Es muss keine Stadt sein. Und es muss nicht das Maintal sein. Dass es sich auch in kleineren Ortschaften abseits der Hauptverkehrsadern und Wirtschaftsstandorte gut leben lässt, beweisen die Heiligen Länder, womit die Gemeinden Breitbrunn und Kirchlauter gemeint sind. Hier haben die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Haßberge-Checks ihre Lebensqualität auf der Skala von 1 bis 10 (sehr schlecht bis sehr gut) mit 7,2 bewertet - ein ordentlichen Stück über dem Landkreisdurchschnitt von 6,7. Ihr subjektives Empfinden ist diesbezüglich sogar besser als das der Bewohner von Eltmann, Königsberg, Ebern, Hofheim oder gar Haßfurt. Man könnte also von einer Idylle in den Haßbergen sprechen.
Eine Idylle, die allerdings ihre Schattenseiten hat. "Egal was wir einkaufen wollen, wir müssen nach Ebelsbach fahren oder nach Ebern", erklärt ein Bürger aus dem Hauptort Kirchlauter, wo vor nicht allzu lange Zeit der letzte Bäcker aufgegeben hat. In Breitbrunn gibt es noch eine Bäckerei mit Fleischtheke und den allernötigsten Lebensmitteln.
Dass hier die Umfrageteilnehmer ihre Nahversorgung besser bewerten, mag aber in erster Linie damit zusammen hängen, dass es - in Autodimensionen gedacht - nur ein Katzensprung bis zu den großen Lebensmittelmärkten und Discountern von Ebelsbach ist. Und die Menschen in den Ortsteilen, etwa in den Einöden Doktorshof, Förstersgrund oder Paßmühle, müssen seit jeher mobil sein, um sich zu versorgen. Insgesamt erhält die Nahversorgung in den Heiligen Ländern nur 4,0 - einen ganzen Punkt unter dem Kreisschnitt.
Wie überall beim Haßberge-Check handelt es sich auch bei der Bewertung der Heiligen Länder um Stimmungslagen. Und nicht um wissenschaftliche Untersuchungen. Zumal, das sei an dieser Stelle auch gesagt, sich nur 20 Personen aus den beiden Nachbargemeinden an der Befragung beteiligt haben. Dennoch: Für die Akteure vor Ort dürften die Umfrageergebnisse wichtige Erkenntnisse und Ansätze liefern - gerade auch im Vergleich mit anderen Kommunen und dem Kreisergebnis.
Zum Beispiel auch, dass es an der Zeit wäre, über neue Nahverkehrskonzepte nachzudenken. Zwar scheinen die Breitbrunner mit ihrer Anbindung an den Öffentlichen Personennahverkehr zufrieden - es verkehren ja zahlreiche Busse im Gemeindegebiet. Dazu sind die Autobahn und der Ebelsbacher Bahnhof nicht weit. Mit der Punktzahl von 4,2 kommt Breitbrunn hier deshalb sogar besser weg als der Landkreis insgesamt (3,9). Doch Kirchlauter fühlt sich offenbar weit ab vom Schuss (2,8), vor allem noch weiter weg von der Mainachse, und zieht die Heiligen Länder beim Nahverkehr nach unten.
In den Heiligen Ländern gibt es keine Apotheke
Und auch bei der medizinischen Versorgung lassen die Heiligen Länder Federn. Zwar gibt es in Breitbrunn einen Hausarzt und in Kirchlauter eine hausärztliche Filialpraxis, doch bei den Apotheken heißt es Fehlanzeige. Erstaunlich: In der Empfindung der Bürgerinnen und Bürger von Breitbrunn scheint sich diesmal die Nähe zu Ebelsbach oder auch zum Medizinischen Versorgungszentrum Eltmann nicht positiv auszuwirken. Sie geben ihrer Gesundheitsversorgung nur 1,8 Punkte, während Kirchlauter exakt im Landkreismittel liegt (4,8).
Die Lebensfreude in den Heiligen Ländern wird also ein Stück weit durch die Klassiker getrübt, die das Leben auf dem Lande überall erschweren: Das nächste Einkaufszentrum mag weit weg liegen, wer kein eigenes Auto hat, tut sich auch in vielerlei anderer Hinsicht schwer - etwa um in die nächste Facharztpraxis zu kommen.
Spitzenreiter beim Thema Sicherheit und Sauberkeit
Auf der anderen Seite stehen die Vorteile, zuvorderst die "Kuschelatmosphäre": Nirgendwo anders freuen sich die Menschen mehr über die Sauberkeit (8,5) und fühlen sich sicherer als in den Heiligen Ländern (8,1). Da mag es ein wenig an der Kombination aus Abgeschiedenheit und Namen liegen, dass sich kein Bösewicht in die Region verirrt. Recht gut sieht es vor allem in Breitbrunn mit der Breitbandversorgung aus; und signifikant liegen die beiden Kommunen, wenn man sie zusammen betrachtet, auch bei der Familien- und Seniorenfreundlichkeit über dem Mittel.
Insgesamt landen die Heiligen Länder beim Haßberge-Check mit all den Vorzügen und Einschränkungen für das Leben dort mit 5,6 genau im Mittelfeld (5,7). Die Lokalpolitik muss die Situation indes differenziert betrachten: Die Breitbrunner etwa fühlen eine hohe Verkehrsbelastung - zurückzuführen wohl auf den Durchgangsverkehr auf der Staatsstraße 2274 im Kernort, in Kirchlauter sieht man das lockerer.
In Breitbrunn gibt es keine Gastwirtschaft mehr
Kirchlauter indes zeigt, wie wichtig es für die Menschen ist, eine Gastwirtschaft, eine Kneipe, ein Restaurant "vor der eigenen Haustüre" zu haben. Im Altort gibt es gleich mehrere Lokale, ebenso im Ortsteil Neubrunn. Und mit seinem Gutshof Andres zieht Pettstadt Ausflügler aus der ganzen Region an. Folglich hat Kirchlauter beim gastronomischen Angebot die Bewertung 6,4 bekommen - deutlich über dem Landkreisschnitt von 5,3 und fernab dessen, wie die Haßfurter ihre Kneipenlandschaft sehen. In der gesamten Gemeinde Breitbrunn gibt es überhaupt keine Gastwirtschaft mehr, seit vor Jahren in Lußberg das Gasthaus Veitenstein und zuletzt der Weiße Bock im Hauptort zugemacht haben. Das schlägt sich im schlechtesten Wert landkreisweit überhaupt nieder - mit einer traurigen 1,8.
Was ist der Haßberge-Check?
Über folgende Orte berichten wir demnächst:
Königsberg
Ebern
Hofheim
Zeil
Hofheimer Land (Aidhausen, Burgpreppach, Riedbach)
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