiel auf dem Gemeindehaus, beschrieb Uhle die Situation.
Für die Organisation wurde pro Ort ein "Kümmerer" als Ansprechpartner benannt, der sich um die Sauberkeit des Fahrzeugs kümmert und die Schlüsselkarten ausgibt. Die Nutzung, die für die Bürger während der Testphase kostenlos ist, erfolgt mit einer praxiserprobten Buchungssoftware, mit der automatisch die Schlüsselkarte zum gebuchten Zeitpunkt freigeschaltet wird. Nach einer erfolgreichen Testphase in den Orten wird laut Uhle ein dauerhafter Betrieb sowie eine möglichst kreisweite Ausweitung des Konzeptes angestrebt. Angedacht seien Gebühren von zwei Euro je Stunde und zehn Cent je gefahrenen Kilometer.
"Triomobile" als gemeinschaftliches Mitnahmeprojekt
So etwa in der Art wie im Rhein-Hunsrück-Kreis schwebt auch dem Verein "Wir gestalten Heimat" mit seinem Vorsitzenden Oliver Kunkel für den Landkreis Haßberge vor. "Triomobile" heißt das Konzept, welches die Veranstalter entwickelt haben. Dieses setzt sich aus den drei Punkten Sharing, Rufbus und Mitnahme zusammen.

Beim Sharing sollen sich möglichst viele Teilnehmer ein Dorfauto, Pedelec oder E-Lastenrad teilen, während man beim Rufbus mit einer Stunde Vorankündigung sein Fahrziel wählen kann. Das Ganze wird ergänzt durch spontane Mitnahme, wie etwa auf den Mitfahrbänken, Pendlermitnahme oder einen Bürgerbus. Jedes dieser drei Konzepte gibt es bereits in der Realität für sich, aber die Kombination ist ein Pilotprojekt, das von Fachleuten und auch dem Bayerischen Umweltministerium begrüßt wird, sagt Kunkel. All das sei als Ergänzung zusätzlich zu den bestehenden Bus- und Bahnverbindungen angedacht. Unterstützen soll hierbei auch eine Mitnahme-App und die Mobilstationen, die zum Umsteigen zwischen zwei Verkehrsoptionen und zur Information gedacht sind.
Mobilitätsterminal aus der Steiermark auch im Landkreis Haßberge denkbar
Per Videkonferenz zugeschaltet war Erich Biberich, ein Angestellter der Gemeinde Trofaiach in Österreich. Dort in der Steiermark wurde unter anderem bereits ein Mobilitätsterminal errichtet, wie es in ähnlicher Art auch im Landkreis Haßberge praktikabel wäre.
Als "Blickfang" und "Tor zu Innenstadt" bezeichnete Biberich die Einrichtung, die eine rund 25-prozentige Mehrauslastung der Busse unter der Woche mit sich bringt, am Wochenende sogar gut 60 Prozent. Ergänzt mit Parkplätzen, kann man dort sein Auto stehen lassen und mit einer getakteten Busverbindung regelmäßig in die Bezirkshauptstadt reisen.
Nicht ganz so weit wie die Vorredner ist Markus Hammrich, der im Landkreis Bamberg derzeit das Mobilitätsproblem auf dem Land anpackt. Aktuell wird der gesamte Linienverkehr überplant und die bisherigen Verträge sind zum August 2024 gekündigt. Danach soll es ein erweitertes Angebot geben mit fast einer Verdoppelung der Fahrplan-Kilometer.
Künftig vier Millionen Fahrplan-Kilometer im Landkreis Bamberg
Statt wie jetzt 2,4 Millionen Fahrplan-Kilometer sollen laut Hammrich zukünftig vier Millionen angeboten werden. Je nach Region soll dann im 30-, 60- oder 120-Minuten-Takt der Bahnhof in Bamberg zur Weiterreise mit der Bahn erreichbar sein. Vorerst in Zapfendorf, Bamberg, Ebing und Gundelsheim sind auch Mobilitätsstationen in Planung, die kommendes Jahr in Betrieb genommen werden sollen.
Mit Dr. Dennis Vogt von der Universität St. Gallen war ein weiterer Experte anwesend, der besonders auf die Bewerbung neuer Mobilitätsprodukte einging. "Bei allem Aktionismus braucht es aber Leute vor Ort, die wirklich mitmachen wollen", sagte Bürgermeister Jürgen Hennemann. Das Eberner Stadtoberhaupt sieht es als optimal an, wenn zuerst in kleinen Teilbereichen im Landkreis etwas ausprobiert wird, um die Resonanz zu testen.